Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 094.jpg

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Abgaben zu belasten, sondern selbst einige der Mächtigsten im Lande hinzurichten; dazu wählte aber Winomad klüglich gerade Childerichs Feinde aus. Die Franken wurden durch solche Grausamkeiten bald von Aegidius abgewandt, und es kam dahin, daß sie bereuten, ihren eingeborenen Herrn verwiesen zu haben.

Da sandte Winomad einen Boten mit dem halben Goldring nach Thüringen ab, von woher Childerich schnell wiederkehrte, sich allerwärts Volk sammelte, und den Aegidius überwand.

Wie nun der König in Ruhe sein Reich beherrschte, machte sich Basina des thüringischen Königs Bissinus Weib auf, verließ ihren Gemahl, und zog zu Childerich; mit dem sie, als er sich dort aufhielt, in vertrauter Liebe gelebt hatte. Dem Childerich sagte sie, kein Hinderniß und keine Beschwerde habe sie abhalten können, ihn aufzusuchen: denn sie vermöge keinen würdigern in der ganzen Welt zu finden, als ihn. Childerich aber, der Wohlthat, die ihm Bissinus erwiesen, vergessen, weil er ein Heide war, nahm Basina bei Lebzeiten ihres ersten Gemahls zur Ehe. In der Hochzeitnacht nun geschah es, daß Basina den König von der ehelichen Umarmung zurückwies, ihn hinaus vor die Thüre der Königsburg treten, und was er da sehen werde, ihr hinterbringen hieß. Childerich folgte ihren Worten, und sah vor dem Thore große wilde Thiere, Parder, Einhörner und Löwen wandeln. Erschrocken eilte er zu seiner Gemahlin zurück,

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_094.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)