Seite:Deutscher Dichterwald 172.jpg

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Sankt Alban.

Es steht dem Land zum Gruße
Ein Kreutz auf Berges Höh’,
Leis’ wallt an seinem Fuße
Ein himmelblauer See.

5
Viel duft’ge Kräuter blühen

An dieses Wassers Rand,
Viel fromme Pilger ziehen
Dahin vom fernen Land.

Wohl vor zwölfhundert Jahren,

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Da lag diß Land gar wild,

Der Wald mit Thiereschaaren,
Der See mit Gift erfüllt:
Denn an des Kreutzes Stelle
Ein schlimmer Felsen war,

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Stellend zur Lust der Hölle,

Des Satans Bildniß dar.

Kalt, wie des Mondes Stralen,
Blickt’ es in’s Land hinein,
Zum Fluch den Höh’n und Thalen;

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Statt Blumen wuchsen Stein’,

Statt Menschen wurden Drachen,
Statt Fischlein Schlangen im See,
Die Hölle sah’s mit Lachen
Und pries das Bild der Höh’.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)