Seite:Die Anfänge des musikalischen Journalismus Seite 13.jpg

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der Sieg nicht so leicht fallen, als gegen den schwächlichen Murschhauser. Sein neuer Gegner, der Wolfenbütteler Organist Bokemeyer, war ihm an Gelehrsamkeit und Schlagfertigkeit gewachsen und wusste alle kritischen Einwürfe geschickt zu parieren. Unter der Überschrift: „Canonische Anatomie“, deren einzelne Teile „Schnitte“ genannt werden, wird auf Wunsch Bokemeyer’s der Briefwechsel dieser beiden Gelehrten veröffentlicht, welche hier über den Wert des Canons für die musikalische Komposition disputieren.

Während Bokemeyer einen Musicum poeticum durch das Studium des Canons auf den höchsten Gipfel der Kunst führen will, sieht Mattheson in den Canons und sonstigen gelehrten kontrapunktischen Formen nur eine Übung des Verstandes und Witzes, eine Künstelei, durch die das Herz keines Zuhörers gerührt würde. Mit ganzer Energie tritt Mattheson – und darin ist er nach seinem eigenen Ausspruche der erste – für die Ausbildung der Melodie ein. Die von Bokemeyer gepriesenen Kontrapunktioten seien „Künstler in der Harmonie und Hümpler in der Melodie, mit einem Worte, künstliche, mühselige Stümper“.

Als es Mattheson nicht gelingen will, seinen Gegner zu bekehren, ruft er Keiser, Heinichen und Telemann als Schiedsrichter an, welche sich gegen die von Bokemeyer behauptete Wichtigkeit des Canons erklären und sich im Sinne Matthesons äussern. Schliesslich erfährt Mattheson den Triumph, dass sich Bokemeyer für besiegt erklärt und sich bedankt, dass Mattheson ihn zur Melodie „als der einzigen und wahren Quelle echt musikalischer Kunst“ geführt habe.

Es ist ein grosses Verdienst Matthesons, dass er mit dieser Schrift der übertriebenen Hochachtung vor der gelehrten Augenmusik einmal energisch Abbruch that. Die Bedeutung seines Sieges wächst noch durch die Schwierigkeit, welche ihm sein mannhafter Gegner bereitete; bedurfte es doch der ganzen Geistesschärfe, Schlagfertigkeit und diplomatischen Schlauheit eines Mattheson, um ihn zur Kapitulation zu bringen.

Der V. Teil ist „Des fragenden Komponisten Verhör“ genannt.