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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

gerathen waren, hatte er der Stadt Lüneburg befohlen, die auf der Sülze[1] daselbst haftenden Einkünfte der Mecklenburger Prälaten mit Beschlag zu belegen, und als die Stadt dies zu thun sich geweigert, war derselben vom Commandanten der Burg auf dem dicht vor Lüneburg gelegenen Kalkberge, welche die Stadt beherrschte, eine Strafe von 2000 Mark Silber auferlegt worden.

Kaiser Karl IV., genöthigt durch die Klagen, welche von Fürsten, Bischöfen und Städten fortwährend über den händelsüchtigen Herzog einliefen, erklärte denselben in die Acht, belehnte den Herzog Albert von Sachsen nebst dessen Oheim den Churfürsten Wenzeslaus[2] mit dem lüneburgischen Lande, und übertrug dem Herzog von Mecklenburg die Vollstreckung der Achtserklärung. Sobald Herzog Magnus diese Nachricht erhielt, rückte er mit seinen Kriegsvölkern und verbündetem Adel den Mecklenburgern entgegen, und zwang diese bei Winsen an der Lühe zur Schlacht. Diese aber lief so unglücklich für Herzog Magnus ab, daß er selbst nur mit Mühe sich durch die Flucht rettete, 1500 Todte auf dem Kampfplatz ließ und über 600 seiner adeligen Reiter sich dem Feinde als Gefangene ergeben mußten, für deren Auslösung der Herzog von Mecklenburg 6000 Mark Silber verlangte.

Diese Summe nebst den noch schuldenden 2000 Mark sollte die Stadt Lüneburg binnen acht Tagen auf Befehl des Herzogs nach Celle senden, im Weigerungsfalle aber sollte der Befehlshaber auf dem Kalkberge die Stadt als eine feindliche behandeln, bis der Herzog selbst zu deren Züchtigung heranziehen würde. – Dies zur Einleitung der nachfolgenden Erzählung.


Es war Freitag vor Lichtmesse des Jahres 1371, als vor dem auf dem großen Marktplatze der alten Stadt Lüneburg gelegenen Rathhause sich eine ungewöhnlich zahlreiche Volksmenge versammelt hatte, die trotz der späten Abendstunde und des wilden Schneegestöbers, welches ein heftiger Nordwind durch die Straßen der Stadt jagte, mit neugieriger Unruhe nach den Fenstern des Rathhauses blickte, in welchem der Magistrat Lüneburgs zu ernster Berathung versammelt war, da es sich um nichts Geringeres handelte, als um die Abfassung des Absagebriefs der Stadt an den Herzog Magnus Torquatus von Braunschweig. Denn wenige Tage vorher hatte der Befehlshaber der Festung auf dem Kalkberge die Vornehmsten des Raths und die Führer des von der Stadt besoldeten Kriegsvolkes zu sich entboten und ihnen angekündigt, daß binnen acht Tagen die Löse- und Strafgelder der Stadt erlegt werden müßten, indem er sonst den Befehl seines Gebieters nachzukommen genöthigt sein würde, und so wohl er es auch mit der Stadt meine, sie dann doch nicht länger schonen könne. – Endlich schien die Berathung beendigt; ernsten Schrittes wendete sich der Bürgermeister Lüneburgs Ulrich von Weißenburg über den Marktplatz schreitend seiner Wohnung zu, einen Rathsdiener hinter sich, welcher eine Pergamentrolle trug, die den verhängnißvollen Absagebrief enthielt.

Ehrerbietig grüßend machte ihm die Volksmenge Platz, während die dem Bürgermeister nachfolgenden Senatoren sich unter die Gruppen der Bürger mischten, und nicht lange darauf, als gälte es einer allgemeinen Berathung, sah man die Bürger und Rathsherren sich wieder dem Rathhause zuwenden, und in dem großen Sitzungssaale desselben sich versammeln.

Im Hause des Bürgermeisters von Weißenburg aber hielt währenddem dessen blühende achtzehnjährige Tochter einen stattlichen jungen Kriegsmann umhalset, welcher wie zur Abreise gerüstet, des Bürgermeisters Rückkehr vom Rathhause zu erwarten schien.

„Hab’ keine Angst, Elsbeth!“ tröstete der junge Kriegsmann das bangende Mädchen, indem er einen Kuß auf deren jungfräuliche Stirn drückte. „Ich reise unter Gottes Schutz und gerechter Sache. Mag auch der Magnus ein gar wilder und böser Herr sein, so soll er mir doch nichts anhaben können, da es diesmal gilt der Gewalt die List entgegen zu setzen. Und – fuhr er mit vor Freude strahlenden Blicken fort – knüpft sich doch an die Vollziehung des mir gewordenen Auftrags Deines Vaters Einwilligung zu unserer Herzen Bündniß, wie sollte ich da nicht Alles wagen, um Dich sobald als möglich für immer mein nennen zu dürfen?!“

„Wenn Dich aber der wilde Herzog fest halten und in den Kerker werfen läßt?“ – klagte Elsbeth mit thränenfeuchten Blicken zu dem Geliebten aufschauend.

„So nahe werde ich mir den Wütherich nicht kommen lassen,“ entgegnete beruhigend dieser, und zog das liebende Mädchen fester an seine Brust, indeß, von Beiden unbemerkt, die ernste stolze Gestalt des Bürgermeisters Ulrich von Weißenburg am Eingange des Gemachs sichtbar ward, der mit wehmüthig lächelnden Blicken auf das in inniger Umarmung verschlungene Liebespaar schaute.

„Elsbeth!“ rief jetzt des Vaters ernste Stimme, und erschrocken eilte die Jungfrau aus des jungen Kriegsmanns Umarmung, während dieser sich ehrerbietig vor dem Bürgermeister verneigte, und dann, die Blicke nicht ohne einige Verlegenheit senkend, sich an dem Wehrgehenk seines Schwertes zu schaffen machte.

„Ich will es Euch nicht verargen – begann Weißenburg jetzt mit mildem Ausdruck in Blick und Stimme – daß Ihr Abschied nehmt von einander als gelte es einer langen Trennung, denn wohl könnte es kommen, daß Dein Sponse auf längere Zeit Quartier erhalten dürfte in der Hofburg des Herzogs zu Celle, wenn er nicht all’ seinen Muth und seine Klugheit zusammen nimmt, denn es ist kein leichter Gang, welchen Dir, Arnold Becker, die Stadt Lüneburg als ihren Kriegshauptmann überträgt, und den wir nur eben einem Manne von Entschlossenheit, wie Du als solcher Dich bewährt, übertragen konnten.“

„O meine Ahnungen!“ jammerte Elsbeth, und lehnte von liebender Besorgniß überwältigt, ihr Haupt an des Geliebten Brust, während sie zu gleicher Zeit des näher getretenen Vaters Hand erfaßte.

„Macht mir meine Elsbeth nicht bange, Herr Bürgermeister,“


  1. Die Sülze, ein schon im vierzehnten Jahrhundert ergiebiges Salzbergwerk dicht bei Lüneburg, welches nebst seinen Gebäuden mit einer besondern Ringmauer umschlossen war.
  2. Herzog Albert von Sachsen und Kurfürst Wenzeslaus waren Fürsten aus dem Askanischen Hause, welches in die Sachsen-Lauenburgische und Sachsen-Wittenbergische Linie getheilt war. Nach der von Kaiser Karl IV. ertheilten güldenen Bulle verblieb die Churwürde und das Erzamt bei der Sachsen-Wittenbergischen Linie, während die Sachsen-Lauenburgische nur den Herzogstitel führte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)