Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 172.jpg

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nachdem man die Ohren mit Baumwolle, Wachs oder Pech wohl verstopft, mit einem ganz schwarzen Hund, der keinen andern Flecken am Leib haben darf, hinausgehen, drei Kreuze über den Alraun machen und die Erde rings herum abgraben, so daß die Wurzel nur noch mit kleinen Fasern in der Erde stecken bleibt. Darnach muß man sie mit einer Schnur dem Hund an den Schwanz binden, ihm ein Stück Brot zeigen und eilig davon laufen. Der Hund, nach dem Brot gierig, folgt und zieht die Wurzel heraus, fällt aber, von ihrem ächzenden Geschrei getroffen, alsbald todt hin. Hierauf nimmt man sie auf, wäscht sie mit rothem Wein sauber ab, wickelt sie in weiß und rothes Seiden-Zeug, legt sie in ein Kästlein, badet sie alle Freitag und gibt ihr alle Neumond ein neues weißes Hemdlein. Fragt man nun den Alraun, so antwortet er und offenbart zukünftige und heimliche Dinge zu Wohlfahrt und Gedeihen. Der Besitzer hat von nun an keine Feinde, kann nicht arm werden und hat er keine Kinder, so kommt Eheseegen. Ein Stück Geld, das man ihm Nachts zulegt, findet man am Morgen doppelt; will man lang seines Dienstes genießen und sicher gehen, damit er nicht abstehe oder sterbe, so überlade man ihn nicht, ein halben Thaler mag man kühnlich alle Nacht ihm zulegen, das höchste ist ein Dukaten, doch nicht immer, sondern nur selten.

Wenn der Besitzer des Galgen-Männleins stirbt, so erbt es der jüngste Sohn, muß aber dem Vater ein Stück Brot und ein Stück Geld in den Sarg legen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)