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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

dem * abwärts aus dem Würzelchen, aufwärts und nach links aus dem sogenannten Federchen, f; so nennt man nämlich den Theil des Keimes, aus welchem der Stamm oder Stengel der Pflanze wird. Am Federchen der Bohne sehen wir deutlich zwei kleine um einander geschlagene Blättchen, die Keimblättchen; die beiden ersten, welche aus dem keimenden Samen erwachsen und welche einzeln, nicht zu dreien stehen, wie es bekanntlich mit allen übrigen Bohnenblättern der Fall ist. Wir kommen nun zu den beiden großen Körpern, s, zurück, welche fast ganz allein den Bohnensamen und die vorhin genannten und von noch vielen andern Pflanzenarten bilden. Wir nennen sie die Samenlappen. Hängt nun der Keim an ihnen, oder hängen sie am Keime? In solchem Samen, wo sie der größere Theil sind, möchte man das erstere annehmen. Aber insofern der Keim die Hauptsache ist und er sich nach dem Keimen mächtig entwickelt, die Samenlappen aber nicht mehr und nur noch wenig, so sieht man bald, daß es richtiger ist, zu sagen, die Samenlappen hängen am Keime. Fig. 4 zeigt dies augenscheinlich. Sie stellt ein Keimpflänzchen der Bohne dar. Das Würzelchen und das Federchen des Keimes haben sich, jenes zur abwärts steigenden Wurzel, dieses zum aufwärts steigenden Stengel zu entwickeln begonnen, und da, wo beide, nach entgegengesetztem Richtungen sich verlängernd, verbunden sind, hängen die Samenlappen.

So wie hier an der Bohne beschrieben, ist wenigstens in den wesentlichen Haupttheilen der Same der meisten vollkommneren Pflanzen gebildet. Wir werden jedoch nachher auch eine ganze Abtheilung des Pflanzenreichs kennen lernen, zu welcher unsere Halmgetreide, alle Gräser, die Zwiebelgewächse u. s. w. gehören, bei deren Samen sich die Samenlappen anders verhalten.

Ohne jetzt auf die zahllosen Verschiedenheiten in nebensächlichen Dingen des Baues der Pflanzensamen eingehen zu können, lasse ich nun dieser allgemeinen Beschreibung des Baues eine Schilderung des Keimens der Samen folgen.

Wir bleiben bei der Bohne und denken uns jetzt einen gesunden keimfähigen Samen derselben in den Boden gelegt.

Drei Hauptbedingungen werden zum Keimen eines Pflanzensamens erfordert: Feuchtigkeit, Luft oder bestimmter der Sauerstoff der Luft, und Wärme. Von letzterer reichen bei unserer einheimischen Temperatur 7 bis 8° R. hin. Der Boden ist hier nicht mit unter diesen Hauptbedingungen genannt, weil er nicht sowohl zum Keimen, als vielmehr zur später erfolgenden Anwurzelung und Sicherstellung der Nahrungszuführung erforderlich ist.

