Seite:Die Gartenlaube (1854) 086.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

eine Abschlagszahlung, mitunter zieht man es aber auch vor, das Regiment aufzulösen und ein neues zu bilden. Die Beförderung hängt nicht von der Kenntniß, sondern von der Geburt, den Launen oder Intriguen ab. Prinzen und Khans, die nichts vom Militairwesen verstehen und nie gedient haben, erhalten die ersten Stellen und werden mit Kommandos betraut, von deren Ausführung sie keine Ahnung haben. Welcher Grad von Vertrauen hieraus erwächst, kann man sich vorstellen, und ebenso, welches Schicksal einer Armee mit solchen Führern wartet, sobald ihnen europäische Truppen oder kriegerischere asiatische Völker entgegentreten.

Die Artillerie ist so schlecht, daß bei der Belagerung von Herat alle Kugeln über die Stadt hinwegflogen und die Soldaten fortwährend um dieselbe herumliefen, um die kostbaren Geschosse wiederzuholen, von denen nur eine kleine Zahl vorhanden war. Dabei kommandirte Hadji Mirza Agassi, derselbe, der die Türken lebendig essen wollte. Man kann sich denken, wie sich der russische Gesandte General Simonitsch[WS 1], ein alter Offizier aus Napoleon’s Armee, dabei belustigt hat.

Vor der Stadt lag eine ganze Armee, die wie eine Kolonie aussah. Da war ein Bazar und allerlei Läden, das Zelt des Sultans sah allein wie eine kleine Stadt aus. Die Perser mußten auch wohl selbst kein Vertrauen zu ihrer Belagerungskunst haben, denn sie pflügten und besäten die Felder der Umgegend und brachten auch glücklich die Ernte ein.

Wenn auch englische oder französische Offiziere dann und wann Unterricht in der Armee ertheilt hatten, so verschwanden die Spuren desselben augenblicklich wieder, sobald sie fort waren.

Flandin sah[WS 2] 6000 Mann im Lager unter des Schachs eignem Befehl. Die Leinwandzelte standen ganz regelmäßig, die Kanonen waren in Ordnung und wurden von Schildwachen mit gezogenen Säbeln bewacht, auch die Pferde waren an ordentlichen Krippen angebunden. Bei der Parade oder im Felde sah es indessen anders aus. Da waren die Uniformen zerlumpt, das Riemenzeug schmutzig, die Musketen schlecht, oft ohne Schlösser, zuweilen hatten die Soldaten auch gar keine, und diese selbst sahen jämmerlich aus. Das waren die Elemente der Regimenter, die unter den glänzenden Bannern des Löwen und der Sonne standen!

So sieht es jetzt in dem Lande aus, in dem der Sage nach der Garten blühte, den die Stammältern der Menschen bewohnten, wo im Brudermord der erste Krieg geboren, die ersten Töne der menschlichen Stimme ertönten. Es geht mit Riesenschritten seinem Verderben und endlichem Untergange entgegen.

Wenn Rußland wirklich die Absicht hätte, das britische Indien anzugreifen, so würde ihm Persien kein Hinderniß in den Weg legen. Es hätte nur die Schwierigkeiten zu fürchten, die ihm die Natur in den weiten, unermeßlichen Wüsten entgegenstellt, in denen es weder Wasser noch eine Vegetation giebt. Dort könnten ihnen allenfalls die Angriffe der unregelmäßigen persischen Kavallerie, sowie die Kurden, Araber und Turkomannen gefährlich werden, die noch in der Weise der alten Parther kämpfen und sehr geschickt mit ihren Waffen umgehn, auch meistentheils gut beritten sind. Vor der geschlossenen russischen Armee würde sie freilich wie Spreu auseinander fliegen, sobald sie ihr aber auf einer langen Linie in einzelnen Abtheilungen begegneten, würden sie diesen sehr gefährlich werden. Es läßt sich daher nicht sobald erwarten, daß Rußland zu diesem Wagestück schreiten werde. England kann keine bessern Barrieren für seine Besitzungen im Osten haben als die Türkei, Afghanistan und Persien mit ihren Wüsten. So lange diese Länder nicht von dem Koloß des Nordens verschlungen sind, haben die Kosaken an den Grenzen Indiens wenig Aussicht. Anders würde freilich das Verhältniß, wenn Rußland sich Constantinopels bemächtigen dürfte. Würde das schwarze Meer sein Eigenthum und gelangte es dazu, eine Seemacht zu gründen, so würde es seine Macht so verstärken, daß es wohl an den Versuch gehen könnte, nach Asien vorzudringen. Denn dann würde ihm auch der Westen dienstbar werden müssen und Preußen und Oesterreich würden nur noch Provinzen an seinen Grenzen bilden.



Ein Stiergefecht in Barcelona.[1]

Von E. A. Roßmäßler.

