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549.
Reinhartsbrunn.
Bange Bl. 49. 50.

Rothe 1677. 1678.


Als Landgraf Ludwig nach Rom zog, und vom Pabst Buße empfangen hatte für seine und seines Weibes Sünde, war ihm aufgelegt worden: sich der Welt zu begeben, und eine Kirche zu bauen in Unser lieb Frauen und St. Johannes Minne, der mit ihr unterm Kreuze stand am stillen Freitag. Also fuhr er wiederum heim zu Lande, übergab das Reich seinem Sohne, und suchte eine bequeme Baustätte aus. Und als er eine Zeit von Schönberg nach der Wartburg ritt, da saß ein Töpfer bei einem großen Brunnen. Von dem vernahm der Graf, und auch sonst von etlichen Bauern zu Fricherode: daß sie alle Nacht zwei schöne Lichter brennen sähen, das eine an der Stätte, da das Münster liegt, das andere, da St. Johannes Capelle liegt. Da gedachte der Graf an sein Gelübde, und daß Gott, durch Offenbarung der Lichter, dahin die Kirche haben wollte; ließ sobald die Stätte räumen und die Bäume abhauen, und nahm des Bischofs von Halberstadt Rath zu dem Bau. Als das Gebäude fertig war, nannte er es von dem Töpfer und Brunnen „Reinhartsbrunn;“ da liegen die alten Landgrafen zu Hessen und Thüringen mehrentheils bestattet.


Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_352.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)