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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

fragte Felipe, dessen Antlitz dunkler gefärbt zu werden schien, als bisher.

.Die gnädige Frau hat gelobt …“

„Canario!“ lachte Felipe gezwungen. „Es ist doch eine schöne Sache um ein Gelübde. Pater Isidor, ich habe auch etwas gelobt… Wollen Sie aus reiner Gefälligkeit auch mir, dem Ungläubigen einen Rath ertheilen?“

„Ich thue meine Pflicht auch gegen Heiden, Eure Herrlichkeit.“

„Sie sind Jesuit …“ fuhr Felipe nachdrucksvoll fort.

„Lehren Sie nicht, daß der Zweck die Mittel heiligt, … daß ich ein Verbrechen begehen kann. ohne zu sündigen, wenn ein edler guter Zweck erreicht wird? …“

Isidor ward blaß.

„Die Kirche lehrt.“ sagte er feierlich, „daß kein noch so guter Zweck ein verwerfliches Mittel entsündigt … Sie lehrt noch mehr: daß es keine Nöthigung zu einem Verbrechen geben kann, daß ein Verbrechen Thorheit und Unsinn ist, denn nur durch gute Werke erreicht man Zwecke, Früchte derselben und durch ein Verbrechen wird stets der Zweck vereitelt, zu dessen Ende dasselbe begangen wurde. Die böse That ist also in sich nichtig. Sie hebt durch ihren Erfolg sich selbst auf und dem Verbrecher bleibt nichts als der Fluch seiner Sünde, während er den Preis seiner That durch die That selbst verliert … Sanct Chrysostomus …“

„Bitte, Herr Compadre, Gevatter!“ rief Felipe. „Rechnen Sie die Wonne für nichts, eine Schlange zu zertreten und ein wehrloses Geschöpf zugleich schützen, daß dasselbe gebissen wird! Ich danke Ihnen für Ihren Rath und empfehle Ihnen, oft darüber nachzudenken, besonders über den Punkt, wenn an sich gut Mittel zur Erreichung böser Zwecke gebraucht werden. Adios.“

„Im Grunde scheint Don Felipe,“ meinte der Maler, welcher sorgfältig die Trümmer seines „Künstlerstabes“ trug, „ebenso bigott, als seine Frau … Wie würde er sonst über geistliche Angelegenheiten eifrig disputiren?“

„Sehr wahr, Sennor!“ sagte Isidor ernst.

„Aber gewiß.“ fuhr der Künstler fort … Ich habe sonst nie eine Frau ohne elegante Taille leiden gekonnt … Wie ist es möglich, wie Manuela so unendlich reizend und zugleich so fleischig zu sein? Ich denke doch nicht, daß dies anmuthige Gefühl, das mich bei der Betrachtung der Dame unwillkürlich ergriff, auf Rechnung eines durch klimatische Einflüsse verschlechterten Kunstgeschmacks kommt?“

„Fürchten Sie das?“ fragte der Jesuit, die Oberlippe emporwerfend.

Don Felipe ging neben dem Fuhrwerke.

„Manuelita,“ sagte er mit völlig veränderter Stimme, „Du hast jenes Bild bestellt?“

„Nein!“

„Du wirst Deine Missionsstunden von zehn Uhr bis Mitternacht halten?“

„Ja!“

Felipe drehte sich um und ging durch das Gehölz nach dem Arroyo, dem Bach, starrte in die Wellen, schlenderte durch die Wiesen und ging nach Hause, um sich in seinem Zimmer einzuschließen.

Als die Dunkelheit eingetreten war, machten sich ihrerseits Pater Isidor und der Maler von Santa Fé aus auf den Weg nach der Casa vieja[WS 1] de Tegijo. Inesilla empfing Hector de Martigues am Rande des Gehölzes und führte ihn ohne Schwierigkeit unbemerkt zu dem Betzimmer im obern Stock, wo der Maler sofort seine Vorrichtungen für seine Arbeit begann. Pater Isidor ging, seiner Gewohnheit nach über den weiten Hof. Als ihn Manuela kommen sah, eilte sie nach dem Zimmer Don Felipe’s, um für die Dauer ihrer Andachtsstunden wie stets Abschied zu nehmen. Felipe’s Thür blieb verschlossen. Mit beklommenem Herzen empfing die Dame ihre späten Gäste. Nach ungefähr einer Stunde erschien Inesilla im Betzimmer, und sagte dem Jesuiten: Roxo, der Diener des Herrn habe so eben die Nachricht gebracht, ein Bauer aus Santa Fé sei da. und bitte den Pater, seiner Frau das letzte Sacrament zu geben. Isidor erhob sich sofort, indeß er Martigues bat, sich in seiner Arbeit nicht stören zu lassen.

