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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

den Schmerz nicht achtend, drängt nach dem Bauche des Pferdes, das stumpfe Ende der Pica verhindert ein tieferes Eindringen derselben, und so fest hat der Picador sie gepackt, und so fest sitzt er im Sattel – das Pferd wird wohl zehn Schritt weit seitwärts gedrängt. Der Stier läßt ab und stürzt auf den zweiten Picador. Dessen Pica gleitet ab und der Stier bohrt sein rechtes Horn tief in den Leib des Pferdes und hebt es sammt dem Reiter hoch empor. Es stürzt todt zusammen. Der Picador liegt unter ihm. Da fahren von allen Seiten, wie zuckende Blitze ihre verschiedenfarbigen Capas schwingend, die Capoteros herbei, um den Stier von dem Picador zu entfernen, der ja sonst verloren wäre. Wüthend stürzt das Thier, durch das tobende Bravo der Menge noch wüthender gemacht, auf den Schwarm der Capoteros los, die nach allen Seiten auseinanderstieben und sich zum Theil durch einen Schwung über die Barrera retten. Doch der Stier – mir erstarrte das Blut in den Adern – erhebt sich auch auf die Barrera und – es ist ihm gelungen, im schwerfälligen Sprunge jenen zu folgen. Ein Schrei des Entsetzens folgt der lautlosen Stimme. Der Stier ist nun in dem Callejon, einem schmalen Gange zwischen der Arena und der Contrabarrera, den ersten Zuschauerreihen. Wie Gedanken sind die Capoteros längst wieder hinüber in die Arena gehüpft und das schnaubende Thier rennt in der engen Gasse fort, denn hier fehlt seinem ungelenken Körper der Platz zum Anlauf, um die zweite Wand nach den Zuschauern zu überspringen. Es ist dies jedoch schon einige Male geschehen und es haben schon Zuschauer ihre grausame Lust mit dem Leben gebüßt. An eins der vier geöffneten Thore gelangt, stürmt er wieder in die Arena. Er theilt seine Wuth zwischen dem todten Pferde und den Toreros wieder. Doch das Volk verlangt nach Abwechselung. Die Picadores entfernen sich. Es erscheinen die 4 Banderilleros. Sie gleichen den Capoteros, doch haben sie keinen Mantel und als Waffe, mehr noch ein grausam neckendes Spielzeug, hat jeder zwei Banderillos. Das sind etwa drei Fuß lange Stäbe, mit bunten Bändern und Papier verziert und an einem Ende mit einem spitzen Widerhaken. Auch sie dürfen wie die Picadores den Stier nicht angreifen. Wenn der sie nicht freiwillig angreift, müssen ihnen wieder die Capoteros ihn zutreiben. Festen Fußes erwarten sie sein Anstürmen und wenn er vor ihnen den Kopf, um sie anzuspießen, senkt, stechen sie ihn beiderseits die Banderillos in den Nacken und mit einer gewandten Wendung gleiten sie aus der tödtlichen Nähe, wobei ihnen oft kein anderer Ausweg bleibt, als ein Sprung über den Stier selbst. So wird der Stier nach und nach mit zehn oder noch mehr Banderillos gespickt. Er schüttelt furchtbar schnaubend den Kopf, um die stechenden Bremsen los zu werden, daß die festsitzenden Stäbe an ihm herumflattern und seinen Schmerz nur vermehren. Sein Nacken ist mit Blut überströmt und das Jubeln des Volks steigt mit seiner Wuth und mit seiner Noth. Da ertönt der Ruf: „espada! espada“! Man will das Ende und einen neuen Stier. Es sollten heute ja acht getödtet werden.

Die Banderilleros mußten hinaus; der Espada mit dem langen Degen (espada) trat ein. In der Linken trägt er die Mulva, ein blutrothen Tuch, das an einer Seite durch einen Stab offen und flatternd gehalten wird. Während der Stier von den Capoteros beschäftigt wird, tritt er mit gespreitzter Großthuerei vor den Gobernador hin und hält eine prahlerische Rede, die mit einem eviva auf ihre Majestät la reyna Isabel segunda schließt. Dann wirft er seinen sombrero calañes (den spanischen Hut) hoch in die Luft und wendet sich zu dem Stiere. Die Capoteros treiben ihm diesen bald zu, wenn er den Espada nicht freiwillig angreift. Doch es ist Regel, daß der Espada in zwei oder drei Gängen mit der vorgehaltenen Muleta die Stöße des Stieres auffängt, um erst das Naturell desselben kennen zu lernen; erst beim dritten Angriffe bohrt er ihm den Degen in den Hals. Der Stoß gelang. Bis an das Heft drang er ein und der Stier rennt damit noch einmal durch die Arena. Das Blut strömt ihm aus Maul und Nase; er spreizt, um sich zu halten, die Beine und sinkt entseelt zu Boden. Doch nein. Er ist vielleicht noch nicht todt, und, wie mein guia del aficionado a las corridas de tores sagt, „um den Zuschauern“ – nicht dem armen Stiere – „den Anblick den Todeskampfes zu ersparen,“ stürzt nun der Cachetero[1] herbei und stößt dem gefallenen Stiere ein Messer (cachetero) in’s Genick. Noch ein letzten Todeszucken und – das Volk denkt schon mit Entzücken an den folgenden Stier. Es öffnet sich das erstgenannte Seitenthor und ein Gespann von drei feurigen, kaum zu bändigenden Mauleseln, mit blutrothen Quasten geputzt, werden bereingeführt. An einem Stricke, den man dem Stiere um die Hörner bindet, wird er im sausenden Galopp hinausgeschleift. Dann folgt ihm eben so die Leiche des Pferdes. Dann kamen die Mozos (Diener), um mit Rechen und Besen die Blutlachen zu beseitigen und ein zweiter Kampf begann; dem ersten gleich, nur noch mehr Pferde kostend. So wurden in zwei Stunden acht Stiere erlegt.

