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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Krankheiten haben. Freilich ist es für diese weit leichter zu sagen: das kommt von den Zähnen, als durch genaue Untersuchung mit Hülfe des Beklopfens und Behorchens den wahren Sitz und die Art des Leidens zu ergründen. – Von den genannten tödtlichen Kinderkrankheiten sind nun die drei häufigsten, nämlich die Entzündung im Athmungs- und Verdauungsapparate, so wie die Blutarmuth, ebensowohl ganz zu verhüten, wie auch bei ihrem ersten Entstehen in den gehörigen Schranken zu halten. Bei der Hirnhautentzündung schwindsüchtiger Kinder, und überhaupt bei Lungen- und Bauchschwindsucht (Drüsen-Tuberculose) ist aber alle Hoffnung auf Genesung eitel und sollten mehrere Kinder von denselben Aeltern an einer solchen Krankheit gestorben sein (was ja die Section lehren muß), dann hat der Arzt die Verpflichtung, gegen dieses Uebel schon vor der Geburt des Kindes und gleich von dieser an diätetisch (durch Luft und Nahrung bei Mutter und Kind) zu wirken.

Von den entzündlichen Affectionen im Athmungsapparate, welche Kindern leicht den Tod zuziehen können, ist die häufigste die Lungenentzündung, die weit seltenere aber die häutige Bräune oder der Croup. Beide Entzündungen beginnen in der Regel, abgesehen von einem stärkern oder schwächern Fieber (d. i. beschleunigter Puls, beschleunigtes Athmen und Hitze der Haut) und einer schwächern oder stärkern Hirnaffection, mit leichten katarrhalischen Erscheinungen im obern Theile des Athmungsapparates, nämlich entweder mit öftern Niesen und Absonderung eines dünnen Schleimes aus der Nase, oder mit Heiserkeit und Hüsteln. Bald schneller, bald langsamer steigern sich diese Beschwerden zum heftigen Husten, kurzen und rasselnden Athmen und endlich zu Erstickungszufällen. Forscht man den Ursachen dieser Entzündungen nach, so ergeben sich als solche in den allermeisten Fällen entweder das Einathmen einer rauhen kalten oder auch unreinen (staubigen, rauchigen) Luft, oder eine stärkere Verkühlung der äußern Haut. Gewöhnlich wirkte die kalte Luft nach vorhergegangener größerer Erwärmung ein. Es wird sich ferner noch finden, daß die ersten Anfänge des Katarrhes nicht gehörig beachtet wurden und daß man damals das Kind noch nicht als wirklich krank betrachtete. – Auf Grund dieser Thatsachen läßt sich nun zur Vermeidung der genannten tödtlichen Entzündungen anrathen, kleine Kinder niemals einer rauhen, kalten, unreinen Luft zum Athmen und überhaupt der Erkältung auszusetzen. Deshalb müssen kleine Kinder bei kalter Luft, zumal bei Nord- und Ostwinden, im Winter und im Sommer, hübsch in der Stube bleiben; in der Stube selbst aber und auch im Schlafzimmer muß auf gleichmäßig warme (+12 bis 14°), reine Luft gehalten werden; die Kleidung des Kindes darf weder eine zu warme noch auch eine zu dünne sein (wenn schon die Kinder viel Wärme in ihrem eigenen Körper entwickeln). Vorzüglich ist aber ein schneller Wechsel zwischen warmer und kalter Luft zu vermeiden; das Heraus- und Hereintragen und Laufen der Kinder aus der Stube taugt gar nichts, ebensowenig der Aufenthalt in staubiger und rauher Atmosphäre; das Schlafen der Kinder in kalten Zimmern, während sie beim Wachen in warmen sich aufhielten, ganz besonders aber das frühzeitige Abhärten der Kinder durch kalte Waschungen und Halbnacktgehen, erzeugte unendlich oft schon Schnupfen, Husten, Keuchhusten, Bräune, Lungenentzündung und Tod derselben. Eine vorsichtige Mutter kann eigentlich ohne Thermometer und Windfahne gar nicht existiren, wenn sie ihre kleinen Kinder vor gefährlichen Hustenkrankheiten beschützen und vor den oft unheilbaren Folgen derselben bewahren will. Eine Menge von Lungenleiden schreiben sich aus der ersten Jugend von solchen Krankheiten her. Nicht nur einfältig, sondern sogar verbrecherisch ist es, wenn man diese von der Natur gebotene Sorgfalt für die Kinder während ihrer ersten Lebensjahre für unnütze Verweichlichung erklärt und den Müttern etwas Sorglosigkeit anempfiehlt. Man bedenke wie die Thiere mit ihren Jungen und die Gärtner mit den Pflänzchen umgehen, man bedenke, daß es der Beruf der Mutter ist, für ihr Kind naturgemäß zu sorgen. – Sind nun aber doch bei einem Kinde die ersten Spuren von Katarrh der Nase, des Kehlkopfes oder der Luftröhre, wie Schnupfen, Heiserkeit, Husten eingetreten, dann ist es gewissenlos, diesen Zustand deshalb leicht nehmen zu wollen, weil er sehr oft ungefährlich bleibt und von selbst verschwindet; gar häufig steigert er sich auch zum Keuchhusten, zur Bräune oder Lungenentzündung. Darum ist dieser Katarrhalzustand in Grenzen zu halten und zwar dadurch, daß man das kranke Kind forwährend eine reine, aber etwas wärmere Luft (+ 15 bis 16) als gewöhnlich, und nicht blos bei Tage, sondern auch bei Nacht, einathmen läßt. Hinsichtlich der Nahrung braucht keine Aenderung getroffen zu werden, denn ein Kind bedarf seines regern Stoffwechsel wegen der nahrhaften Kost (Milch). Wehe dem kindlichen Organismus, wenn jetzt schon der Arzt mit seinen Arzneimitteln über ihn kommt, dann folgt Appetitlosigkeit, Erblassung und Abzehrung unwiederbringlich. Jedes wirklich wirksame Arzneimittel (besonders Brechweinstein) ist bei diesem Zustande nicht blos unnütz, sondern schädlich; Mandelmilch, Gummischleim, Syrupe und was sonst gewöhnlich noch Unwirksames verschrieben wird, sind aber keine Arzneien, sondern Nahrungsmittel.

