Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 072.jpg

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in seine Heimath wieder zu kommen. Eines Tages führte er die vorgehabte Flucht aus, nahm blos Pfeil und Bogen mit, und etwas Speise; er wußte aber nicht, wohin aus. Da gesellte sich ein Wolf zu ihm, und wurde sein Wegweiser. Und als er das Thier sich oft nach ihm umblicken, und so oft er still stand, auch still stehen sah, dachte er, daß es ihm von Gott gesandt wäre. So wanderten sie, das Thier und der Knabe, einige Tage durch Berge und Thäler der Wildniß; endlich ging dem Leupichis das wenige Brot aus, das er hatte. Bald verzehrte ihn der Hunger, und er spannte seinen Bogen auf den Wolf, damit ihm das Thier zur Speise dienen sollte. Der Wolf wich dem Pfeil aus und verschwand. Nun aber wußte er nicht mehr, welchen Weg einzuschlagen, und warf sich ermattet zu Boden; im Schlaf sah er einen Mann, der zu ihm redete: stehe auf, der du schläfst, und nimm den Weg nach der Gegend hin, wohin deine Füße gerichtet sind, denn dort liegt Italien. Alsbald stand Leupichis auf und ging dahinwärts; er gelangte zu den Wohnungen der Slaven, eine alte Frau nahm ihn auf, verbarg ihn in ihrem Haus, und gab ihm Lebensmittel. Darauf setzte er den Weg fort, und kam nach wenig Tagen in die Lombardei, an den Ort, wo er herstammte. Das Haus seiner Eltern fand er so verödet, daß es kein Dach mehr hatte, und voll Dorn und Disteln stand. Er hieb sie nieder, und zwischen den Wänden war ein großer Ulmbaum gewachsen, an den hing er seinen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_072.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)