Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 076.jpg

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Ringe, und in jedem Ring eine Schelle heften; darauf zog er ein Pilgrimkleid an, und durchwanderte so fast die ganze Welt. Er wollte aber die Weise und Regel aller Mönche genau erforschen, und ging in jedes Kloster ein; wenn er aber in die Kirche getreten war, pflegte er zwei oder drei Mal mit seinem Stabe hart auf den Boden zu stoßen, daß alle Schellen klangen; hierbei prüfte er nämlich den Eifer des Gottesdienstes. Als er nun ein Mal in das Kloster Novalese gekommen war, stieß er auch hier seiner Gewohnheit nach, den Pilgerstab hart auf den Boden. Einer der Kirchenknaben drehte sich um rückwärts, um zu sehen, was so erklänge; alsbald sprang der Schulmeister zu, und gab dem Zögling eine Maulschelle. Da seufzte Walther und sprach: „nun hin ich schon lange und viele Tage durch die Welt gewandert, und habe dergleichen nicht finden können. Darauf meldete er sich bei dem Abt, bat um Aufnahme ins Kloster, und legte das Kleid dieser Mönche an; auch wurde er nach seinem Willen zum Gärtner des Klosters bestellt. Er nahm zwei lange Seile, und spannte sie durch den Garten, eins der Länge und eins der Quere nach; in der Sommerhitze hing er alles Unkraut darauf, die Wurzeln gegen die Sonne, damit sie verdörren, und nicht wieder lebendig werden sollten[1] .

Es war aber in dem Kloster ein hölzerner Wagen, überaus schön gearbeitet, auf den man nichts


  1. Vergl. Meister Stolle (hinter Tristan. S. 147. No. IX.)
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)