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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

nicht malen, die schönen Muster und Formen nicht hinstellen und ausprägen. Das Alles muß gesehen werden. Was aber ein gewerblicher Schriftsteller vermag, das ist: unterrichten von den Quellen der Erzeugnisse, erzählen von den Bevölkerungen, die sich nähren gut oder böse von der Arbeit, die da prangt und prunkt in reichen Sälen und auf vollen Tischen. – Hinweisen kann er ferner auf Vorzüge und Mängel ganzer Gewerbsbetriebe. während er sich wohl zu hüten hat, den einzelnen Gewerbsmann oder Fabrikanten öffentlich zu tadeln, denn dieser ist kein Künstler auf den Bretern. Ihn tadeln die Käufer, oder vielmehr seine Waare, wenn sie es verdient, und sind nicht gewohnt ihn zu schmeicheln, wenn sie wirklich kaufen wollen. Denn bekanntlich lobt nur derjenige die Waare, der sie nicht zu kaufen Lust hat.

Nein! wohlwollender Leser, der Du schon so viele Rücksicht gegen einen etwas ernst beginnenden gewerblichen Aufsatz geübt und bis hierher gelesen hast, nicht will ich Deine Geduld mit Herrechnung von allerlei Waarennamen länger auf die Probe stellen, oder etwa gar bei einer holden Leserin den Wunsch nach dem Besitze herrlicher Zeuge und Geräthe durch begeisterte Schilderung anregen, ohne ihn befriedigen zu können. Freilich muß zugestanden werden, daß bei der Schilderung weniger Gefahr ist, als beim Anschauen der Sache selbst. Diese Gefahr wünschte aber der Aussteller herbeizuführen. Sein Wunsch ist zum Ankauf seiner Waare zu verführen. Er ist bereit, in jedem Augenblicke alle Wünsche zu befriedigen, natürlich gegen Entschädigung; ohne die aber auch der Kunstfleiß, und die Kunst, ja selbst die Wissenschaft nichts vollbringen können. Denn – wir wollen leben, wir wollen behaglich leben, wir wollen rühmlich leben. Eine Gewerbeausstellung ruft uns diese Lebenswünsche in tausend und aber tausend Ausdrucksweisen zu! – Es kommt nicht darauf an, ob die Ausstellung groß oder klein ist: überall sehen wir Waaren für den nothwendigsten Lebensbedarf, Gegenstände für den verfeinerten Lebensgenuß und endlich Geräthe, Werkzeuge, Waffen und Instrumente, dem Dienst der Kunst und Wissenschaft gewidmet, wodurch man Ansehen und Ruhm gewinnt. Die gewerbliche Schaustellung in Gotha war, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, nicht minder belehrend und anregend als die Weltausstellung in London und für den eifrigen Freund deutscher Industrie jedenfalls erfreulicher. Denn er fühlte sich hier nicht so beengt von der überschwenglichen Fülle englischer und französischer Waaren, die sich alle Mühe geben, um mit ihnen ihre Freunde in Deutschland, die vaterländische Industrie zu überwuchern.

In etwa 30 Räumen im zweiten und dritten Stockwerk und im Erdgeschoß des Schlosses waren die verschiedenen eingesandten Gewerbsgegenstände begünstigt von dem trefflich einfallenden Licht der Korridorfenster ausgestellt. Nach Ersteigung von 3 Treppen trat man zuerst in ein Zimmer, angefüllt mit den Erzeugnissen der Gerberei, Sattlerei und Riemerei; und in den Stuben neben an breiteten sich die Luxusleder, die Tischler- und Tapezierarbeiten aus, worunter sich die Altenburger Geschirre, das Geraische Schuhmacherleder, Halle’sche Sättel, Mühlhausener bunte Leder und Erfurter Möbel und Pergamente auszeichneten. Die Luxus-Korbwaaren wetteifern mit denen von Berlin und Leipzig. Ueberrascht ist man von der Wohlfeilheit der kleinen Korbwaarenartikel, wie sie von der Bevölkerung von Kleinschmalkalden und Umgegend gefertigt werden.

Die nun folgende Gallerie breitet die Rohstoffe, welche zur Weiterverarbeitung, zur Verzierung und zur Nahrung dienen vor uns aus. Thüringen besitzt schönen Braunstein, Kobalt und Spießglanzerz, außer trefflichen Eisenerzen und werthvollen sonstigen Mineralien, welche noch einer größeren Verwerthung fähig sind, wenn mehr Kapitalien, Maschinen und Kohlen dem Gewerbfleiße zugeführt werden, als es bis jetzt noch der Fall ist. Schwerspath und Flußspath sind belangreiche Erzeugnisse der Gruben. Wo das Innere der Erde reich ist, fehlt es nicht an Chemikalien, an Farben, Cementen, Salzen und Säuren etc. Von allem Diesem sah man hübsche Muster. Ferner von den altberühmten Thüringen Handelssämereien, von dem sich frisch kräftig entwickelnden Flachsbau nach belgischem Verfahren, von Kartoffelfabrikaten aus Langensalza, Stärkewaaren aus Halle, Graupen aus Erfurt, Leim aus Mühlhausen. Die bedeutende Wurstfabrikation zu Gotha und Waltershausen war wenigstens vertreten. Mit ihr der thüringische Wein, der mir nicht so gut schmeckt, als das Helle kräftige Thüringer Bier. Die unvermeidlichen Cigarren hatten ebenfalls in Havannakisten Platz genommen.

Durch die Erfrischungshalle, deren gute und billige Bewirthung rühmlich anzuerkennen ist, begab man sich in's zweite Geschoß hinunter und begegnete dort zunächst den wissenschaftlichen Instrumenten, in denen Erfurt, Jena, Halle den Vortritt nahmen. Hier sah man u. A. die trefflichen Karten und Werke, so wie die galvanoplastischen Platten der geographischen Anstalt in Gotha. Hier lassen die bedeutendsten Kupferstecher Deutschlands ihre Platten galvanoplastiren. Ein Reliefglobus von seltener Größe aus Schmalkalden erregte gerechte Bewunderung. Die ausgestellten Blech- und Holzblasinstrumente aus mehreren Orten ermuntern die Musikinstrumenten-Fabrikation des sächsischen Voigtlandes zum Fortschritt, wie die starke Fabrikation von Pianofortes in Gotha, Saalfeld, Erfurt, Zeitz, Weimar die Leipziger zur – Aufmerksamkeit auffordert. Sie hatten sich neben den Waffen hingestellt, jenem uralten Gewerbe von Suhl, in früheren Zeiten, die Rüstkammer von Deutschland. Zu wahren hat sich dasselbe jetzt gegen das In- und Ausland. Zella und Schmalkalden liefern aus Fabriken vorzügliche Waaren. In Sömmerda strecken sich die Zündnadelflinten entgegen. Zwei ähnliche Fabriken legt der preußische Staat im Norden und Osten an. Außerdem concurrirt Lüttich.

Eine schöne Fabrikation Thüringens ist die des glatten, gemalten und vergoldeten Porzellans. Sie hatte sich aus Gotha, Elgersburg, Ohrdruf, Plaue bei Arnstadt, Pösneck, in den nun folgenden Zimmern ausgebreitet. Mit ihrer Vertretung konnte man zufrieden sein. Bezeichnend – auch hier – ist die Zunahme von Terra-Cotta-Waaren, farbige Thonwaaren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_449.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)