Seite:Deutscher Dichterwald 184.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Still trägt die Magd manch herbes Leid,
Schwer drückt sie Eurer Schwester Neid,
Sie hassen all die Weiber.“

55
Der Landgraf drauf in hohem Muth

Sprach: „Siehst du in der Abendglut
Golden die Burgen ragen?
Und bleiben Gold sie bis in Grund,
Ich lass’ sie stehen all zur Stund’,

60
Eh’ ich der Magd entsage.“


Da glänzt es auf der Wartburg fern
Wie durch die Lind’ der Abendstern,
Sie sahen’s purpurn wallen.
Die Wolken zogen freudig schnell,

65
Die Burgen standen wunderhell,

Trommeten hört’ man schallen.

Sie sprengten durch den dunkeln Wald,
Auf Wartburg kamen sie gar bald,
Wohl unter die grüne Linde.

70
Licht stand in Korn’ und Purpurgewand

Bei Rittern aus dem Ungarland
Elsbeth, das Königskinde.

Der König jüngst gestorben war,
Zwölf Edle von der Ritterschaar,

75
Die zogen in die Weite.

Zur Wartburg unter grüner Lind’,
Da fanden sie ihr Königskind,
Den goldnen Leu zur Seite.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_184.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)