Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 210.jpg

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Leibes überaus schöne, ansehnliche Gesellen zur Hand bracht. Indem nun der Kaiser sammt Fürsten und Herren zur Tafel gesessen und die Speisen vorgetragen und aufgestellt sind, ist der Tag obenrab unversehens heiter und schön worden, aller Schnee zusehens abgangen und gleich in einem Augenblick ein lustiger, lieblicher Sommer-Tag erschienen. Laub und Gras sind augenscheinlich, deßgleichen allerhand schöne Blumen aus dem Boden hervor gebrochen, die Bäume haben anfahen zu blühen, und gleich nach der Blüt ein jeder seine Frucht zu tragen; darauf allerhand Gevögel nieder gefallen und den ganzen Ort mit lieblichem Gesang erfüllet; und hat die Hitze des Tages der Maßen überhand genommen, daß fast männiglich der winterlichen Kleider zum Theil sich entblößen müssen. Es hat aber niemand gesehen, wo die Speisen gekocht und zubereitet worden; auch niemand die zierlichen und willfährigen Diener gekannt, oder Wissenschaft gehabt, wer und wannen sie seyen, und jedermann voll großer Verwunderung über all die Anstellung und Bereitschaft gewesen. Demnach aber die Zeit des Mahls herum, sind erstlich die wunderbar köstliche Diener des Mönchs, bald die lieblichen Vögel sammt Laub und Gras auf Bäumen und Boden verschwunden, und ist alles wieder mit Schnee und Kälte dem anfänglichen Winter ähnlich worden: also daß man die abgelegten Kleider wieder angelegt, und die strenge Kälte der Maßen empfunden, daß männiglich davon und zum Feuer und warmen Stube geeilet.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_210.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)