Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 127.jpg

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das sey deine andere Tagweide. Zu Passau sollt du dein Pferd lassen; der Wirth, bei dem du einkehrest, hat ein schön Füllen; das kauf ihm ab, es wird dich den dritten Tag bis in dein Land tragen.".

Der Kaiser that, wie ihm geboten war, handelte dem Schreiber das Pferd ab, und ritt in einem Tag aus der Bulgarei bis nach Rab; ruhte über Nacht, und kam den zweiten Tag bei Sonnenschein nach Passau, wo ihm der Wirth gutes Gemach schuf. Abends, als die Viehheerde einging, sah er das Füllen, griffs bei der Mähne und sprach: „Herr Wirth, gebt mir das Roß, ich will es morgen über Feld reiten.“ Nein! sagte dieser; das Füllen ist noch zu jung, ihr seyd ihm zu schwer, als daß es euch tragen könnte.“ Der König bat ihn von neuem; der Wirth sagte: „ja, wenn es gezäumt, oder geritten wäre.“ Der König bat ihn zum dritten Mal, und da der Wirth sah, daß es Karl so lieb wäre, so wollte er das Roß ablassen; und der König verkaufte ihm dagegen sein Pferd, das er die zwei Tage geritten hatte, und von dem es ein Wunder war, daß es ihm nicht erlag.

Also machte sich der König des dritten Tages auf, und ritt schnell und unaufhaltsam bis gen Aachen vor das Burgthor, da kehrte er bei einem Wirth ein. Überall in der ganzen Stadt hörte er großen Schall von Singen und Tanzen. Da fragte er, was das wäre? Der Wirth sprach: „eine große Hochzeit soll heute ergehen, denn meine Frau wird einem reichen König anvermählt; da wird große Kost gemacht, und

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)