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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

vergossen hätte, überflog mit den Augen nicht nur die Blumen, die auf dem Tische blüheten, auch die auf dem Kanapee musterte sie mit freudestrahlenden Kennerblicken, bis sich der redliche Buchhändler jetzt an sie mit den Worten wandte: „Werthgeschätzte Frau Professorin, Sie können unmöglich verlangen, daß ich Ihr Putzzimmer umsonst annehme. Sie müssen mir schon erlauben, ein Weniges zu Ihrem Putze beizutragen.“

„Rübezahl! Rübezahl!“ rief Musäus schelmisch lachend und schabte seiner Frau schadenfroh ein Rübchen. „Hab’ ich dies nicht diesen Morgen gesagt: er kann auch zu uns kommen. Siehe hier steht er leibhaftig!“

„Ach, was für ein Schelm sind Sie!“ rief die Frau entzückt. „Wie haben Sie mich angeführt! Ja, wahrlich, wie der neckische Geist Rübezahl in den Volksmärchen sind Sie in unser Haus gekommen und haben uns mit Schätzen überschüttet. Mein Mann hat eine Ahnung gehabt.“

„Die Dichter sind Seher!“ lachte Musäus, und erzählte die Geschichte dieses Morgens.

„Ich muß freilich um Verzeihung bitten, daß ich aus meiner Rolle als Verleger gefallen und in die des Dichters gepfuscht habe,“ sagte Ettinger und küßte der Frau Professorin artig die Hand.

„Wahrlich dieser Dichter und dieser Verleger gehören zusammen!“ rief Musäus und weinte die süßesten Freudenthränen wie ein vom Glück berauschtes Kind.

„Frau, schaffe Wein herbei! Ich muß mit diesem Schweizer eine Lanze brechen.“

„Nur die Becher, wenn ich bitten darf; drei Stück.“ sagte Ettinger; „der Wein ist schon da.“ Und er zog zwei Flaschen Rheingauer aus dem Carton hervor. „Rübezahl! Rübezahl! Wohlthätiger Geist! Du hast an Alles gedacht, um ein armes Dichterherz und das seines Alterego zu erfreuen. Sei gesegnet, treue Seele, für diese schöne Stunde!“ und der Wein perlte in den Gläsern und floß als Oel in die aufschlagende Flamme der glücklichen Geister. Die drei fröhlichen Menschen umarmten sich, tranken und küßten sich, und Musäus brach plötzlich in den alten lieben Gesang aus:

„Gaudeamus igitur,
Juvenes dum sumus.“

Als Ettinger nach ein paar fröhlich durchlebten Stunden, die er in dieses Haus gebracht, wieder aus demselben schied, hatte er das Manuscript des zweiten Bandes der Volksmärchen unter dem Arme.

Das war die schönste Himmelfahrt, welche jemals die Frau eines deutschen Dichters erlebt hat. Nie beschattete ein neuer Hut seliger strahlende Augen, und nie umhüllte ein modernes Envelöppchen ein glücklicheres Frauenherz, als Professor Musäus sein Weibchen innig küßte und mit ihr nach Tieffurth fuhr.

O, hätte der ehrliche Ettinger viele würdige Nachfolger gehabt, die edelsten Herzen hätten es dem Vaterlande durch die schönsten Thaten gedankt, durch große und bedeutende Schöpfungen!




Aus der Menschenheimath.

Briefe
Des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Sechszehnter Brief.
Ungeahnte Schönheit bei verachteten Thieren.


Es ist schon manchmal gegen Diejenigen, welche ihr ganzes Bestreben, ihre ganze Kraft der Naturforschung widmen und in ihr hundertfältigen Ersatz für andere Entbehrungen finden, die Frage aufgeworfen worden: „wenn ihr Naturforscher nun einmal fertig sein werdet mit Forschen; wenn nichts mehr unbekannt, nichts Unerforschtes mehr übrig sein wird – was dann?“

Eben so gut könnte man fragen: wenn das Weltmeer vertrocknet sein wird, was sollen dann die Schiffer machen?

Das Eine ist so undenkbar wie das Andere.

Eine andere Redensart, welche wenigstens die Urheberschaft eines berühmten Mannes für sich hat, hält den Naturforschern mit einem halben Hohn und einer halben Selbsttröstung und Rechtfertigung, daß man selbst nichts nach natürlichen Dingen frage, ein: „in’s Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist.“

Diese Redensart steht kaum höher, als jene Frage. Sie ist nicht mehr werth, als jenes Eifern der Menge über das machtlose Ankämpfen des Einzelnen gegen Dummheit und Schlechtigkeit! „Du änderst’s doch nicht.“

Wo fängt denn erstens das Innere der Natur an, und wo hört das Aeußere auf, damit die Naturforscher hübsch wissen, wo sie aufhören müssen zu forschen, um entweder den Zorn jener weisen Redensart nicht auf sich zu laden, oder wenigstens Zeit und Kräfte nicht an Undurchdringliches zu vergeuden? Und dann zweitens: wer hat denn bisher nur über einen Schein von einem Beweise zu verfügen, daß in das sogenannte Innere der Natur nicht einzudringen sei? Dieser Beweis würde erst dann geführt sein, wenn man in allen Zweigen der Naturforschung nach ihrer Art gleicherweise und überall bereits an einer Schranke angekommen wäre, über welche mit allen Mitteln der Wissenschaft durchaus kein Haar breit hinweg zu kommen wäre. Man ist nicht nur weit entfernt davon, an dieser Schranke zu stehen; im Gegentheile weichen

Schranken, die lange für solche gegolten haben, vor

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_505.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)