Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 250.jpg

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ein grausamer starker Wind an, daß das Schiff schwankte, und sie elend zu verderben meinten; denn keiner wußte mehr dem Fahrzeug vor den Wellen zu steuern. Indem sprach einer der Knechte zum Landvogt „Herr, hießet ihr den Tell aufbinden, der ist ein starker, mächtiger Mann, und versteht sich wohl auf das Wetter: so möchten wir wohl aus der Noth entrinnen“ Sprach der Herr, und rief dem Tell: willt du uns helfen und dein Bestes thun, daß wir von hinnen kommen? so will ich dich heißen aufbinden. Da sprach der Tell: ja gnädiger Herr, ich wills gerne thun, und getraue mirs. Da ward Tell aufgebunden, und stand an dem Steuer und fuhr redlich dahin; doch so lugte er allenthalben auf seinen Vortheil und auf seine Armbrust, die nah bei ihm am Boden lag. Da er nun kam gegen einer großen Platte – die man seither stets genannt hat „des Tellen Platte“ und noch heut bei Tag also nennet - däucht es ihm Zeit zu seyn, daß er entrinnen konnte; rief allen munter zu, fest anzuziehen, bis sie auf die Platte kämen, denn wann sie davor kämen, hätten sie das Böseste überwunden. Also zogen sie der Platte nah, da schwang er mit Gewalt, als er dann ein mächtig stark Mann war, den Nachen, griff seine Armbrust, und that einen Sprung auf die Platte, stieß das Schiff von ihm, und ließ es schweben und schwanken auf dem See. Lief durch Schwitz schattenhalb, (im dunkeln Gebirg) bis daß er kam gen Küßnach in die hohle Gassen; da war er vor dem Herrn hingekommen,

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_250.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)