Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 385.jpg

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mit dem Arm gelegen und als die Köchin gefragt: „was willst du?“ hat es geantwortet: „deine Frau will ich.“ Sonst hat es der Edelfrau keinen Schaden zugefügt. Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester, ist es gefährlich gewesen und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht gegeben, daß die Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren und es ist ruhig im Hause geworden.





260.
Tod des Erstgebornen.
Mündlich.


In einem vornehmen Geschlecht hat es sich vor ein paar hundert Jahren zugetragen, daß das erste Kind, ein Söhnlein, Morgens bei der Amme im Bett todt gefunden wurde. Man verdachte sie, es absichtlich erdrückt zu haben und ob sie gleich ihre Unschuld betheuerte, so ward sie doch zum Tod verurtheilt. Als sie nun niederkniete und eben den Streich empfangen sollte, sprach sie noch einmal: „ich bin so gewiß unschuldig, als in Zukunft jedesmal der Erstgeborene dieses Geschlechts sterben wird.“ Nachdem sie dieses gesprochen, flog eine weiße Taube über ihr Haupt hin; darauf ward sie gerichtet. Die Weissagung aber kam in Erfüllung und der älteste Sohn aus diesem Hause ist noch immer in früher Jugend gestorben.



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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_385.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)