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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Und Rosi? Nun die kam ja gleich darauf zum Sterben. – Nun sieh’, Rudolf, deshalb hatt’ ich den Junker an mich gelockt; ich hab’ nichts entgegnet, wenn er mir von seiner Lieb’ vorgeredet, damit er nur stärker in seinen Glauben hineinliefe. – Ach, das war sehr schlecht von mir, das sah ich wohl ein, und gequält hat’s mich auch, das kann ich Dir wohl sagen. Jetzt dacht’ ich, ich müßt’s sein lassen, das thäte nimmer gut. Gleich darauf aber spürt’ ich ein neu’ Verlangen, mit dem Junker zusammenzutreffen. Es war förmlich wie eine Lust, daß ich dacht’: Du machst ihn recht närrisch vor Lieb’, damit er dann rechtes Weh leidet, wenn’s zum rechten Austausch kommt und ich ihn dann fortschick’; hat er’s doch um die arme Rosi verdient. Ich weiß selbst nicht, was das für absonderlich Verlangen war, aber heiß war es und immer trieb mich’s an. Nun kamst Du dazwischen; ach, Rudolf, ich hatt’ Dich unsäglich lieb, ich kämpft’ mit mir, ob ich weiter mit dem Junker gehen sollt’; ich wollt’ und wollt’ nicht, und so geschah’ es. Es ist nimmer gut, wenn im Weib was Verstocktes liegt. Aber schweigen mußt’ ich. Du gingst nun, und wie Du das zu sagen kamst, da dreht sich mir das Herz um, ich hätt’ Dir zu Füßen liegen mögen und bitten und bitten, aber ich war recht verkehrt in meinem Sinn und dacht’ so mancherlei mit Stolz, das mich wieder zurückhielt. Erst wie Du den Winter, den ganzen langen Winter fortbliebst, kein leises Wort von Dir kam, da wurd’ ich recht krank, in Sinn und Herz, Rudolf, recht krank. Da kam ich auch zu rechtem Nachdenken. Du hattest Recht; es litt mich nicht länger zu Haus, es peitschte mich immer an, ich mußt’ kommen, um Dir das zu sagen. Nun sieh’, Rudolf, jetzt bin ich da, jetzt hab’ ich Dir’s gesagt, mir ist viel, viel leichter zu Muth, und wenn Du mir vergeben, was Du auch schon ausgesagt, so will ich wieder fort nach Haus, zu meinem alten Vater, und glücklich sein, denn eine große Sünde bin ich leichter, und ich kann Dein gedenken mit Freud’, ohne Trauer, daß Du mich scheltest eine schlechte Dirne und was sonst Uebles nachzureden ist.“ –

„Also gehen willst Du, Katharina? Kaum gekommen und wieder gehen? Nein, Katharina, das darfst Du nicht. Ich habe Dich geliebt, liebe Dich noch, und wärst Du weggeblieben noch eine kurze, kurze Zeit, mein Herz wär’ gebrochen vor Sehnen und Verlangen. Jetzt bleibst Du da, Katharina, ich führe Dich zu meinen Aeltern, dann zurück zu Deinem rechtlichen Vater, und mein Weib mußt Du dann werden bald, recht bald. Ich hab’ nun nichts mehr zu fürchten, denn Du hast Deinen Fehler erkannt und gebüßt, und ich kenne Dich, es ist für die Lebenszeit, daß Du ein Einsehen gehabt, daß es nimmer gut thut, wenn Du zu Deinen Nächsten kein Vertrauen hast. Du wirst keiner Versuchung mehr unterliegen, nicht mehr der Schwachheit des Weibes, der eitlen Gefallsucht, denn die Gefahr liegt darin, Dich selbst, das Theuerste, Ruhe und Frieden zu verlieren. So wie Du bist, jetzt geworden bist, wird das Glück mit uns sein.“ – Er überhäufte sie mit tausend Zärtlichkeiten, die sie anfangs unter Thränen duldete, dann aber mit dem seligsten Gefühl erwiederte. – Noch denselben Abend führte Rudolf seine Geliebte zu seinen Aeltern, den andern Morgen jedoch schon fuhr er mit ihr nach dem Dorfe Kloster-Riedd zurück. – Beim Vorüberfahren nach dem Stettiner Bahnhöfe wurden sie an die vergangne trübe Zeit durch den unerwarteten Anblick des Junkers erinnert, der in einer Soldatenjacke vor einer Kaserne stand; auch er schien sie zu bemerken. Eine dunkle Röthe stieg ihm in’s Gesicht, aber schnell wandte er sich ab. –

Was stimmte der alte Claus Schilder, der sobald seine Tochter nicht zurück erwartet hatte, für ein Jubelgeschrei an, als er sie mit Rudolf kommen sah. Er geberdete sich wie unsinnig, lief aus einer Umarmung in die andere, pfiff und sang, daß alle Vögel des Waldes voller Verwunderung einhielten und nach dem alten Manne blickten und eine Schaar Dohlen stutzig aufflog. –