Der Priester verließ die Casa und sah sich vergebens nach dem Boten um. Es war eine helle Nacht, obgleich der Mond nicht schien; dunkel und durchsichtig in strahlender, tiefblauer Färbung spannte sich der Himmel aus, und gerade vor sich sah der Priester sich das Sternenkreuz des Südens über den Horizont erheben. Er blieb unwillkürlich stehen und versank in Betrachtung; dann schritt er eilig unter den Bäumen fort. von denen Feuerfunken herabstoben – leuchtende Insekten, die der Cenzontla, der nächtlichen Sängerin, zu entrinnen strebten, die Feuer ißt, um glühender zu singen.

Isidor stand vor dem Bach, über den ein schmaler Steg führte, als aus dem Ufergebüsch eine abenteuerliche Gestalt hervortrat, welche einen großen ersichtlich schweren ledernen Eimer in der Hand und einen großen, gefüllten Sack unter dem andern Arme trug. Der Mensch ließ nur halb sein Negergesicht unter dem Hute hervor sehen; er trug die Jacke von zottigem Wollenzeuge, wie sie die Hirten der großen Pferde- und Ochsenheerden haben. Pater Isidor kannte den Mann nicht, zauderte, als sein Gruß zur guten Nacht mit Stillschweigen erwiedert wurde und fragte mit lauterer Stimme:

„Compadre!“ Du bist doch nicht der Bote von Santa Fé?“

Quien sabe? Wer weiß es?“ – Dies ewig wiederkehrende Sprüchwort des Mexikaners ward mit rauhem Tone gesprochen.

Der Jesuit war keineswegs furchtsam; dennoch überkam ihn eine fatale Empfindung und er ging so rasch als möglich über den Steg, dem der Fremde nur einen Fußtritt zu geben nöthig hatte, um den Hinüberschreitenden wie in eine Theaterversenkung in den tiefen, reißenden Bach verschwinden zu machen. Der Neger folgte ihm schnell, setzte seinen Eimer vorsichtig auf die Wiese und legte den Sack daneben. Isidor sah sich neugierig um, was der Geheimnißvolle beginne.

Der Pater hatte kaum Zeit sich umzuwenden und einen Angstruf auszustoßen, als der Fremde mit einigen energischen Sprüngen gleich einem erbitterten Puma sich auf ihn stürzte. In nächster Secunde wälzten sich Beide auf dem Rasen. Pater Isidor war, wie alle Jesuitenschüler vortrefflich in allen Leibesübungen geschult, aber er fand, daß er es hier mit einem Gegner von weit überlegener Kraft zu thun habe. Indeß er sich unter den Fäusten und Knieen des Angreifers aufzurichten strebte, sah er einen Dolch in den Händen des Angreifers glänzen, er glaubte jede Secunde das Eisen in seine Brust eindringen zu fühlen und die Todesangst ließ ihm Kräfte finden, sich auf die Füße zu erheben. Der Hut war seinem Gegner vom Kopfe gefallen: er sah das wirre Haar desselben, das blitzende Weiß seiner Augen und die schimmernden Zahnreihen in dem dunklen Gesicht.

„Abájo la capa, Carajo! Herunter mit dem Habit, Canaille!“ stöhnte der Fremde, die Faust, welche das Collino des Jesuiten gepackt hielt, fester schließend, so daß diesem der Athem ausging, indeß er in der andern Hand den Stahl hob.

Pater Isidor zog sein Oberkleid aus.

„Und die Weste!“ lautete der fernere Befehl.

Abermals gehorchte der Priester.

„Fort mit dem Hemde!“

„Willst Du einen Priester entehren und ihn nackend machen!“ schrie der Pater, indeß er seinen Muth wieder fand und die Hand des Räubers faßte, die den Dolch hielt.

„Si, por la Santa Madre, Maldito! Ja., bei der heiligen Mutter, Verdammter, das will ich, oder Du wirst ein Sangràdo, ein Blutiger.“

Abermals kam der erschöpfte Jesuit zur Erde. Er fühlte nur noch, daß der Hosenträger abgeschnitten und das Hemd ihm theilweise von Schultern und Armen herabgerissen wurde. Im nächsten Augenblicke sah und hörte er nicht mehr, denn eine stinkende Flüssigkeit ward über seinen Kopf und seinen Oberkörper ausgegossen. Instinktmäßig stand er auf, als er sich nicht mehr festgehalten fühlte und suchte die klebrige Flüssigkeit aus seinen Augen zu entfernen.

Der Andere hielt seinen Eimer in der Hand und ging rund um den Wehrlosen, und goß ihm den Rest der schwarzen Brühe auf Rücken und Brust, in der Weise, wie etwa ein Kutscher sein Fuhrwerk angießt, das er reinigen will. Der Pater war glänzend schwarz bis zum Gürtel, über welchen die zerfetzten Hemdärmel herabhingen und der Theer – denn hiermit ward Isidor decorirt – floß in dicken Streifen an den weißen Beinkleidern des Jesuiten hinab. Hierauf nahm der Fremde seinen Sack und schüttelte

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: rieja
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_140.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2017)