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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Aus der Menschenheimath.

Briefe
des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Elfter Brief.
Die Pflanzenzelle als Vorrathskammer.

Es wäre überflüssig, wollte ich Dich erst daran erinnern, daß uns das Pflanzenreich außer Speise und Trank auch hunderterlei andere Befriedigungsmittel für die täglichen Bedürfnisse unseres Lebens bietet. Du wirst es aber gewiß nicht für überflüssig halten, wenn ich Dir in meinem heutigen Briefe durch einige Beispiele nachweise, daß die außerordentlich kleine Pflanzenzelle zugleich das Laboratorium und die Vorrathskammer für Stoffe ist, die wir geradehin nicht mehr entbehren können.

Es besteht hierin zwischen Thieren und Pflanzen ein großer Unterschied. Was erstere uns an solchen Stoffen darbieten, das bereiten sie uns entweder außerhalb ihres Leibes, ich nenne als Beispiele Wachs und Seide, oder es findet sich in Organen ihres Körpers in größerer Menge abgesondert, wie das Bibergeil, der Moschus; oder es sind Theile ihres Leibes: Elfenbein, Wolle, Federn, Häute; oder endlich das ganze Thier wird von uns zu gewissen Zwecken verwendet, wie der Pflasterkäfer (gewöhnlich spanische Fliege genannt) zu Blasenpflastern oder die Cochenille-Blattlaus zur Bereitung der theuern rothen Farbe.

Bei der Pflanze ist es zwar zum Theil eben so; ich erinnere Dich nur an das Holz. Aber die meisten Spenden des Pflanzenreiches, welche wir in der Heilkunst, in der Färberei und anderen Gewerbszweigen verwenden, finden sich, in unendlich kleine Parthien vertheilt, in den einzelnen Zellen, welche dieselben auch, unabhängig von einander, bereiten. Nur der Umstand, daß dann oft die einzelnen neben einander liegenden Zellen ganzer Zellgewebsmassen dasselbe bereiten, macht es uns möglich, diese Stoffe in Menge aus ihnen zu gewinnen. Wir müssen uns dabei oft chemischer Scheidungs- und Verbindungsmittel bedienen, um ihrer habhaft zu werden.

So finden sich z. B. die köstlichen Wohlgerüche, die wir aus so vielen Blüthen und Blättern als sogenannte ätherische Oele ziehen, nicht massenweise in besonderen Behältern des Pflanzenkörpers, wie z. B. der Moschus in dem Beutel des Moschusthieres, sondern als zahllose einzelne Tröpfchen von unendlicher Kleinheit, welche in dem wässrigen Zellensafte der einzelnen Zellen schwimmen. Nur selten vereinigen sich mehrere um eine kleine Höhlung herumliegender Zellen, um gemeinschaftlich einen gewissen Stoff zu bereiten und in diese Höhlung auszuscheiden; wie dies z. B. bei den Harzbildungen im Holze und der Rinde unserer Nadelhölzer der Fall ist.

Aus diesen Mittheilungen geht nun von selbst der Unterschied zwischen Pflanze und Thier hervor, für den auch schon ein vergleichender Blick in den angeschnittenen Leib eines Thieres und einer Pflanze spricht, daß letztere nicht so bestimmt unterschiedene Organe bat, wie das Thier. Wir finden im Pflanzenkörper nichts, was dem Magen, der Leber, der Lunge, dem Herzen, den Adern, den Nieren, dem Gehirne etc. entspricht. Ueberall finden wir im Pflanzenkörper ziemlich übereinstimmend gesteckte und auf ähnliche Weise untereinander verbundene Zellen; höchstens daß dieselben hier klein und kugelig, dort lang und faserartig sind; jenes z. B. in der Kartoffel, dieses in dem Holze und der Baumwolle.

Das geht so weit, daß man sagen kann, jede einzelne Pflanzenzelle hat ihre kleine, besondere Lebensthätigkeit für sich, und bereitet demnach in ihrem Innern oft etwas ganz Anderes als ihre Nachbarzelle, die an Gestalt und Größe ihr sonst ganz gleich ist.

So siehst Du z. B. an einigen Zellen aus der fleischigen Rindenschicht eines Cactus (Pilocereus militaris), daß eine Zelle (Fig. 1) eine kleine Krystalldrüse in ihrem Innern gebildet hat, während ihre Nachbarinnen nur einzelne Körnchen des grünen Farbestoffs der Pflanzen enthalten, den man Blattgrün oder Chlorophyll nennt. Du erstaunst vielleicht, zu hören, daß sich in den Pflanzenzellen auch Krystalle finden. Dies ist sehr häufig der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_259.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)