mag weder gestürmt noch angelaufen werden. Nun
zog aber Frau Maultasch mit ihrem Kriegsvolk stracks
auf Osterwitz zu, sonderlich, nachdem sie verstanden,
daß ein großer Adel allda beisammen wäre; des endlichen
Vorhabens, so lange davor zu liegen, bis sie
solches in ihre Gewalt bringen und der vorberührten
Herren und Frauen würde habhaft seyn. Wie solches
dem Herrn Reinher Schenk von seinen Kundschaftern
angekündet worden, hat er hierauf unverzogenlich seine
Kriegsleute, derselben nicht viel über drei Hundert gewesen,
mit großem Fleiß auf die Wehren der Mauern
und allenthalben auf dem hohen Berge geordnet, und
gar nichts unterlassen, was auf dies Mal dazu gedienet.
Hiezwischen kam die Frau Maultasch so weit
hinaus, daß sie mit den Ihren das Feld weit und
breit eingenommen, auch das Schloß in dem Gezirk
also umringet, daß schier niemand zu den Belagerten
kommen oder aus der Festung weichen konnte. Und
weil die Tyrannin gesehen, daß es unmöglich, Osterwitz
zu begwaltigen, hat sie demnach, in der Zeit der
Belagerung, den armen Bauersleuten in den Dörfern,
mit Brennen, Rauben, Morden und andern Gewaltthätigkeiten
nicht geringen Schaden zugefügt; wie dessen
die zerbrochnen Schlösser und Burgen noch heutiges
Tages genügsame Zeugniß geben. Doch als sie
zuletzt gesehen, daß sie Zeit umsonst und vergeblich
vertrieben, auch mit all ihrer Gewalt wenig ausrichten
würde, hat sie so viel im Rath befunden, ihre
Gesandten an Reinher Schenk zu verordnen, mit dem
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_236.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)