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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

einer Kopfaffection (mit Zuckungen, Krämpfen aller Art, Betäubung) ein. Das Erstere ist vorzugsweise dann der Fall, wenn ein Kind überhaupt zu wenig Nahrungsstoff bekommt und sonach verhungert; das Letztere kommt am häufigsten bei Kindern vor, die eine unzweckmäßige Nahrung erhalten und dabei sogar fettleibig sind. Auch bei wohlhabenden Leuten, nicht blos bei Armen, die selbst nicht zu brocken und zu beißen haben, können kleine Kinder den Hungertod sterben und zwar dann, wenn die stillenden Mütter oder Ammen nicht genug Milch haben und der Arzt, die eigentliche Quelle des Leidens verkennend, mit Arzneimittel (besonders mit Quecksilber, Abführmittel, Blutegeln) zu kuriren anfängt. Eine unzweckmäßige Nahrung würde aber eine solche sein, die vorzugsweise aus Stärkemehl, Zucker oder Fette, sonach aus Stoffen bestände, welche wohl Fett bilden aber nicht zur richtigen Ernährung der lebenswichtigen Organe des Körpers verwendet werden können. Solche Nahrungsmittel sind vorzüglich: Sago, Arrow-Rout, Salep, Kartoffeln, Mehlsachen und Gebäcke. Da aber diese Stoffe das Kind zur Freude unerfahrner Mütter wollsackähnlich dick machen, so sind sie in großer Aufnahme, sogar unter den Aerzten. – Daß bei genügender und naturgemäßer Nahrung ein Kind, wenn es sonst nur diese gehörig verdauen kann, den Tod durch Blutarmuth nicht erleiden wird, versteht sich wohl von selbst. Ob aber die richtige Menge Nahrungsstoff in den kindlichen Körper geschafft wird, zeigt die Menge der Ausleerungen (besonders des Urins), das Zunehmen oder Abnehmen an Fleisch und Gewicht, das schnellere oder langsamere Wachsthum und die Beschaffenheit der Haut. Diese letztere wird nämlich bei Blutarmuth nicht blos blässer, sondern gewöhnlich auch schlaffer, dünner und runzlicher, oder bei fettleibigen Kindern wachsartig bleich mit gelblichem oder grünlichem Schimmer. Um übrigens ein Kind hinsichtlich seines Ernährungszustandes richtig zu beurtheilen, muß man Rumpf und Gliedmaaßen desselben betrachten, da das Gesicht oft noch lange voll erscheint, während der übrige Körper schon abzehrt. Eine naturgemäßge Nahrung muß aber neben den fetten und fettbildenden Stoffen auch noch eine ziemliche Menge von Eiweißsubstanzen (Käsestoff, Eiweißstoff, Faserstoff, s. Gartenlaube Jahrg. I. No. 39), sowie Kochsalz und Kalksalze enthalten. Deshalb sind Milch (s. Gartenlaube no. 12), Fleisch und Fleischbrühe, so wie Ei nicht zu entbehrenden Nahrungsmittel für Kinder. [Ausführlicheres über die naturgemäße Ernährung kleiner Kinder s. später.]

Daß bei Beobachtung der angegebenen Vorsichtsmaßregeln kleine Kinder von den genannten todbringenden Krankheiten äußerst selten befallen werden, davon können sich gewissenhafte und verständige Aeltern recht leicht eben so überzeugen, wie dies der Unterzeichnete seit 25 Jahren gethan hat. Aber leider wie viele Aeltern sind denn in dieser Hinsicht verständig? Nun vielleicht machen meine Worte doch auf Solche einigen Eindruck, die bei ihren Kindern schon schwerere derartige Krankheiten oder gar Todesfälle erlebt haben. Müttern, welche nach Durchlesung dieser Zeilen sagen: „ei da hätte man viel zu thun, wenn man das Alles beobachten wollte,“ werde hiermit ihrer Gatten und meine vollste Verachtung zu Theil. Von vernünftigen Vätern und Aerzten fordere ich aber, daß sie sich mehr als dies bis jetzt gewöhnllich geschieht, um das Wohl der kleinen Kinder kümmern. Ein gebildeter Mann sucht in der Ehe nicht blos Genuß und Behaglichkeit für seine Existenz und glaubt genug zu thun, wenn er für seine Kinder das Erforderliche erwirbt, sondern er verschafft slich so wie der Mutter seiner Kinder auch die gehörige Einsicht in die körperliche und geistige Erziehung des Kindes und weiß dann in seinem Hause bei Weib und Kind das Rechte durchzusetzen. Freilich gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.

(B. = Bock.) 




Die Markthallen in den amerikanischen Städten.
Von G. L. Lindner.

