Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 266.jpg

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„So bitte ich – sagte der Herzog – die Braut um einen Trunk Weins, mein Herz ist mir ganz matt.“ Da lief einer von den Leuten hinauf zu der Fürstin und hinterbrachte, daß ein fremder Gast, dem ein Löwe mit folge, um einen Trunk Wein bitten lasse. Die Herzogin verwunderte sich, füllte ihm ein Geschirr mit Wein und sandte es dem Pilgrim. „Wer magst du wohl seyn – sprach der Diener – daß du von diesem edlen Wein zu trinken begehrst, den man allein der Herzogin einschenkt?“ Der Pilgrim trank, nahm seinen goldnen Ring, und warf ihn in den Becher, und hieß diesen der Braut zurück tragen. Als sie den Ring erblickte, worauf des Herzogs Schild und Name geschnitten war, erbleichte sie, stund eilends auf und trat an die Zinne, um nach dem Fremdling zu schauen. Sie ward den Herrn inne, der da mit dem Löwen saß; darauf ließ sie ihn in den Saal entbieten und fragen: wie er zu dem Ringe gekommen wäre, und warum er ihn in den Becher gelegt hätte? „Von keinem hab’ ich ihn bekommen, sondern ihn selbst genommen es sind nun länger als sieben Jahre; und den Ring hab’ ich hingeleget, wo er billig hin gehört.“ Als man der Herzogin diese Antwort hinterbrachte, schaute sie den Fremden an, und fiel vor Freuden zur Erden, weil sie ihren geliebten Gemahl erkannte; sie bot ihm ihre weiße Hand und hieß ihn willkommen. Da entstand große Freude im ganzen Saal, Herzog Heinrich setzte sich zu seiner Gemahlin an den Tisch; dem jungen Bräutigam aber wurde ein

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_266.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)