In Zügen strömte das Volk nach der plaza de toros, welche alles Schmuckes baar aus Balken und Bretern fest aber roh zusammengefügt in eine Staubwolke gehüllt vor mir lag. Ich betrat nicht ohne das Gefühl einiger furchtsamen Scheu vor dem grausamen Schauspiel das Gebäude, welches von zahlreichen Kavalleriepikets umstellt war, woraus ich eine nicht unnöthige Vorsicht des Gobernadors abnahm. Schon mehrmals ist aus der furchtbaren Aufregung, worein das spanische Volk stets die Corridas[WS 3] versetzen, eine revolutionäre Bewegung geworden, zu denen besonders der Katalonier stets geneigt ist. Das Innere des ungeheuern Amphitheaters bot einen großartigen Anblick. In kurzer Zeit füllten sich die in sombra y sol (Schatten und Sonnenseite) getheilten Zuschauerräume, in deren Mitte die große Arena lag, umgeben von der barrera, die gerade hoch genug ist, um von den leichtfüßigen Toreadores oder, wie die Stierkämpfer auch heißen, Toreros im rettenden Sprunge überflogen werden zu können.

Die bunte, schaulustige Menge flimmerte wie heiße Luft vor meinen Blicken, denn Tausende von Fächern und fächerähnlichen Luftwedeln, die man für 2 Cuartos zu jeder Corrida[WS 4] kauft, waren in fortwährender Bewegung. Der excelentisimo Señor el Gobernador führte den Vorsitz des Schauspiels, was in Madrid zuweilen die Königin selbst thut. Das Volk zitterte bereits vor Erwartung und Ungeduld, das jeden Sonntag gesehene Schauspiel auch heute wieder zu genießen. Er gab also das Zeichen zum Beginne. Ein Seitenthor wurde geöffnet und ließ in feierlichem Zuge die cuadrilla (Kämpfergesellschaft) ein, voran drei Alguacils zu Pferde in altspanischer schwarzer Tracht. Einer derselben erhielt aus der Hand des Gobernadors den Schlüssel zum Chiquero (Stierzwinger). Alle nicht zunächst am Kampfe Betheiligten verließen die Arena. Es blieben blos die stets drei berittenen Picadores[2] und acht Capoteros; alle in bunter Tracht aus Sammet und Seide und mit Goldtressen bedeckt. Jeder Picador nahm dem Gobernador gegenüber links vom Thore, durch welches der Stier hereinkommen sollte, in etwa acht bis zehn Schritt Abstand vom andern und etwa 4 Schritt von der Barrera seinen Platz ein. Wie Eisenmänner saßen sie auf ihren werthlosen alten mageren Pferden, denn diese gehen ja meistens drauf, fest im maurischen Bügel. Ihr rechtes Bein ist gepanzert, und das rechte Auge des Pferdes durch ein Tuch geblendet. Die unglücklichen Thiere dürfen den Feind nicht sehen, der ihnen das spitze Horn in die Eingeweide bohrt. Eine Todtenstille drückt die auf’s Höchste gespannte Erwartung der Zuschauer aus. Das Signal ertönt, das Thor öffnet sich und mit hoch erhobenem Schweife und gesenkten Hörnern stürmt der Stier herein, zwecklos über die Arena dahin brausend. Da erblickt er einen der einzeln vertheilten Capoteros und stürzt auf ihn ein. Wird er ihn aufspießen? Erst als der Stier sich seiner Beute gewiß glaubend, den Kopf zum tödtlichen Stoße senkte, hüpfte der Capotero, als gälte es einen Scherz, auf die Seite und der Stier rennt auf einen andern los. Der entfaltet seinen bunten seidenen Mantel (capa), seine einzige Waffe, vor den wüthenden Blicken des Stieres und lockt ihn damit nach einem Picador. Die lange feste Pika mit nur zwei Zoll langer Eisenspitze unter den eisernen Arm geklemmt, erwartet dieser das Anstürmen des Stieres, auf dessen Widerrist eine eingehakte bunte Bandschleife flattert, die Grenze bezeichnend, zwischen der und den Hörnern allein jener ihn treffen darf. Der Stoß sitzt. Der Stier,

  1. Als Seitenstück zu dem „Stiergefecht auf der Insel Madagaskar“ in Nr. 5 der Gartenlaube mag es erlaubt sein, hier ein spanisches Stiergefecht zu beschreiben, was ich am 17. [Juli] v. J. in Barcelona mit angesehen habe.
  2. Es sind fünf verschiedene Kämpfer: der Picador, zu Pferde, mit einer festen Lanze, pica, die an ihrem stumpfen Ende eine kurze Eisenspitze hat; der Capotero, ohne Waffen, blos mit einem großen, bunten seidenen Mantel, capa, zum Abwehren und Anlocken des Thieres versehen; der Banderillero mit zwei Banderillas bewaffnet; der Espada mit dem Degen und der Cachetero mit dem dolchartigen Messer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Simonitch
  2. Vorlage: sahe
  3. Vorlage: Carridas
  4. Vorlage: Carrida
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_086.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)