Seite:Deutscher Dichterwald 180.jpg

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„Komm, liebes Kind! komm, süßes Kind! da blühen Röslein rund!“
Sie faßt es an dem goldnen Haar, sie schleudert’s in den Grund.

Eine Weil’ das Kind die Tiefe barg, eine Weil’ es oben schwamm,
Auf lacht die falsche Dienerinn, doch bald ihr Reue kam.

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Sie flieht von dem unsel’gen Strom, flieht über Berg und Thal,

Sie irrt so viele hundert Jahr, kann ruh’n kein einzigmal.

Es sah Herr Ernst von hoher Burg, sah in den grünen Grund,
Sie brachten todt sein süßes Kind, auf Rosen man es fund.

Es blüht wie eine Rose roth, wie eine Lilie weiß.

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Er legt’s in einen goldnen Sarg, bestattet es mit Fleiß.


Manch Mutter kniet’ mit ihrem Kind auf Regiswindens Gruft,
Doch wenn Herr Ernst, ihr Vater, kam, entstieg ihr Rosenduft.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_180.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)