Der Magen-Darmkatarrh oder der Brechdurchfall ist ebenfalls ein krankhafter Zustand, welcher viele kleine Kinder hingerafft und zwar theils deshalb, weil diese hierbei wegen der gestörten Magen- und Darmverdauung nicht die gehörige Menge Nahrungsstoff in das Blut aufnehmen können, theils darum, weil in Folge des Durchfalls eine Menge nahrhafter Bestandtheile aus dem Blute verloren gehen. So muß natürlich das Leben wie die Flamme einer Lampe verlöschen, der man nicht nur Oel nicht zugießt, sondern sogar entzieht. Bisweilen beschränkt sich der Katarrh blos auf den Darm und giebt sich dann durch Diarrhöe allein zu erkennen; ergriff er dagegen blos den Magen, dann deutet er sich durch Appetitlosigkeit und Brechen ohne Durchfall an. – Die Ursache des Magen-Darmkatarrhs ist, wie bei den Hustenkrankheiten, in den allermeisten Fällen auch wieder die Kälte und zwar dann, wenn sie auf das Innere oder Aeußere der Baucheingeweide einwirkte. Lächerlicher Weise hört man freilich gar nicht selten auch das Zahnen als Ursache des Durchfalls angeben. Erkältung des Bauches, kaltes Trinken, kalte Bäder und Klystiere ziehen am meisten diesen Krankheitszustand nach sich; vorzüglich gehört hierher auch das Bloßstrammpeln (Aufdecken) der Kinder, besonders im Schlafe und bei kalter Luft, das schlechte Tragen derselben auf dem Arme (wobei Füße und Bauch zum Theil entblößt werden) und das Abhalten zum Uriniren im Freien (zumal wenn das Kind vorher im warmen Bette lag), das Setzen auf zugige Abtritte, das Einwickeln in kalte und feuchte Windeln, das Trinken kalter Milch oder kalten Wassers und Bieres, Erkältung beim Baden. Aus dieser Aufzählung von Gelegenheitsursachen geht von selbst hervor, worauf eine gewissenhafte Mutter zu achten hat, damit ihr Kind nicht vom Brechdurchfalle heimgesucht werde. Vor Allem muß die Erkältung des Bauches, welche ja auch bei Erwachsenen so oft Leibschmerz, Diarrhöe und selbst die Cholera hervorruft, vermieden werden, sodann ist natürlicher Weise stets auf die richtige Nahrung zu halten. (Welches die richtige Nahrung für kleine Kinder ist, siehe unten und in einem spätern Aufsatze.) – Die erste krankhafte Erscheinung, welche nicht unbeachtet bleiben darf, ist in der Regel der Durchfall, der nach und nach immer häufiger, wäßriger und farbloser wird und sich später erst mit Brechen verbindet. Gegen diesen Durchfall wirkt am besten die Wärme, welche in Gestalt der Bettwärme, einer warmen Bauchbinde, warmer Tücher, warmer Kräutersäckchen oder Umschläge auf den Bauch, warmer schleimiger Getränke und Klystiere angewendet werden kann. Bei häufigerem Durchfalle, zumal mit Brechneigung und Erbrechen muß das Kind durchaus im Bette bleiben und warme Breiumschläge (von Hafergrütze, Leinsamen) über den Leib bekommen; die Nahrung darf keine andere als eine warme flüssige und nahrhafte sein, und nach dem Alter des Kindes und dem Zustandes des Magens aus reiner oder verdünnter Milch, Fleischbrühe, Eiflüssigkeit und Schleim bestehen. Ist das Kind vor nicht so langer Zeit entwöhnt worden, dann thut eine Amme die besten Dienste. Es steht sehr schlimm um das Kind und es ist die letzte Hülfe, wenn der Arzt hierbei wirksame Arzneinen verordnet.

Blutarmuth oder Bleichsucht (s. Gartenlaube Jahrg. I, No. 49) ist bei kleinen Kindern, auch wenn diese nicht an Brechdurchfall und Knotensucht (Tuberculose oder Scrophulose) leiden, eine weit häufigere Veranlassung zum Tode als man gewöhnlich meint und wird von den Aerzten gewöhnlich für allgemeine Schwäche und Auszehrung, krankhaftes Zahnen, Hirnkrämpfe und hitziger Wasserkopf erklärt. Es tritt hierbei der Tod entweder unter fortwährend zunehmender Erblassung und Abzehrung des ganzen Körpers oder wegen des Blutmangels im Gehirne unter den Erscheinungen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_197.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2017)