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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

ein Werk geliefert[1], das dem gegenwärtigen Forscher die Lust und den Eifer an der Arbeit erhöhen, aber auch den Umfang der Aufgabe und das Ziel des Strebens um ein Bedeutendes erweitern müssen. Die Leistungen Hoffmanns von Fallersleben und die zwei Bände Ludwig Uhlands, „für den, der kritische Behandlung sucht – das kanonische Werk[2]“, das seines Gleichen nicht hat, sind und bleiben bekannt und anerkannt genug, um durch ihren Namen die Richtung eines Jeden zu bezeichnen, der nach ihnen an Sammlung und Bearbeitung des deutschen Volksliedes seine Kräfte gewendet.

Sie alle haben das gemein, daß, so viel Schönes in Rücksicht der Texte geleistet, sie mit wenigen Ausnahmen das Musikalische nicht genug zur Geltung kommen lassen[3], weil die Mehrzahl der Bearbeiter theils der Musik überhaupt unkundig gewesen, theils im Volksgesang nicht die hinreichende Erfahrung gehabt, um Verfehltes vom Richtigen mit Erfolg unterscheiden zu können. Sind nun Text und Melodie in einem unzertrennlichen Bunde beschlossen, so liegt dem heutigen Sammler und Bearbeiter nach jenen Vorgängen ob, auch der Melodie zu ihrem Rechte zu verhelfen, um durch sie wo möglich Hülfe und Handhaben für die Kritik des Textes zu gewinnen. Bereits in den früheren dreizehn Heften deutscher Volkslieder, welche ich in den Jahren 1838 bis 1845[4] bekannt gemacht, ist es mein Hauptbestreben gewesen, die Melodien sicher und unverfälscht zu geben, nicht minder die Worte, besonders der mündlichen Ueberlieferung. Aber bei dem eingeschränkten Kreise der Mittheilungen, die mir in jener Zeit zu Gebote standen, habe ich die vergleichende Kritik noch nicht genug üben, eine durchgreifende Herstellung nicht bewirken können. Gegenwärtig ist der Ertrag des früher von Andern Mitgetheilten mit dem, was eigene Bemühung gewonnen, zu einem Ganzen verschmolzen, so daß auch, was den Vorgängern verdankt wird, nunmehr vielfach in verbesserter Gestalt erscheinen kann.

Der vorliegende erste Band der umfassendern Sammlung hat es vorzugsweise mit solchem Gute zu thun, welches durch die heutige Tradition


  1. Fr. Silcher, H. v. Aufseß, F. J. Mone, F. K. v. Erlach, O. L. B. Wolff, F. L. v. Soltau, A. Kretzschmer, Talvj, P. M. Körner, Ernst Richter, A. Stöber, J. M. Firmenich, K. Müllenhoff, O. Schade, F. W. von Ditfurth u. s. w.
  2. Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung. 4. Aufl. B. II S. 281.
  3. Gervinus II, 281 unten.
  4. „Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen, gesammelt und herausgegeben von L. Erk und W. Irmer. (B. I.) 6 Hefte. Berlin, 1838–1841.“ (Jetzt durch die J. H. Funkesche Buchhandl. in Crefeld zu beziehen.) – „Neue Sammlung deutscher Volkslieder mit ihren eigenthümlichen Melodien. Herausgegeben von L. Erk. (B. II.) 6 Hefte; B. III, H. 1. Berlin, 1841–1845. (B. II, H. 1–3 bei Bote u. Bock in Berlin, die Fortsetzung, von B. II, H. 4 an, bei Dörffling u. Franke in Leipzig.)
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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_p_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)