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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

entsponnen hat, nicht nach der Meinung Solcher sich entschieden haben, welche Person und Sache nicht aus eigner Erfahrung und vorurtheilsfrei, sondern nur nach Gerüchten und unter dem Einflusse ungehöriger Nebenrücksichten beurtheilen. Es ist hier viel, und was das Schlimmste ist mit Absicht und gegen Besserwissen gefehlt worden; aber wie immer eine gute Sache durch fanatische Verketzerung und Anfeindung an Geltung und Ausbreitung unter vernünftigen und charakterstarken Menschen nur gewinnt, so hat der blinde Eifer seiner Feinde dem Segenswerke Fröbel’s schneller und mindestens ebenso viele Freunde verschafft, als der fruchtbringende Widerstreit ehrlicher Gegner und das treue Wirken seiner Anhänger und Nachfolger. Auch hat der edle, der Reinheit und Wahrheit seines Strebens sich immer klar bewußte Fröbel durch keinerlei Mühsal und Anfechtung sich irren und entmuthigen, oder gar zu Haß und zu den Fehlern seiner Feinde sich verleiten lassen. Sollten wir die Erinnerung an den treusten und liebevollsten Menschenfreund uns durch Eifern gegen seine Widersacher trüben? – Sie verlangen nach dem Zeugnisse eines unparteiischen, der Person und Sache kundigen Mannes; ich gebe Ihnen dieses nach meinem besten Wissen und wie ich denke zugleich als das beste Geschenk für Ihre lieben Kinder. Denn das weiß ich ja voraus, daß Sie nun, von Ihren Zweifeln erlöst, voll Ruhe die Kleinen dem Kindergarten und damit ihrem Glücke zuführen werden. Schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit zuerst einer kurzen Lebens- und Charakterschilderung des verewigten Kinderfreundes.

Friedrich Fröbel wurde am 21. April 1782 zu Oberweißach im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt, woselbst sein Vater Pastor war, geboren. Im ersten Lebensjahre schon verlor er die Mutter und mit ihr ein Glück, das er später so hoch pries, und das der ganzen Kinderwelt zu sichern für ihn die hochheilige Aufgabe eines langen Lebens wurde; das Glück, von der Mutter auch geistig geboren zu werden und an der Hand treuster Liebe zu bewußtem Leben heranzureifen. Unter liebeleerer, stiefmütterlicher Obhut verflossen ihm die Jahre der Kindheit. Fürwahr, eine deutungsvolle Vorbereitung auf die schweren Seelenkämpfe seines späteren Lebens. – Vierzehn Jahre alt entschied er sich für den Beruf eines Landwirths. Bald aber befriedigten die praktischen Arbeiten des erwählten Berufs in Forst und Feld seinen höher und weiter strebenden Geist nicht mehr; einmal in die Werkstätte der Natur eingetreten, verlangte er nach der Kenntniß aller ihrer Geheimnisse, drängte es ihn über das Gebiet glücklicher Ahnungen hinaus zu bewußter, befriedigender Klarheit. Er bezog deshalb im Anfange dieses Jahrhunderts die Universität Jena und widmete sich dort dem Studium der mathematischen und Naturwissenschaften. Der Tod seines Vaters rief ihn aber schon 1802 von dort zurück und nöthigte ihn, den früheren praktischen Beruf wieder aufzunehmen, bis ihn nach wenigen Jahren das Geschick in seine ernste, bis dahin von ihm nicht geahnte Laufbahn einführte.

