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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

fort: „Könnt Ihr jetzt in Gegenwart der Gerichte die 50 Gülden rückständiger Zinsen zahlen?“

Bei diesen Worten des Justitiars richteten Urban Fleck und Mattheus mit hämischem Lächeln ihre Blicke auf den Müller.

„Ich kann dies,“ entgegnete dieser ruhig, zog seinen Beutel aus der Brusttasche und zählte die Summe in Gold auf.

„Hölle und Teufel!“ knirschte der schwarze Mattheus. „Wie ist das möglich?“

„Ihr könnt zahlen?“ frug verblüfft der Kratzhammerwerksbesitzer und starrte, als traue er seinen Augen nicht, stier auf das aufgezählte Geld.

„Ihr seht ja, baar und richtig, wie ich es gelobt,“ entgegnete lächelnd der Bärenmüller.

„Dann hat das Gericht hier nichts zu schaffen,“ bemerkte jetzt der churfürstliche Amtsschösser Abraham Zapfe. „Dem Gläubiger ist sein Recht geschehen, und der Schuldner hat binnen acht Tagen die Kosten dieser Expedition an der Gerichtsstelle zu Lauenstein abzuführen.“

„Gestrenger Herr Amtsschösser!“ rief der schwarze Mattheus zitternd vor Wuth, so unerwartet all seine Pläne auf die liebliche Müllerstochter vernichtet zu sehen. „Es dürfte wohl nicht zu verargen sein, den Schuldner zu veranlassen, sich zu legitimiren, von wo ihm so unerwartet dies Geld zugekommen, denn noch gestern, dies kann ich bezeugen und der Schuldner muß es zugestehen, war derselbe gänzlich von Geld entblößt, und hatte keinen rothen Heller im Besitz.“

„Ist dem wirklich so?“ frug befremdet der Amtsschösser, und wendete sich an den Müller.

„Dem ist so, gestrenger Herr Amtsschösser,“ entgegnete ruhig der Gefragte, und maß verächtlich den schwarzem Mattheus von Kopf bis zu Fuß. „Als Alles mich verlassen, kam mir Hülfe durch den Hochwürdigen Superintendenten Dr. Schwerdtner zu Pirna, der mir dies Geld gesendet durch einen Eilboten, und auch Bürgschaft leisten will für mich bei Urban Fleck für die noch schuldenden 500 Gülden bis Ablauf der noch bis Ostern mir gegebenen Frist. Sendet nach Pirna und Ihr werdet die Wahrheit meiner Worte bestätigt finden.“

„Das Gericht wird dies untersuchen lassen!“ sprach der Amtsschösser, und fügte mit einem Blick finstern Unwillens auf den schwarzen Mattheus hinzu: „Um Eurer selbst willen hoffe ich, daß Ihr die Wahrheit gesprochen, denn Ihr habt Eurem frühern Ruf als ehrlicher Mann in letzterer Zeit arg geschadet durch Umgang mit allerhand bösem Gesindel in Schlemmen und Spielen.“

Mit diesen Worten entfernte er sich mit den übrigen Gerichtspersonen, der Kratzhammerwerksbesitzer aber rief giftig: „hätte ich ahnen können, daß Ihr im Besitz der zur Deckung der Zinsen nöthigen Summe gewesen, ich hätte Euch keine weitere Frist für die Zahlung des Capitals vergönnt, und heute noch hätte ich Euch hinausweisen lassen aus Eurem Erbe.“

Und hastig verließ er, noch unterwegs mit dem Oelsengrundmüller sich streitend und Verwünschungen ausstoßend gegen die Gerichte und den Schuldner, nebst dem Mattheus die Mühle.

Der Müller aber ging der aus dem Gärtchen nun herbeieilenden Tochter entgegen, und rief, diese freudig in seine Arme schließend: „Gott sei Ehre und Preis, der seinen Engel uns rettend gesendet und unsrer Feinde Tücke und Rachgier vernichtet.“


Sechs Monate waren seit jenem Tage verflossen, an welchem dem Bärenmüller so unerwartet Hülfe geworden. Auf den Höhen der Gebirge und in den finstern Felsschluchten lag zwar der Schnee noch in dichten Massen und der Winter sträubte sich mit der letzten Anstrengung, das Feld dem nahenden Frühling zu überlassen, der den Thauwind und die Schneeglöckchen voraussendet, seine Ankunft zu verkünden, aber im untern Müglitzthale, da war es schon Lenz, da entfaltete die Corneliuskirsche und das Stachelbeergesträuch das erste frische Grün, die Lerchen jubelten wieder auf den Höhen von Gamig und Maxen und überall auf Feld und Flur regte nach langem Winterschlafe sich neues thätiges Leben.

Auch in die Herzen der Bewohner der Bärenmühle war trotz dem dieselbe noch umstarrenden Winter der Frühling eingezogen mit dem frisch belebenden Hauche und den milderwärmenden Sonnenblicken gläubigen Hoffens und freudigen Muthes. Die Mühle, welche Jahre lang still und verödet von den Bewohnern der Umgegend scheu gemieden worden war, ließ das Geklapper ihrer Räder jetzt täglich wieder weit hin über die einsame Thalschlucht ertönen, mit verjüngter Kraft und unermüdlichem Eifer arbeitete der Müller nebst zwei wackern ihm treu ergebenen rüstigen Mühlknappen. Die funfzig Gülden, die der räthselhafte Fremde ihm geliehen, lagen längst gespart im geheimen Fache des Wandschreins und im Hof schnatterte und gackerte ein lustig Volk von Gänsen, Enten und Hühnern, in den Ställen ertönte das Brüllen der Kühe und das Blöken der Kälber, und auf der Mast liegende Schweine grunzten aus ihrem Versteck hervor. Ein neu gezimmerter Zaun schied Hof und Garten, die Lücken in der Schindelbedachung waren verschwunden und überall zeigte sich durch Ordnung und Fleiß wiederkehrender Wohlstand. – Wer den Müller jetzt sah, wie er unverdrossen bis spät in die Nacht sich mühete und dabei immer heitern Muthes war, wie die hohe kräftige Gestalt nicht mehr niedergebeugt einherwankte, sondern keck und rüstig hochaufgerichtet durch Haus und Hof schritt, wer Agathen jetzt nach sechs Monden wiedersah mit den Rosen auf den Wangen und dem lieblichen Lächeln um die frischen Purpurlippen, und in dem frommen vertrauensvollen Blick ein so süßes Bangen und träumendes Sehnen, wie die holde Gestalt in all’ ihrer jungfräulichen Anmuth so herrlich ausgebildet in Küche, Hof und Garten wirthschaftete mit der alten Magd, die immer mehr an Gehör verlor, die aber dem Müller und dessen Tochter durch ihre Treue und Hingebung so unentbehrlich geworden war, – wer diese drei Menschen jetzt wiedersah und sie vor sechs Monden gesehen hatte, ehe der junge Fremde Einkehr gehalten in der Bärenmühle, wie sie damals durch stille Verzweiflung, bittern Kummer und drückende Noth niedergebeugt trost- und hoffnungslos Tag für Tag

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_560.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)