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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)


und einer Säule. Er antwortete richtig durch Klopfen, daß er vierzehn Thaler gekostet habe.

Eine alte Mahagonicommode von mehr als 60 Pfund mit 4 eisernen Rollen konnte ebenfalls bald in eine so schnelle wirbelnde Bewegung gebracht werden, daß es schwer hielt, ihr zu folgen. Sie ging ebenso aus einem Zimmer in das Andere u. s. w. –

Bei der Wiederholung der gestern angestellten Versuchsreihe waren zugegen die Herren Prof. Dr. Hoffmann von Fallersleben, Dr. Schade und Marcus sen., Buchhändler, beide letzteren in Bonn wohnhaft, zugleich die meisten der Damen und Kinder vom gestrigen Tage. Man versammelte sich gegen 6 Uhr in demselben Zimmer und experimentirte mit denselben Meubles. Die Außenverhältnisse waren dieselben, Wärme c. 17° R. Das Wetter war wenig freundlicher.

Herr Prof. Hoffmann fragte zuerst mit schon nicht mehr zweifelndem Tone, wie viel Uhr es sei? Der Tisch schlug deutlich sechs Mal an und drehte sich nach dem sechsten Klopfen um sich selbst, als ob er anzeigen wolle, daß er nun die ganze Zahl angegeben habe. Dieses Zeichen nach vollendeter Antwort wurde auch gestern bemerkt, und ich habe nur versäumt, es schon mitzutheilen.

Die Frau Neusser befahl nun dem Tische, dem Herrn Nachbar Marcus eine Verbeugung zu machen, was sofort geschah. Ich gebot, Fräulein Antonie Neusser, 12 Jahre alt (was der Tisch sehr wohl weiß und sehr oft angezeigt hat), dieselbe Ehrerbietung zu bezeugen. Es geschah. Frau Neusser sagte, als Herr Marcus und Herr Hoffmann mit einigen Damen die Kette bildeten: „es ist ein Dichter am Tische, den grüße!“ Der Tisch säumte nicht. Darauf bezeichnete er Herrn Hoffmann als den ältesten, Fräulein Antonie als die jüngste der Umstehenden.

Am 12. April, an dem die ersten Versuche gemacht waren, hatte der Tisch Fräulein Sophie Soborn auf die Frage: wie viel Tage es noch regnen würde, geantwortet: drei Tage; am 13. April in meiner Gegenwart antwortete er: zwei Tage; heute am 14. April klopfte er einmal. Es darf also am 16. April nicht regnen oder es ergeht dem Tische nicht besser, wie Herrn Professor Stiefel und andern Wetterpropheten. Auf das einmalige Klopfen drehte er sich wie mit einer triumphirenden Schnelligkeit viele Male um sich selbst.

Eine Dame spielt in der Lotterie. Der Tisch wurde gefragt: „wie viel gewinnt mein Loos?“ 20maliges Klopfen. „Und wie viel bekomme ich davon?“ Fünfmaliges Klopfen. Die Dame spielt nur ein Viertel.

Es wurde mir ein Batisttaschentuch gereicht, in dem die Buchstaben A. S. und 6 eingestickt waren. Während mein Auge noch auf der 6 weilt, frage ich: „Der wievielste Buchstabe im Alphabet ist der erste hier eingestickte?“ Antwort: 6. Ich tadele nun den Tisch mit ernster Stimme, Professor Hoffmann lacht, alle merken auf, als ich meine Frage wiederhole, und deutlich erfolgt einmaliges Klopfen mit lebhaft nachfolgender Drehung.

Herr Dr. Schade läßt den Tisch wieder rechnen und fragt: „wieviel ist die Hälfte von 14?“ und der Tisch klopft 7 Mal.

Prof. Hoffmann fragt aus der Metrik, wieviel Füße ein Hexameter habe, und der Tisch klopft, aber nicht ohne Schwierigkeit, als ob er stottere, 6. Ich ging in das Gebiet der Historie über und fragte: wieviel Könige bis zum Tarquinius Superbus Rom beherrscht hätten, und er klopfte 7 Mal.

Seine eine Säule und drei Füße gab er Herrn Prof. Hoffmann richtig an.

Fräulein Schramm, die während dieser Fragen in das Zimmer trat, behandelte der Tisch sehr galant und gab ihr nur 30 Jahre, worauf sie lachend ausrief, sie sei indeß bereits 40. – Die Herren Hoffmann und Schade, die am Tische standen, sagten mir sofort, daß sie für sich die Dame nur auf 30 geschätzt hätten. Der Tisch hatte nach 30maligem Klopfen sich nicht gedreht.

Herr Marcus fragte, wieviel Kinder er habe, und erhielt die richtige Antwort 5.

Herr Dr. Schade, dessen Familie keiner der Anwesenden kennt, fragte: „wie viel Geschwister habe ich?“ Antwort: 3. „Falsch, wie viel lebende Geschwister?“ Es erfolgte einmaliges Klopfen. Herr Schade sagte uns, die Angabe sei richtig, er habe drei Geschwister gehabt, aber zwei seien todt.

Herr Marcus fragt: „wie viel Söhne habe ich?“ Richtige Antwort: 4. Und wie viel Töchter?“ Ebenso richtig wurde einmal geklopft, worauf der Tisch sich drehte.

Zur Veränderung richtete man nun die Fragen an die Commode, die Herrn Marcus nach einem mißglückten Versuche das vorgeschriebene Compliment machte.

Herr Dr. Schade fragte: „wie viel Personen im Zimmer seien?“ worauf die Commode mit Elephantenunbehülflichkeit 10mal klopfte. Es war falsch. Elf Personen waren zugegen. Die Frage wurde mit lauter Stimme und ernsthaft wiederholt, worauf das alte Hausmeuble mit einer Lebhaftigkeit und Hast, als ob es von Scham erfüllt sei und einen Fehler gut zu machen habe, elf Mal sich sehr tief verneigte. Die Leser dürfen überzeugt sein, daß besonders Herr Dr. Schade mit Argusaugen alle Nahestehenden und besonders die kaum die Platte der Commode berührenden Finger beobachtete, um sich zu überzeugen, daß auch zu diesen schwerfälligen und mit großem Geräusche vor sich gehenden Bewegungen keine Veranlassung vorhanden war, als das Ueberströmen höchstens aus den Fingerspitzen.

Wir ließen nun die Commode und den Tisch gleichzeitig operiren, sich einander nähern und gegeneinander verbeugen, was ohne Anstand geschah.

Jemand fragte den Tisch, an dem neben der kleinen liebenswürdigen Antonie noch auch die Herren Hoffmann und Schade standen: „welche Person ist die gescheidteste?“ und der Tisch verneigte sich gegen – Fräulein Antonie. Und er hatte von seinem Gesichtspunkte aus wohl Recht, denn von Niemanden wurde auf sein Thun und Lassen ein so auffallender Einfluß ausgeübt, als von dieser kleinen Dame. Wenn wir Herren bis 10 Minuten vergebens am Tische harrend gestanden hatten, bedurfte es nur eines leisen Handauflegens derselben, um sogleich die lebhaftesten Bewegungen in Gang zu bringen. Es scheint auch nach andern Erfahrungen günstig für das Gelingen zu sein, immer auch Kinder an dem Kettebilden Theil nehmen zu lassen.

„Wer ist der Heftigste?“ Neigung gegen den 14jährigen Hermann Neusser. „Wer der Wahrhaftigste?“ Neigung gegen Antonie. „Wie viel Thaler hast du gekostet?“ 2maliges Klopfen. „Wie viel Thaler bist du werth?“ Einmaliges. –


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_188.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)