Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 227.jpg

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Leopold aber schlug ihr die Bitte mit den Worten ab: wenn sich dein Schleier findet, will ich dir auch ein Kloster bauen. Acht Jahre später geschah es, daß Leopold im Walde jagte, und auf einem Hollunderstrauch Agnesens Schleier hangen sah. Dieses Wunders wegen, ließ der Markgraf auf der Stelle, wo er ihn gefunden hatte, das Kloster Neuburg bauen; und noch heutiges Tages weist man daselbst den Schleier sowohl, als den Stamm des Hollunderbusches.




499.
Der Brennberger (erste Sage).
Ungedruckter Meistersang aus dem 15. Jahrh.


Der Brennberger, ein edler Ritter, war zu Wien an des Herzogs von Oestreich Hofe, und sah die auserwählte Herzogin an, ihre Wangen und ihren rothen Mund, die blühten gleich den Rosen. Da sang er Lieder zu ihrem Preis: wie seelig wäre, der sie küssen dürfe, und wie kein schöner Frauenbild auf Erden lebe, als die sein Herr besitze und der König von Frankreich; diesen beiden Weibern thue es keine gleich. Als die Herzogin von diesem Lobe vernahm, ließ sie den Ritter vor sich kommen und sprach: ach Brennberger, du allerliebster Diener mein, ist es dein Ernst oder Scherz, daß du mich so besingest? und wärst du nicht mein Diener, nähm ich dirs übel. „Ich rede ohne Scherz – sagte Brennberger – und in meinem Herzen seyd ihr die Schönste auf Erden; zwar spricht

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_227.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)