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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

 Es freue sich
Wer da athmet im rosigen Licht!
Da unten aber ist’s fürchterlich!

Der Weg aufwärts war ein ganz gleicher wie der abwärts, obwohl wir in einem andern Schacht emporstiegen, der sehr bezeichnend „Himmelfahrt“ heißt. Wir stiegen auf gleichen steilen schlüpfrigen Stufen hinauf, fühlten uns an gleichen nassen Wänden hin und stießen uns gelegentlich den Hut an der niedrigen Decke über die Augen herein. Kaum einen trocknen Faden hatten wir an uns, als wir nach zweistündigem Aufenthalte in der Erde wiederum frische Himmelsluft athmeten und das goldne Tageslicht erblickten.

Wir hatten gesehen, wo das Silber wächst und gebrochen wird. Aber welch endlose Arbeit, welche Mühseligkeit, welcher Aufwand von Kunst gehört dazu, ehe das Metall glänzend aus seiner unscheinbaren Hülle heraustritt! Uebergehen wir diese Vorbereitungsarbeiten und treten an den großen kreisrunden Ofen mit wenigstens einem halben Dutzend fest verschlossener Eisenthüren und eben so vielen glühenden Schlünden. Ein rusiger Mann mit einem langen Eisen zieht eine dieser Thüren auf und wir blicken hinein auf einen kleinen See geschmolzenen Silbers, das dampft und raucht und Blasen wirft. Die Eisenstange wird hineingestoßen und scharrt die Kruste obenher ab – das Bleioxyd das sich an der Oberfläche gebildet hat. Das Silber dampft und blitzt und ein weißer Dunst schwebt darüber. Da wirft der rusige Mann die Eisenthüre wieder zu, nimmt uns am Arm und fordert uns auf, in eine dunkele Höhlung hineinzusehen und die weißen Tropfen zu beobachten, die nacheinander wie kleine Sterne von Oben herabfallen. Dies ist das Quecksilber, das von dem schmelzenden Silber in dem Ofen verdunstet und durch den Schornstein in eine Vorrichtung geht, in welcher es in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren muß, um immer wieder verwendet zu werden, das Silber aus seinen Verbindungen herauszulocken.

Die Gruben um Freiberg geben jährlich etwa 4 bis 500,000 Unzen Silber, und aus hundert Pfund Erz gewinnt man drei bis vier Unzen Silber. Aber bekanntlich giebt das Erzgebirge nicht blos Silber, sondern viele andere Metalle, selbst Edelsteine werden bisweilen gefunden und so lange der Bergbau in Sachsen auch schon betrieben worden ist (es ist bereits für mehr als eine Viertel Milliarde Thaler Silber aus dem Freiberger Revier gewonnen worden), so sind doch die Schätze noch lange nicht erschöpft, die im „Erzgebirge“ liegen und es steht ihm eine noch höhere Blüthe bevor.

Unberechenbare Verdienste um den rationelleren Betrieb des sächsischen Bergbaues hat sich der Oberberghauptmann Freiherr von Herder erworben, von dem z. B. der großartige Plan ausgeht, einen Stollen von Freiberg bis zur Elbe zu treiben, um die sämmtlichen Freiberger Gruben von dem Wasser zu befreien. Dieser Bau, der sehr bedeutende Kosten erfodert, ist in Ausführung begriffen, Herder selbst aber sollte dieselbe nicht erleben. Er starb 1838 und wurde nach seinem Wunsche inmitten des Feldes seiner Thätigkeit begraben, auf der Halde des alten Berggebäudes „Drei König Fundgrube“ (zwischen Freiberg und Tuttendorf), wo ihm der dankbare Bergmannsstand das Denkmal errichtete, das unser Bild zeigt.




Lebens- und Verkehrsbilder aus London.

In Briefen von einem in London lebenden Deutschen.
I.
Einleitende Ansicht von London.
Der Deutsche in England. – London, das Herz der Welt. – Rauch und Nebel. – London, der gesundeste Ort auf der Erde. – Geschichte eines Liebespaars. – Auf dem Omnibus. – Zweierlei Klingelzüge. – Straßen und Häuser. – Fahren und Ausweichen. – Eisenbahnfahrt über London hin. – Weinkeller und Docks. – London hört nirgends auf.

Wir Engländer haben keine Gartenlauben. Gartenlaube! Ich las das Wort blos, nachdem ich in London mehrere Jahre gartenlos und laubenlos zugebracht, und doch rührte und erfrischte mich der bloße Anblick des nüchternen Wortes so innig, daß ich sofort beschloß, um Einlaß zu bitten. Ich habe ihn erhalten, danke zuerst dem Herrn der Laube herzlich dafür und bitte ihn und die geehrten Gäste um’s Wort.

Wir Engländer, sagte ich, haben keine Gartenlauben, und daß ich „wir Engländer“ sage, hat auch seine guten Gründe. Wir sind hier unserer Hunderttausend wenigstens in London, alles geborne Deutsche, aber die Meisten davon waren kaum so lange hier, um sich ein Bischen Englisch anzulernen und englisches Geld zu verdienen, als sie sich Backenbart, Hut, Rock und Gesinnung auf Englisch zurichten ließen und Engländer wurden. Der Deutsche ist nun einmal so: in Frankreich wird er ein Franzose, hier ein Engländer, in Rußland ein Russe, und ich zweifle nicht, daß er unter Hottentotten auch ein Hottentotte wird. Wir wollen uns das aber nicht so übel nehmen, wie wir es practischer Weise thun müßten.

Der Deutsche mit seinem tiefen Gemüth, mit seinem Geschick und Fleiße, mit seinen Gartenlauben, hat eben die Aufgabe und vielleicht auch den natürlichen Instinct, seine Vorzüge vor andern Völkern in alle Welt zu verbreiten und so am Ende Bildung und Gemüthlichkeit zum Freundschaftsbande aller Nationen zu machen. Davon wohl später. Aber der Mangel an Gemüthlichkeit und Gartenlauben in England erinnerte mich unwillkürlich an diese menschheitliche Bestimmung und bereits tüchtig angefangene Arbeit der Deutschen. Es ist Schade, daß es nicht hierher gehört und es zu gelehrt klingen würde, wenn ich beweisen wollte, daß der Deutsche seit etwa zwei Jahrtausenden schon immer die Welt erobert und regiert hat, nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_103.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2020)