Nach einiger Zeit finden wir in einem hinlänglich feuchten Boden die Samenschale der Bohne runzelig. Das kommt daher, weil sie sich durch Einsaugung von Feuchtigkeit ausgedehnt hat und also größer, weiter geworden ist. Nach abermals einiger Zeit ist die Samenschale wieder glatt. Dies rührt nicht daher, daß sie die aufgesogene Feuchtigkeit wieder fahren gelassen hat, sondern daher, daß durch sie hindurch nun auch der Keim und noch mehr die Samenlappen Feuchtigkeit eingesogen haben, wodurch auch sie an Größe etwas zugenommen haben und nun die Samenschalen wieder ganz ausfüllen und glätten. Die Samenschale hat nun ihre Rolle ausgespielt. Sie muß auf ihrer ganzen Oberfläche fortwährend Feuchtigkeit zu den innern Samentheilen hindurchgehen lassen. Dadurch schwellen diese immer mehr an, so daß die Samenschale, die sich nicht weiter ausdehnt, bald zu eng wird und meist in der Gegend, wo das Würzelchen liegt, platzt und abgestreift wird. Nachdem dies geschehen und das Würzelchen in den Erdboden eingedrungen ist, so tritt dieses sofort sein Amt an, welches in der Wasseraufsaugung besteht. Dies Wasser braucht aber noch kein solches zu sein, welches viel nahrhafte Bestandtheile aufgelöst enthält. Destillirtes, also ganz reines, von allen fremden Bestandtheilen freies Wasser würde jetzt noch einige Zeit ausreichen, das Keimpflänzchen in seinem Wachsthum zu erhalten. Wie geht das zu? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir jetzt die Samenlappen etwas genauer untersuchen. Sie bestehen aus einem sehr feinen Gewebe zahlloser, außerordentlich kleiner Zellen, in denen Stärkemehl, fette Oele, Zucker u. dergl. enthalten ist. Diese Stoffe lassen sich durch kohlensäurehaltiges Wasser – etwas Kohlensäure enthält jedes Wasser – auflösen und so in eine sehr nahrhafte Kost für das Keimpflänzchen umwandeln. Da nun, wie wir gesehen haben, der Keim an einer kleinen Stelle mit den Samenlappen zusammenhängt, so tritt an dieser Stelle aus den letzteren dieser nahrhafte Saft in das Zellengewebe des Keimes über und ernährt ihn. Erst wenn alle in den Zellen der Samenlappen enthaltenen Stoffe aufgelöst und von dem Keimpflänzchen aufgezehrt sind, ist es erforderlich, daß nun durch Aufnahme aus dem Boden durch die Wurzel die Nahrungszufuhr ohne Unterbrechung fortgesetzt werde. Du siehst also, daß die Samenlappen Proviantbehälter sind, welche die Mutterpflanze ihrem kleinen Samenkindlein auf die Reise durch die Welt mitgegeben hat. Nachdem die Samenlappen ganz ausgesogen sind, welken sie meist schnell und fallen ab.

Während dieses hier beschriebenen Keimungs-Vorganges finden in den Samenlappen förmliche chemische Processe statt. Es ist nicht etwa ein schlafendes Leben im Keime anzunehmen, was während des Keimens geweckt wird. Das kohlensäurehaltige Wasser löst ganz einfach nach chemischen Gesetzen z. B. das in den Samenlappen enthaltene Stärkemehl auf, wobei noch einige andere dicht unter der Samenschale liegende Stoffe mitwirken; verwandelt das Stärkemehl in Zucker und dieser wird nun durch andere Zellenparthien in den Stengelkeim oder das Federchen geleitet, in dessen Zellen er neue chemische Processe hervorruft, die, wie alle chemischen Processe, mit Bewegungs- und Formungserscheinungen verbunden sind. Sind die Bestandtheile eines Samens und insonderheit der Samenlappen leicht chemischen Veränderungen und daher der Verderbniß, als Verstocken, Sauer- oder Ranzigwerden unterworfen, so verlieren auch solche Samen leicht und bald ihre Keimkraft, oft schon nach einem Jahre; weil eben dann die Bestandtheile in ihnen nicht mehr geeignet sind, durch die gesunden chemischen Processe das Wachsthum, d. h. die Bildung neuer Zellen, zu vermitteln. Es ist namentlich bei ölreichen Samen, z. B. bei den Bucheckern, oft sehr schwer, ihre Keimkraft zu erhalten, weil ihr Oel schnell ranzig wird. Andere Samen behalten Hunderte von Jahren ihre Keimkraft. Man kann doch hier nicht sagen, daß in jenen ein zarteres, vergängliches Leben schlummere, in diesen ein zäheres!

Du wirst nun auch begreifen, weshalb gemalzte, d. h. gekeimte Gerste süß schmeckt. Das in ihnen enthalten gewesene Stärkemehl ist durch das beim Keimen eingesogene

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)