Seite:Die Gartenlaube (1853) 250.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

freien Boden wuchernd emporschießen und des Sonderbaren schon so Manches hervorgebracht haben.


Soldaten-Bibliotheken in England. Solche, vor etwa zwölf Jahren, auf den freiwilligen Beitritt der Soldaten hin, in den Kasernen gegründeten Bibliotheken giebt es gegenwärtig ungefähr 150 mit 117,000 Bänden und 16,000 zahlenden Mitgliedern. Der Jahresbeitrag eines Soldaten beträgt einen Schilling. Da diese Bibliotheken nur wirklich werthvolle und nützliche Bücher enthalten, so haben sich in neuerer Zeit selbst die Officiere an denselben betheiligt, und zahlen dafür einen etwas größern Beitrag, ohne deshalb als Leser größere Rechte wie die übrige Mannschaft zu haben. Auch die seit sieben Jahren bestehenden Kasernen-Schulen werden von den Soldaten zahlreich besucht, obwohl die höhern Officiere dem Besuche jener Schulen mancherlei Hindernisse in den Weg legen. Von beiden Einrichtungen, den Bibliotheken und Schulen, läßt sich ein wohlthätiger Einfluß auf das Verhalten der Soldaten nicht verkennen, und sind in den letzten Zeiten weit weniger Strafen vorgekommen als früher.


Eine wahre Geschichte. In einem Theile des Antillenmeeres liegt eine Gruppe kleiner Inseln, die wegen ihres üppigen und reizenden Ansehens vielfach von Vorübersegelnden besucht werden. Auf einer der schönsten trug sich vor einigen Jahren eine Geschichte zu, die selbst die rohen Matrosen nicht ohne Rührung erzählen: Ein deutscher Student (aus W.) verliebte sich einst vor circa 12 Jahren in ein deutsches Mädchen, da aber wahre Liebe nie einen sanften Lauf hat, so waren Vater und Mutter und Verwandte beider Theile gegen die Verbindung von zwei schlichten Seelen, die einander auf’s Innigste liebten. Die Liebendem beschlossen daher, alle Bande der Natur oder der Freundschaft, die sie an das alte Vaterland fesselten, zu zerreißen und in einem wilden entlegenen Theile der Erde eine neue gemeinsame Heimath zu suchen. Sie hatten von diesem Archipelagus unbewohnter Feeninseln gehört und segelten daher, nachdem sie all’ ihre Habe in Geld verwandelt hatten, nach der Boca S. Juan, von wo er in einer Piragua mit seiner Gattin und einem ansehnlichen Gepäck nach den Inseln fuhr. Da der Deutsche die Piragua für einige Monate gemiethet hatte, so waren die Bootsleute ihm behilflich, auf der Insel, die er auserwählt und in Besitz genommen, die ersten nöthigen Hütten zu bauen. Hierauf gab der Ansiedler dem Steuermanne des Fahrzeugs den Auftrag, ihm einen Majordomo und Arbeitsleute zu senden, und das junge Paar blieb sich selber überlassen.

Die Dienstleute langten an und der Aufseher oder Majordomo war ein starker kräftiger Mestize, der ein sehr gutes Zeugniß mitbrachte, welches er aber, wie sich in der Folge herausstellte, keineswegs verdiente.

Der Deutsche machte seine Insel urbar, pflanzte Zuckerrohr und schickte bald so viel Rohzucker und Federvieh entweder nach der Mündung des S. Juan oder nach Granada, daß er nicht nur alle Kosten decken, sondern auch noch etwas erübrigen konnte. Er machte sogar auch noch eine kleine Nachbarinsel urbar und baute ein einrudriges Boot zur Verbindung zwischen den zwei Eilanden. Er war eben damit beschäftigt, die zweite kleine Insel mit Zuckerrohr zu bepflanzen und beaufsichtigte seine damit beschäftigten Leute, als sich auf der größern ein furchtbares Ereigniß zutrug, das alle seine Pläne zerstörte.

