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411.
Die Sachsen und die Thüringer.
Witechindus corb. gleich anfangs.

Vergl. Cod. pal. 361. fol. 2d.


Die Sachsen zogen aus und kamen mit ihren Schiffen an den Ort, der Hadolava heißt, da waren ihnen die Landeseinwohner, die Thüringer, zuwider und stritten heftig. Allein die Sachsen behaupteten den Hafen, und es wurde ein Bund geschlossen: die Sachsen sollten kaufen und verkaufen können, was sie beliebten, aber abstehen vom Menschenmord und Länderraub. Dieser Friede wurde nun auch viele Tage gehalten. Als aber den Sachsen Geld fehlte, dachten sie, das Bündniß wäre unnütz. Da geschah, daß einer ihrer Jünglinge aus den Schiffen ans Land trat, mit vielem Gold beladen, mit güldenen Ketten und güldenen Spangen. Ein Thüringer begegnete diesem und sprach: „was trägst du so viel Gold an deinem ausgehungerten Halse?“ – „Ich suche Käufer, antwortete der Sachse, und trage dies Gold bloß des Hungers halben, den ich leide; wie sollte ich mich an Gold vergnügen?“ Der Thüringer fragte: „was es gelten solle?“ hierauf sagte der andere: „mir liegt nichts daran, du sollst mir geben was du selber magst.“ Lächelnd erwiederte jener: „so will ich dir dafür deinen Rock mit Erde füllen;“ denn es lag an dem Ort gerade viel Erde angehäuft. Der Sachse hielt also seinen Rock auf, empfing die Erde und gab

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_085.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)