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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

überhaupt ausgedehnt ward, hatte Jeder der drei Monopolisirten einen Durchschnitts-Nettogewinn von etwa 4,600 Thaler jährlich. – Erst im Jahre 1838 ward das Geldsendungsmonopol (Money-Order-Office) mit der Post selbst vereinigt und die Gebühren dafür auf die Hälfte herabgesetzt. Aber ein Haupt-Beamter konnte mit zwei Gehilfen noch alle Aufträge des Publikums besorgen und zwar mit einem Verluste der Regierung. Die Acht-Pence- und Schilling-Portos konnten diesen Geschäftszweig nicht beleben. Erst das Penny-Porto ward der Vater des gigantischen Money-Order-Systems [1], das jetzt durch ganz England in einer Thätigkeit blüht, die unglaublich sein würde, wenn sie nicht durch die genaueste, täglich fixirte Statistik bis in’s Kleinste bestätigt würde. Das Penny-Porto mit dem Money-Order-System hat, wie Dickens in seiner Zeitschrift sagt: die Tugenden der Klugheit, Sparsamkeit, der Bruderliebe und Selbstverleugnung unter Millionen gekräftigt, die unsäglichen kleinen Qualen, die aus momentanen Geldverlegenheiten entstehen, geheilt, und den Kleinhandel mit goldenen Schwingen versehen. Diese und andere großartigen Segnungen werden durch folgende Thatsachen erst gehörig gewürdigt werden können.

In dem Jahre, welches der Einführung des Penny-Portos vorausging, war die Gebühr für Geldbriefe (Aufträge zum Zahlen bei Einzahlung in einem Bureau) 3 und 6 Pence bis zu Beträgen von 5 Pfund. Es wurden im ganzen Königreiche nur 180,000 Aufträge für 2,191,000 Thaler während dieses ganzen Jahres gegeben. Und im 10ten Jahre des Penny-Portos, 1850? – Vier Millionen, vierhundert und vierzig Tausend Aufträge auf neunundfunfzig Millionen, vierhundert fünf und sechszig Tausend Thaler! Blos 1 Million weniger als die ganzen Einkommen- und Grundsteuern im ganzen Königreiche. Im ersten Monate des Penny-Portos (1840) etwa 10,000 Aufträge für 112,000 Thaler; im Monat December 1851 gegen 370,000 Aufträge für mehr als 4,800,000 Thaler. Eine Zunahme um das Vierzigfache! In diesem einen Monate zweimal so viel, als im ganzen Jahre 1840. Was heißt das, aus trockenen Zahlen übersetzt in’s warme Leben? Von allem Besitzthum ist Geld am Schwersten zu halten, desto schwerer, je weniger es gilt, vor’m Ausgeben zu retten! Wenn früher ein Jüngling aus der Provinz, ein Unterkommen suchender Schotte seine sichere Heimath verließ, um sein Glück in der Ferne zu suchen und wenn er es gefunden, wie oft unterlag er den Versuchungen, die Ersparnisse für Vergnügungen zu vergeuden, da es zu kostspielig war, sie für spätere Zwecke oder den bedürftigen Angehörigen zu Hause zu übersenden! Jetzt haben diese Versuchungen ihre Macht für Jeden, welcher will, verloren: er kann seine Ersparnisse schnell, sicher und wohlfeil durch Post-Aufträge hinsenden, wohin er will, zur guten, alten Mutter, zur leidenden Schwester oder in Sparbanken für seine eigene Zukunft, seine Heirath, seine Etablirung.

Welche Summen gingen schon von braven Irländern aus England hinüber auf die grüne Insel des Elends! Jede Heuernte machen Irländer eine Invasion nach England. Im Februar 1851 wurden 13,000 Aufträge in England für Irland gegeben für 133,000 Thaler, im Heumonat desselben Jahres dagegen 33,000 Aufträge für mehr als 230,000 Thaler.

Ohne das Money-Order-System und unter dem alten Monopol wäre wahrscheinlich das Meiste von diesen 230,000 ersparten Thalern vertrunken oder wenigstens in Hecken und Höhlen und alte Strümpfe versteckt oder in krempenlose Hüte eingenäht, zu spät gekommen. Während des Hungerjahres (1847) übertrafen die Aufträge für Irland die Durchschnittssumme um 143,000 Aufträge für mehr als 1 Million Thaler, ein Beweis, wie der Arme gern dem Armen hilft, wenn ihm nur Mittel und Wege dazu gebahnt werden. Die „Money-Order-Office“-Statistik Schottlands malt den Charakter der Bewohner mit schönern Farben, als alle Kunst, als berechnend, sparsam und kaufmännisch-ökonomisch auch in den kleinsten Geldsachen, gemäß dem englischen Sprüchworte: „Hüte die Pence, die Pfunde sorgen schon selbst für ihre Sicherheit.“ – Mit einer um zwei Drittel geringern Bevölkerung, als Irland, bekam es doch von seinen Söhnen und Töchtern aus England über 1,700,000 Thaler durch das Money-Order-System; Irland während derselben Zeit für zwei Drittel und von mindestens zwei Drittel mehr nur etwa 2 Millionen Thaler. Schottland bekam sein Geld durch 140,000, Irland durch mehr als 200,000 Aufträge, was zugleich auf den verschiedenen Werth und Lohn für schottische und irische Arbeiter schließen läßt.

Das „Money-Order-System“ hat ein unberechenbar gesteigertes Leben in den Kleinhandel gebracht und die Tabuletkrämerei und das lästige Hausiren beinahe ganz beseitigt, so wie es Alle, die früher nicht ohne eine Masse von Aufträgen und Commissionen befreundeter oder verwandter Familien, vom Lande „in die Stadt“ gehen durften, von großen Belästigungen und Verantwortlichkeiten befreit haben muß. Jede Familie, jeder kleine Handwerker, jeder Ladenbesitzer bekömmt jeden Artikel in jeder Quantität in jede Gegend des Königreichs in höchstens 24-48 Stunden geschickt gegen eine Money-Order, die in nicht weniger als elfhundert durch das ganze Land vertheilten Bureaux aufgegeben werden können. Händler und Städte en gros haben zum Theil selbst ihre besondern Fahr- und Eilposten, welche die in Penny-Briefen ertheilten Aufträge ausführen und Zahlung dafür durch Anweisungen auf die Post erhalten.

Durch Penny-Porto, 1100 Money-Order-Offices und „parcel-delivery-companies“ (Gesellschaften, die Packete befördern) öffentliche für alles Publikum und private, d. h. einzelner Großhandlungen, haben in England Zeit und Raum ihre Kraft verloren. Man kann in jedem Orte


  1. Das Money-Ordre-System besteht darin, daß man, anstatt das Geld verpackt der Post zur Versendung zu übergeben, dasselbe in das Postbureau des Ortes baar einzahlt, welches dafür 2 Scheine ausstellt, von denen der eine im Besitz des Absenders bleibt. Der zweite geht mit der Adresse des Empfängers nach dem Orte seiner Bestimmung, wo er vom dortigen Postbureau sofort gegen Quittung ausgezahlt wird. Es werden dadurch Baarsendungen oder Wechselgeschäfte gänzlich vermieden. Auch in Deutschland ist seit einiger Zeit die Sache eingeführt, wird aber wenig benutzt, wie im Anfange in England, eben weil sie bei uns noch zu kostspielig ist.  Die Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)