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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

sein Schenkel durch häufige Einreibungen mit Oel geheilt war, ließ Janu ihn aufrecht stehen und gehen. Bis dahin war er nur auf allen Vieren gegangen. In vier Monaten fing er an zu verstehen und den ihm gegebenen Zeichen zu gehorchen. So lernte er die Pfeifen stopfen, Kohlen zum Anzünden holen und bringen, und was ihm sonst befohlen wurde. Aber nur einmal lernte er einen artikulirten Laut, dieser bestand in dem Namen der kleinen Tochter eines Schauspielers aus Caschmir, Abudes, die freundlich gegen ihn gewesen war. Der Geruch seines Körpers blieb immer widerwärtig, wieviel Mühe sich auch Janu gab, ihn durch Einreibungen mit in Wasser aufgelöstem Senfsaamen zu entfernen. Obwohl er dies Monate lang fortsetzte, während deren er nur Reis und Früchte zu essen bekam, wich der Geruch nicht. In einer Nacht, als der Knabe unter dem Mango-Baum lag, sah Janu zwei Wölfe zu ihm hinschleichen, nach ihm schnoppern und ihn anrühren, so daß er aufwachte. Statt aber sich vor ihnen zu fürchten, legte er seine Hände auf ihren Kopf und fing an mit ihnen zu spielen und Stroh und Blätter auf sie zu schütten, während sie um ihn herumsprangen. Janu wollte sie forttreiben, es gelang ihm aber nicht, so daß er unruhig wurde und die nächste Schildwacht herbeirief und ihr sagte, die Wölfe wollten den Knaben auffressen. Der Soldat erwiderte: kommt fort und laßt ihn, sonst fressen sie Euch auch noch auf. Als Janu sie fortspielen sah, schwand jedoch seine Furcht und er beobachtete sie ruhig. Endlich scheuchte er sie fort, aber in der nächsten Nacht kamen drei Wölfe und in der darauf folgenden ein vierter, der noch mehrere Male zurückkam. Janu glaubte, daß die ersten beiden wohl die Wolfskälber, mit denen er gefunden worden, gewesen sein und daß sie ihn an dem Geruche erkannt haben müßten, sonst hätten sie ihn wohl fortgeschleppt. Sie leckten sein Gesicht, als er seine Hand auf ihren Kopf legte. Als Janu’s Herr nach Luckno zurückkehrte, gestattete ihm dieser nach einigem Widerstreben, den Knaben mitzunehmen. Janu hielt ihn an einem Stricke, den er um seinen Arm geschlungen hatte und legte ein Bündel Kleider auf seinen Kopf. Sobald sie an einer Höhle vorbeigingen, suchte er das Bündel wegzuwerfen und machte verzweifelte Anstrengungen, zu entfliehen. Wurde er geschlagen, so erhob er bittend seine Hände, nahm das Bündel wieder auf und ging weiter. Bei der nächsten Höhle gerieth er aber in dieselbe Versuchung. Kurze Zeit nach ihrer Ankunft in Luckno wurde Janu von seinem Herrn auf zwei Tage fortgeschickt, und als er zurückkehrte, war der Knabe verschwunden. Zwei Monate darauf kam die Frau eines Webers nach Luckno mit einem Brief des Rajahs von Bondi, der bestätigte, daß ihr vier Jahre alter Sohn vor fünf bis sechs Jahren von einem Wolfe geraubt worden sei. Nach der Beschreibung, die Janu von ihm gab und nach den Zeichen, die er von ihm angeben konnte, war es ihr Knabe. Sie blieb noch längere Zeit in Luckno und man gab sich alle mögliche Mühe, ihn ausfindig zu machen. Sie war aber vergebens, man hat ihn nie wiedergefunden.

Der Knabe muß hiernach sechs bis sieben Jahre mit der Wölfin gelebt und mehre Würfe derselben gesehen haben. Der Verfasser der erwähnten Schrift hatte diese Nachrichten von Janu und dessen Herrn selbst, und beide erklärten, daß sie die volle Wahrheit enthielten.

Es ist bemerkenswerth, daß kein authentischer Fall festgestellt ist, daß völlig erwachsene Menschen in Wolfshöhlen gelebt haben. Der Verfasser der Schrift erwähnt eines alten Mannes in Luckno, der als Knabe bei der Hütte eines Eremiten in dem Walde von Oude Tarä, der dort starb, gefunden wurde, von dem es hieß, der Eremit habe ihn Wölfen abgenommen, und der deshalb der wilde Waldmensch hieß. Einmal, sagt der Verfasser, wurde er zu mir geschickt und ich sprach mit ihm. Seinen Zügen nach gehörte er dem Tharu-Stamme an, der nur in diesem Walde gefunden wird. Ich fragte ihn, ob er einige Erinnerungen davon habe, daß er jemals mit den Wölfen gelebt habe. Er sagte: „Der Wolf starb lange vor dem alten Eremiten.“ Dies gab mir jedoch nicht die Ueberzeuzung, daß er mit Wölfen gelebt hatte.

Einmal wurde ein Knabe nach der Stadt Hasanpur gebracht, der ersichtlich von Wölfen auferzogen war. Er schien zwölf Jahr alt zu sein, war sehr dunkelfarbig und hatte zuerst kurze Haare auf dem ganzen Leibe, die allmälig verschwanden, sobald er gewöhnt war, Salz mit seiner Nahrung zu essen. Er sprach nie, verstand aber Zeichen sehr gut. Was aus ihm geworden ist, hat man nicht erfahren können.

Die letzteren Fälle sind zweifelhaft, die ersterwähnten stehen aber als Thatsachen fest. Die Leser mögen selbst darüber urtheilen. Jedenfalls schienen sie uns so merkwürdig und lassen so viele interessante Muthmaßungen und Bemerkungen zu, daß wir hoffen, die Leser werden es uns Dank wissen, daß wir sie mit denselben bekannt gemacht haben.




Sebastopol,
Stadt und Hafen mit den Batterien und Zugängen.

Nachdem wir uns Kronstadt in einer frühern Nummer angesehen, müssen wir auch die andere Hauptwaffe Rußlands in der linken Hand in Augenschein nehmen. Sie heißt Sebastopol und erhebt sich auf der Halbinsel Krimm vom schwarzen Meere herauf, aus welchem dieser andere Arm Rußlands weiter um die Türkei und Europa herum strebt. – Sebastopol war noch am Anfange dieses Jahrhunderts ein elendes Tartarendorf. Seit einem halben Jahrhundert ist Rußland ununterbrochen im großartigsten Maße thätig gewesen, den Ort, den die Natur zu diesem Zwecke sehr begünstigte, in den stärksten militärischen Hafen für die Kriegsflotte des schwarzen Meeres umzuwandeln. Unser genauer, militärischer Plan zeigt uns mit einem Blick, wie großartig und umfangreich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_270.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)