In Frankfurt a. M. war von einem bewährten Erzieher, Gruner[WS 1], eine Musterschule begründet worden. In dieser wurde der bisherige Landwirth Fröbel als Mitarbeiter bestellt und bald erwies es sich, daß er, wie Gruner ihm zugerufen hatte, berufen sei, „nicht Pflanzen zu ziehen und Häuser aufzubauen, sondern Menschen und Geister.“ Durch[WS 2] besondere wissenschaftliche pädagogische Vorbildung leistete Fröbel als Lehrer doch Außerordentliches. Er brachte für die neue Thätigkeit eine rechte, ächte Gottesbegabung mit. Nicht so Verstand und Wissen, als vornehmlich Gemüth und Charakter waren es, durch welche er seine Zöglinge an sich fesselte, und das ist es ja, was den Erzieher macht, der in ihrem innersten und geheimsten Leben die Seele erfassen und nach Außen zur Entfaltung führen soll. Aber Fröbel wollte ganz werden, wozu ihn, wie das jetzt klar vor seiner Seele stand, die Weisheit und Liebe des Vaters der Menschen bestimmt hatte. Er vollendete deshalb seine Bildung zum Erzieher auch wissenschaftlich, indem er zwei Jahre, von 1808–10, bei dem ihm geistesverwandten Pestalozzi in der Schweiz als Lehrer lebte und dann in den Jahren 10 und 11 zu Göttingen und Berlin, wo er zugleich praktisch als Lehrer wirkte, seine Studien als Pädagog zum Abschluß brachte.

Eine Unterbrechung, wenn auch nur eine äußere, denn im Forschen blieb er unermüdlich, – erlitt Fröbel’s Thätigkeit durch den Ausbruch des Krieges 1813. Der deutsche, für Vaterland und Freiheit glühende Mann trat als Freiwilliger in Lützow’s Jägercorps und nahm an allen Zügen dieser Heldenschaar Theil, bis der Friede ihn im folgenden Jahre nach Berlin zurückführte. Ohne das hohe Ziel seines Lebens- und Lieblingsberufs auch nur einen Tag aus den Augen zu verlieren, wirkte er hier vorübergehend als Inspektor am Königl. Museum für Mineralogie. Erst zwei Jahre später kehrte er in den verlassenen Wirkungskreis zurück und war jetzt freier und selbstständiger als je zuvor, wenn auch nicht unter den günstigsten äußeren Umständen. In diese Zeit fällt auch seine erste Verheirathung, durch welche er eine treue, hingebende Gehülfin in seinen Menschen beglückenden Bestrebungen fand. – Könnte ich Ihnen doch gerade diesen Wendepunkt in seinem Leben – den Beginn eines Erziehungsverfahrens nach seinen selbsteigenen Ideen – mit der Ausführlichkeit und in allen den kleinen originellen Zügen schildern, wie ich Fröbel selbst hierüber oft an stillen, gemüthlichen Winterabenden des Sturmjahres 48 im Kreise seiner Schüler und Schülerinnen und in meiner Familie sprechen hörte. Wie der alte Krieger, der auf dem Meere ergraute Schiffer gern von den erlebten und glücklich bestandenen Gefahren ihres Berufes sprechen, so hören wir auch Männer, die eine große, ihre Seele ganz erfüllende Idee ein langes Leben hindurch vor der Welt vertreten und verfochten haben, gern der Drangsale und Beschwerden sich erinnern, die sich der Verwirklichung ihrer Absichten und Pläne entgegenstellten, und die sie glücklich und durch selbsteigene Kraft bewältigten. Mit wie gemütlicher Selbstzufriedenheit schilderte Fröbel unter welchen Sorgen er die Kinder seiner Brüder (seine Ehe blieb kinderlos) um sich versammelte, mit diesen das Ganze und Große seines Plans für eine naturgemäße Menschenerziehung im Kleinen auszuführen begann und dann weiter vorschritt zu Begründung der ersten größeren Erziehungsanstalt im Dorfe Keilhau. – An dieser Anstalt wirkte Fröbel längere Zeit in Gemeinschaft mit den Mitbegründern derselben, seinen treusten Herzens- und Berufsfreunden Middendorf[WS 3] und Barop[WS 4]. Später – denn sein Name war jetzt durch seine öffentliche Wirksamkeit und durch seine Schriften weithin

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gottlieb Anton Gruner, deutscher Pädagoge (1778–1844) (Quelle: Deutsche Biographie)
  2. Vorlage unleserlich
  3. Johann Wilhelm Middendorf, deutscher evangelischer Theologe und Pädagoge (1793–1853) (Quelle: Wikipedia)
  4. Johannes Arnold Barop, deutscher Pädagoge (1802–1878)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_058.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)