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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 16. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.


Drei Heimgegangene.

Frühlingsbild
von
Ferdinand Stolle.
(Schluß.)

„Frische Gläser – zweite Studie“ – commandirte Lortzing, indem er eine Markobrunner-Cabinet entkorkte und die goldenen Perlen des herrlichen Jahrgangs in die blitzenden Römer herabfallen lies.

„Ach,“ rief Berthold, sich an dem kostbaren Arom erquickend, „diese Blume ist allerdings gemacht, uns Herrn Charles et Comp. vergessen zu machen. Ich möchte übrigens wissen, wozu der Herrgott solche Menschengesichter in die Welt gesetzt hat. Die Natur gefällt sich doch in großen Räthseln.“

„Nichts von ihnen,“ sprach Lortzing, „entweihe unsere Sitzung nicht. Wen begrüßen wir mit diesem Markobrunner?“

„Es lasse ein jeder einen Tondichter der Gegenwart, den er in’s Herz geschlossen, leben,“ rieth Herloßsohn.

„Bravo, Doctor,“ lobte Lortzing, „so bring’ ich denn diese duftende Blume des Rheingaus dir, du milder, klarer harmonienreicher Genius, dessen ganzes Leben ein „Sommernachttraum“ und „eine glückliche Fahrt auf stiller blauer Meeresfluth“ – dir mein Felix Mendelssohn!“

„Und ich lasse, da Du, Albert, schon drangewesen, meinen alten Heinrich Marschner leben!“ sprach Berthold.

„Ich kann mich so hoch nicht versteigen,“ meinte der Doctor, „ich steige aber um so tiefer in mein Herz, ich bringe diesen Weingruß meinem alten braven Polenz.“

„Bravo, da stoßen auch wir an,“ riefen die beiden Andern; und die Römer klangen aneinander.

„Es ist doch was Schönes um ein gutes Glas Wein,“ meinte Berthold, „und ich wüßte nicht, wenn mir ein solches so gut geschmeckt hätte wie heute. Siehe, Lortzing,“ fuhr er gemüthlich fort, „lebten wir nun in Frankreich, wäre Dein Glück gemacht. Dein Czaar und Zimmermann wäre für Dich ein kleines rentables Kapital. Du säßest im Trocknen und könntest sorgenfrei, ledig von der Last erdrückender und unerquicklicher Geschäfte, in irgend einem freundlichen Erdenwinkel Opern machen, daß dem Volke das Herz im Leibe lachen sollte.“

Der Componist spülte mit dem Markobrunner einen leisen Seufzer hinunter. Berthold fuhr fort: „Ich will Euch nur gestehen, daß mir es nachgerade auch oft recht sauer ankommt, wenn ich von den Bretern herab dem Volke

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_167.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2020)