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Staat bedarf nicht der Religion zu seiner politischen Vervollständigung. Er kann vielmehr von der Religion abstrahiren, weil in ihm die menschliche Grundlage der Religion auf weltliche Weise ausgeführt ist. Der sogenannte christliche Staat verhält sich dagegen politisch zur Religion und religiös zur Politik. Wenn er die Staatsformen zum Schein herabsetzt, so setzt er eben so sehr die Religion zum Schein herab.

Um diesen Gegensatz zu verdeutlichen, betrachten wir Bauers Konstruktion des christlichen Staats, eine Konstruktion, welche aus der Anschauung des christlich-germanischen Staats hervorgegangen ist.

«Man hat neuerlich,» sagt Bauer, «um die Unmöglichkeit oder Nichtexistenz eines christlichen Staates zu beweisen, öfter auf diejenigen Aussprüche in dem Evangelium hingewiesen, die der Staat nicht nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht vollständig auflösen will.» «So leicht aber ist die Sache nicht abgemacht. Was verlangen denn jene evangelischen Sprüche? Die übernatürliche Selbstverläugnung, die Unterwerfung unter die Autorität der Offenbarung, die Abwendung vom Staat, die Aufhebung der weltlichen Verhältnisse. Nun alles das verlangt und leistet der christliche Staat. Er hat den Geist des Evangeliums sich angeeignet und wenn er ihn nicht mit denselben Buchstaben wiedergibt, mit denen ihn das Evangelium ausdrückt, so kommt das nur daher, weil er diesen Geist in Staatsformen, d. h. in Formen ausdrückt, die zwar dem Staatswesen in dieser Welt entlehnt sind, aber in der religiösen Wiedergeburt, die sie erfahren müssen, zum Schein herabgesetzt worden. Es ist die Abwendung vom Staat, die sich zu ihrer Ausführung der Staatsformen bedient.» P. 55.

Bauer entwickelt nun weiter, wie das Volk des christlichen Staats nur ein Nichtvolk ist, keinen eignen Willen mehr hat, sein wahres Dasein aber in dem Haupte besitzt, dem es unterthan, welches ihm jedoch ursprünglich und seiner Natur nach fremd, d. h. von Gott gegeben und ohne sein eignes Zuthun zu ihm gekommen ist, wie die Gesetze dieses Volkes nicht sein Werk, sondern positive Offenbarungen sind, wie sein Oberhaupt privilegirter Vermittler mit dem eigentlichen Volke, mit der Masse bedarf, wie diese Masse selbst in eine Menge besondrer Kreise zerfällt, welche der Zufall bildet und bestimmt, die sich durch ihre Interessen, besonderen Leidenschaften

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Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)