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Bauer verwandelt also hier die Frage von der Judenemancipation in eine rein religiöse Frage. Der theologische Scrupel, wer eher Aussicht hat, selig zu werden, Jude oder Christ, wiederholt sich in der aufgeklärten Form, wer von beiden ist emancipationsfähiger? Es fragt sich zwar nicht mehr: macht Judenthum oder Christenthum frei? sondern vielmehr umgekehrt, was macht freier, die Negation des Judenthums oder die Negation des Christenthums?

«Wenn sie frei werden wollen, so dürfen sich die Juden nicht zum Christenthum bekennen, sondern zum aufgelösten Christenthum, zur aufgelösten Religion überhaupt, d. h. zur Aufklärung, Kritik und ihrem Resultate, der freien Menschlichkeit.» P. 70.

Es handelt sich immer noch um ein Bekenntniss für den Juden, aber nicht mehr um das Bekenntniss zum Christenthum, sondern zum aufgelösten Christenthum.

Bauer stellt an den Juden die Forderung, mit dem Wesen der christlichen Religion zu brechen, eine Forderung, welche, wie er selbst sagt, nicht aus der Entwicklung des jüdischen Wesens hervorgeht.

Nachdem Bauer am Schluss der Judenfrage das Judenthum nur als die rohe religiöse Kritik des Christenthums begriffen, ihm also eine «nur» religiöse Bedeutung abgewonnen hatte, war vorherzusehen, dass auch die Emancipation der Juden in einen philosophisch-theologischen Akt sich verwandeln werde.

Bauer fasst das ideale abstrakte Wesen des Juden, seine Religion als sein ganzes Wesen. Er schliesst daher mit Recht: «Der Jude gibt der Menschheit nichts, wenn er sein beschränktes Gesetz für sich missachtet, wenn er sein ganzes Judenthum aufhebt.» P. 65.

Das Verhältniss der Juden und Christen wird demnach Folgendes: das einzige Interesse des Christen an der Emancipation des Juden ist ein allgemein menschliches, ein theoretisches Interesse. Das Judenthum ist eine beleidigende Thatsache für das religiöse Auge des Christen. Sobald sein Auge aufhört religiös zu sein, hört diese Thatsache auf beleidigend zu sein. Die Emancipation des Juden ist an und für sich keine Arbeit für den Christen.

Der Jude dagegen um sich zu befreien, hat nicht nur seine eigne Arbeit, sondern zugleich die Arbeit des Christen, die Kritik der Synoptiker und das Leben Jesu etc. durchzumachen.

«Sie mögen selber zusehen: sie werden sich selber ihr Geschick bestimmen; die Geschichte aber lässt mit sich nicht spotten.» P. 71.

Wir versuchen die theologische Fassung der Frage zu brechen. Die

Empfohlene Zitierweise:
Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)