Der Majordomo war von der Schönheit der deutschen Inselbewohnerin bezaubert worden und hatte ihr dies mehrere Wochen vor dem traurigen Vorfall mit deutlichen Worten gestanden. Sie selber hatte thöriger Weise ihrem Gatten nichts davon gesagt, weil sie befürchtete, er möchte sich mit einem Manne, der ihm bedeutend überlegen war, in einen Streit einlassen; am Abend vor dem verhängnißvollen Tage erklärte sie jedoch ihrem Gatten, daß sie nicht länger an einem Orte leben könnte, wo ihr fortwährend beleidigende Zumuthungen gemacht würden. Er versprach, den nächsten Tag alles zu ordnen und den Majordomo nach dem Festlande zu schicken.

Am nächsten Morgen fuhr der Deutsche mit seinen Arbeitern nach der kleinen Insel und ließ unklug genug auf der größeren außer seiner Gattin niemand zurück als den Majordomo. Nach einer zwei- oder dreistündigen Arbeit wurden die Arbeiter durch den Anblick einer auf der Hauptinsel aufsteigenden Rauchsäule erschreckt. Sie eilten nach dem Boote und ruderten schnell hinüber, aber wer beschreibt das Entsetzen des Gatten und der Indianer, als sie bei ihrer Ankunft an der Hazienda das Haus in Flammen fanden, während die junge unglückliche Deutsche mit durchschnittenem Halse und allen Merkmalen schamloser Mißhandlung in der Hausflur lag.

Der Majordomo hatte sich nach Verübung dieser scheußlichen Gewaltthat in sein eigenes Boot geflüchtet und war nach dem südlichen Ufer des Sees gefahren, wo er in dem dichten Walde eine sichere Zuflucht zu finden geglaubt hatte, er wurde jedoch drei Tage später erschossen, aber nicht in Folge irgend einer Bemühung des unglücklichen Deutschen, der von dem unerwarteten furchtbaren Schlage gänzlich betäubt und überwältigt war. Es vergingen Monate, ehe er wieder seine Geschäfte besorgen konnte und dann begab er sich nach Deutschland. Darauf kehrte er nach seinem Eiland zurück, um es nicht wieder zu verlassen

Das arme junge Weib! – Sie schläft in Frieden! Ihr Grab ist von einigen prächtigen Bäumen beschattet und mancher schöne Strauch ziert den kleinen Raum, wo sie, frei von allen Leiden, die vielleicht noch ihr Loos gewesen wären, im Schooß der Erde liegt.


Branntweinverbrauch in Neu-York. Der bekannte nordamerikanische Spekulant Barnum hat der Gesellschaft der Mäßigkeitsfreunde in Neu-York einen ganz eigenthümlichen Vorschlag gemacht. Er macht sich nämlich anheischig, die sämmtlichen Abgaben der Stadt Neu-York im Betrag von 4 Millionen Dollars zu bezahlen, jedem Kinde unentgeltlichen und guten Schulunterricht zukommen zu lassen, jede Familie mit einer Bibliothek im Werth von 100 Pf. Sterling zu versehen, desgleichen mit drei Fässern Mehl, ferner jedem erwachsenen Frauenzimmer ein seidenes Kleid, und jeder Mannsperson einen neuen Anzug zu liefern und endlich Allen und Jedem ein Freibillet zum Besuch des Museums zur Verfügung in stellen. Für das Alles verlangt Barnum von der Gesellschaft der Mäßigkeitsfreunde, daß sie ihm eine Summe verabfolgen läßt, welche die Jahreseinnahme der in Neu-York bestehenden 7000 Branntweinläden gleich ist, und schlägt dabei vor, daß der Branntweinverkauf während eines Jahres in Neu-York gänzlich verboten bleibt. Da die Tageseinnahme eines Branntweinladens durchschnittlich zu 10 Dollars angeschlagen wird, so hätten die Mäßigkeitsfreunde dem Spekulanten eine Summe von 25,550,000 Dollars zu zahlen, was sie wohl bleiben lassen werden. Barnum würde bei Annahme seines Vorschlags ein ganz hübsches Geschäft machen.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Schnellpressendruck von Giesecke & Devrient in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_250.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)