Man hat vielleicht unter den Kämpfern den Matador vermißt. Der Spanier kennt im Stiergefecht diese Benennung kaum; nur selten hört man sie und zwar nicht dem Espada, dem Hauptkämpfer, sondern dem Cachetero geben. Matador kommt von matar, tödten, her.

Nach dem fünften Stiere ging ich voll Ekel und Abscheu hinweg, und doch innerlich so aufgewühlt und zugleich abgestumpft, daß ich mit ziemlich kaltem Blute neben mir einen Menschenmord hätte begehen sehen können.

Man fühlt sich hier versucht, die sittliche Bedeutung der Stiergefechte und ihren Einfluß auf den Volkscharakter zu beleuchten. Doch ich überlasse dies dem Leser. Der Jähzorn des Spaniers findet hier seine Nahrung; dennoch aber glaube ich, von diesem absehend, den Spanier keineswegs roh und gemein nennen zu dürfen. Die Frauen bildeten mindestens die Hälfte der Zuschauer.

Am andern Tage las ich im Diario de Barcelona eine Kritik der Corrida, in welcher den Stieren Verse gewidmet waren, als wären es eben so viele Sänger oder Schauspieler gewesen. Bis zum nächsten Sonntag ist die Corrida Hauptgegenstand der Gespräche in den Cafés, in denen die Toreros, kenntlich an einem dünnen längeren Haarbüschel im Nacken, gesuchte Tischgenossen sind.

Drei von jenen acht Stieren wurden auf portugiesische Manier und von Asiaten bekämpft. Diesen noch viel gefährlicheren Kampf will ich in einer folgenden Nummer der Gartenlaube erzählen. Man fühlt sich auch hier gemüßigt, zur Erhöhung des Kitzels zu raffiniren. Zum folgenden Sonntage war ein gleichzeitig doppelter Kampf in der durch eine Scheidewand getheilten Arena angekündigt. Das muß die Gefahr für die Capoteros und Banderilleros wesentlich vermehren, indem sie, ihrem Stiere entspringend, leicht dem andern verfallen. Uebrigens ist der Erwerb der Lidiadores, auch so nennt man die Stierkämpfer, keineswegs ein bedeutender.

Die Regierung wird dem Volke die Stiergefechte nicht nehmen. Panem et Circenses!




Ein Königreich en Miniature.

Die Sandwich-Inseln und Bruder Jonathan. – Nichtsthun, die Lieblingsbeschäftigung der Eingeborenen. – Origineller Aufputz – Die Kinder und die Missionäre. – König Kamehameha III., der Billardspieler. – Der König amüsirt sich. – Hundefleisch, eine Delikatesse. – Cook’s Todesbaum. – Honolulu. – Das gute Leben der Missionäre. – Das Aussterben der Nation. – Zutodebeten. – Kamehameha als Präsident der Republik.

In den letztverflossenen Jahren begegnete man häufig in den Zeitungen einer Notiz über die Sandwichsinseln, welche jeden Leser frappiren mußte. Die Bewohner derselben, hieß es, seien gewillt, die republikanische Staatsform anzunehmen, und sich dem Verbande der vereinigten Staaten von Nordamerika anzuschließen. Der König derselben werde zu dem Zweck seine Krone niederlegen und künftig nur noch als Präsident der neuen Republik fungiren. Wie, mußte man sich hierbei sagen, hat sich die Bewegung des Jahres 48 bis zum stillen Ocean fortgesetzt und wird ihr Wellenschlag auch schon an den Ufern dieser Inseln verspürt, deren Bewohner bis dahin im paradiesischen Zustande politischer und socialer Unschuld gelebt haben?


  1. Sprich Catschetero.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_087.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)