Wenn Obst- oder Butterhändlerinnen, Wildprethändler, wohl auch Fleischer und andere Verkäufer auf unsern Marktplätzen bald von Sonnenbrand, bald von Sturm, bald von Regen oder Schnee zu leiden haben oder durch eine lockere Bude nur dürftig dagegen geschützt sind, so haben sie wohl Ursache, ihre Standesgenossen in Nordamerika, wenigstens in den bedeutenderen Städten des Landes, zu beneiden. Dort sitzen sie unter den Säulengängen und an den Pfeilern der Markthäuser oder Markthallen, die gewöhnlich längliche Vierecke bilden und bald mitten in einer langen und besonders breiten Hauptstraße, bald zwischen mehreren Stadttheilen oder nach einem Flusse zu angebracht sind. Wir haben viele derselben in mittleren und größeren Städten, welche letztere meist mehrere haben, betreten und die Einrichtung in Gegenden, die so weit auseinander liegen, daß man in Europa auf bedeutende Unterschiede in Sprache, Tracht und Sitte der Bewohner stoßen würde, ziemlich gleichartig gefunden.

An den Hauptpfeilern haben die Fleischer ihre Stände, die für jeden derselben täglich einen halben Dollar zu zahlen haben. Meistentheils sieht man bei ihnen nur Rinder und Schweine hängen, die im Leben hier frei in Wäldern und auf Lehden herumlaufen und darum weit leichter, als bei uns, zu ziehen sind, freilich aber auch minder fett werden. Letzteres gilt zumal von den Rindern des Südens, denen das struppige, saftlose Waldgras nicht die beste Weide bietet. Die Schafzucht, für Australiens dürre, baumlose Gegenden ganz geeignet, ist in Nordamerika, wo das Wollvieh in Wäldern wenig geeignete Nahrung finden würde, nicht bedeutend. Neben zahmem Vieh haben wir in den Markthäusern größerer Städte auch Hirsche und Wasservögel gesehen; zweimal ist uns sogar ein ausgeschlachteter Bär mit dem schwarzen Felle daneben vorgekommen. Der Geruch des Fleisches und der weggeworfene Abgang lockt im Süden – wenigstens fiel uns dies in Charleston in Südcarolina auf, sobald wir den Fuß an’s Land gesetzt hatten – zahlreiche Aasgeier oder Truthahnfalken an, große schwarze, den Raben ähnliche, doch mit einer rothen Haut um die Wurzel des Schnabels versehene Vögel, die in den wärmeren Theilen Nord- und Südamerika’s durch Aufzehrung des Aases, das ihr scharfer Geruch bald wittert, die durch sumpfige Dünste ohnedies gefährliche Luft reinigen. Da sie hierdurch eine große Wohlthat der Bevölkerung sind, so ist die Tödtung jedes solchen Vogels bei fünf Dollars Strafe verboten; die hieraus entstandene Schonung aber hat die schwarzen Gesellen so dreist gemacht, daß sie in der Nähe der Fleischerstände, deren Abfälle ihnen gleich dem Aase behagen, zwischen den zahlreich hin und her eilenden Menschen, deren jeder sie fast mit Händen greifen könnte, keck daherschreiten. Daß Sonntags kein Markt gehalten wird, ist ihnen durch Erfahrung ebenfalls begreiflich geworden; sie bleiben weg.

Neben dem Fleische werden in jenen Hallen Fische aus Flüssen, wie aus dem Meere Krebse und im Süden verschiedenartige Schildkröten feilgeboten. Die größten der letzteren, im Meere durch Netze, die man von Böten aus unter ihnen hinweggezogen, oft im Schlafe gefangen, sind auf den Rücken gelegt und würden sich, zumal da die Natur sie mit flossenartigen Gliedern versehen hat, selbst auf dem Bauche hier wenig bewegen können; doch hüte man sich, mit der Hand zwischen ihre messerscharfen, nach Luft schnappenden Kinnladen zu kommen, – man könnte die Finger einbüßen. Auch an Früchten und Gemüsen ist kein Mangel, obschon die Mannigfaltigkeit gerade nicht bedeutend ist. Der Norden liefert dem Süden Aepfel, der Süden dem Norden Apfelsinen; in New-Orleans fanden wir beide neben einander zu Pyramiden aufgethürmt und zu ziemlich gleichen, nach unseren Begriffen für die einen etwas hohem, für die andern niedrigem Preise. Auch ganze Trauben gelber Bananen, die man auf Cuba noch vor völliger Reife gebrochen und über den Golf gebracht hat, hängen oft dazwischen, und von Ananas, hier der Gestalt wegen Fichtenzapfen genannt, kam uns einmal ein ganzer Wagen voll vor. Am meisten fallen die großen dunkelgrünen Wassermelonen in’s Auge, gegen welche zahlreiche, weingelbe, hier zu Lande jedoch minder saftige Pfirsichen abstechen. Daneben finden noch Hickorynüsse und in einer kurzen Zeit des Jahres kleine, den Kirchen gleichende Pflaumen Platz, die an kleinen Bäumen mit schlehenartigen Blättern



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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_198.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2019)