Ein Schmerz wartete ihrer noch: der schwarze Kreuzwirth starb wenige Tage nach der Wiederkehr des Malers. Alle folgten seinem Sarge, auch der alte Freiherr fehlte nicht, und sie beteten für ihn: „Friede seiner Asche!“ –

Drei Wochen darauf feierte Rudolf und Katharina, im Beisein vieler Menschen, ihrer Angehörigen und des Schloßherrn, der eine gar wackere Aussteuer brachte, ihre Hochzeit, nachdem sie zuvor ausgemacht hatten, daß sie zwei Tage darauf mit dem Vater nach Berlin übersiedeln würden. – Das Haus am Meeresstrande war da gar schön ausgeschmückt, mit Kränzen und Blumen, die der Frühling hergab, und Bier und Wein flossen zur Genüge. Vor dem Hause, auf dem Rasenplatz wurde getanzt, die Geiger spielten auf, und der Himmel hatte das Einsehen, daß die Gäste im Innern nicht Platz finden würden, er schien deshalb den ganzen Tag bis tief in die Nacht hinein in gar herrlicher Klarheit herab; kein Wölkchen verhüllte sein schönes Blau. –




Ein Besuch bei Karl Gutzkow in Dresden.

Wenn man in Dresden die aristokratische Straße „an der Bürgerwiese“ ganz hinuntergeht und dann rechts einbiegt, so ist man in der kleinen, ruhigen, von Gärten und Feldern eingeschlossenen „Lindengasse;“ es ist so still und lauschig hier, das Geräusch der großen Stadt liegt fern und doch ist man ihr auch verbunden durch glänzende Häuser, Villa’s und geschmackvolle Anlagen. Nach einer Seite hat das Auge weiten Fernblick und das Ohr das Schnaufen und Pfeifen der böhmischen Eisenbahn; nach anderer Seite ist der Blick durch ummauerte Gärten begrenzt und das Ohr hat nur des baumreichen Gartens Rauschen und Säuseln. Hier wohnt Karl Gutzkow, und passender, charakteristischer gerade für ihn, könnte dieser Mann wohl gar nicht wohnen. Als ich zum ersten Male sein Haus betrat, war es mir eigenthümlich zu Muthe: ich sollte nun dem bedeutendsten deutschen Schriftsteller der schönen Literatur der Gegenwart entgegentreten; und je mehr ich ihn als solchen erkannt hatte, je höher also die Verehrung war, die ich ihm zollte: desto größer mußte die Spannung, die Freude, aber auch das Bangen, ich möchte sagen, die Pietät sein, die ich, im Gefühle eigener Unbedeutendheit ihm gegenüber, empfand. Und wie mannigfache Urtheile hatte ich über seine Person und sein Wesen gehört; – von Freunden, die ihn gar nicht oder mißverstanden, von Feinden, die ihn verläumdet hatten, von jungen, süßlichen Naturen, die seine Realität erschreckt hatte. Das Alles ging mir durch Gefühl und Gedanke und nur durch einen ziemlich derben Riß an der Klingel befreite ich mich einigermaßen von dem so mannigfach bedrückenden Gefühl und trat unbefangen in ein weites, helles Zimmer; elegant und geschmackvoll, durchaus nicht auffallend und doch dichterisch, künstlerisch decorirt; eine Epheulaube um einen lauschigen Diwanwinkel; Blumen an den Fenstern, zwischen den Fenstern kleine Statüen auf entsprechenden Consols; – rings an den Wänden werthvolle Kupferstiche; Mappen, große Bücher, zierliche Lowelybände nachlässig geordnet auf Tischen mit schönen Decken; bequeme Lehnsessel mit dunkelrothem Sammet überzogen und darüber die weißen „Schützer“ von der sorglichen Hand der Hausfrau ausgebreitet: das Alles machte einen hellen, heiteren, wohlthuenden Eindruck. Ich hatte ihn kaum empfangen, als ich freundlich von einer jungen, blühend schönen Frau begrüßt wurde, die aus den blitzend braunen Augen mich gescheidt und resolut anschaute und mir sofort das Bild einer durchaus gesunden, praktisch sicheren, doch innerlich fein theilnehmenden Natur einprägte. Es war Gutzkow’s Frau zweiter Ehe; – sie begrüßte mich freundlich, bemerkend, daß ich schon früher erwartet sei; Gutzkow sei ausgegangen, werde aber jeden Augenblick zurück erwartet; die Stimme eines Wiegenkindleins aus fernem Zimmer rief sie ab; bald erschien sie wieder, mit dem ersten Kinde ihrer Ehe auf dem Arme, dem reizendsten, herzigsten Kinde, was ich seit Jahren gesehen. Im anstoßenden Zimmer hörte ich feste, strenge Tritte, „Karl!“ rief die Frau, „komm doch herein, es ist Jemand da.“

Im nächsten Augenblicke trat Gutzkow ein: eine kleine, aber stämmige, breitschultrige, muskulös gebaute Gestalt; der starke und namentlich im Profil durchaus edele Kopf fast dicht auf die breiten Schultern gesetzt; die Stirn ziemlich hoch, wenig gewölbt, aber fest wie aus Stahl gehämmert, doch giebt ihr das blonde, weiche,

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