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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Je mehr ich vordrang, desto frischer wurden die Spuren, und ich sah, daß ich dem Thiere nahe war.

„Ein Paar Schritte vorwärts lösten sich meine Zweifel. In einem kleinen Dickicht sah ich, zum ersten Mal in meinem Leben, einen grauen Bären. Wir mußten uns wohl zugleich erblickt haben, denn wir gingen auf einander los. Es war ein mächtig großes Thier, aber beinahe ebenso verhungert wie ich. Ich hob meine Büchse und feuerte, die Aufregung mußte mich aber wohl verhindert haben, gut zu zielen. Nachher fand ich, daß meine Kugel sein Schulterblatt getroffen hatte, damals wußte ich dies indessen nicht. Wir rückten auf einander los, bis wir ganz nahe waren. Ich erinnere mich noch seiner kleinen rothen Augen, die nach mir stierten und wie er mit seinen Klauen nach mir schnappte, die mit blutigem Schaum bedeckt waren. Alle Jäger hatten mir von diesem furchtbaren Thiere erzählt – daß Alles vor ihm fliehe, daß Kugeln keine wahrnehmbare Wirkung auf sein Fell übten, und daß sein Angriff gewissen Tod bringe. An alles dieses dachte ich aber damals nicht, ich war nur von der wahnsinnigen Gier nach Nahrung getrieben. Wenn statt eines Bären zwölfe dagewesen wären, würde ich mich auf den nächsten geworfen haben!

„Wir kamen an einander. Hier an dieser Schulter trage ich noch die Narbe der ersten Begegnung. Ich fühlte nichts davon, obgleich sie eine häßliche Schramme zurückließ. Mein erster Stoß mit meinem Jagdmesser drang, wie ich nachher fand, in seine linke Schulter und schnitt eine tiefe Wunde. Wir rangen mit einander. Ich war entschlossen, er sollte mir nicht entwischen. Lieber hier den Tod finden, als im Lager. Mein Gegner schien von demselben Entschluß beseelt zu sein, und Bisse und Stöße wurden mit furchtbarer Schnelligkeit und in vollem Stillschweigen ausgetheilt. Wir fochten denselben furchtbaren Kampf. Der Hunger hatte uns beide zur Verzweiflung getrieben. O Brutus, wie fehltest du mir da! Hättest du mir nur fünf Minuten beistehen können, wie wäre mancher schwere Biß, manche häßliche Schramme erspart geblieben.

„Endlich warf ein wohlgezielter Stoß oder der starke Blutverlust den Bären nieder. Gleich war ich auf ihm. Die Anstrengungen, die er mit seinen furchtbaren Klauen machte (eine davon habe ich noch zu Hause), nahmen mir fast die Kräfte, aber mein Messer war doch noch wirksamer als sie. Ich weiß nicht, wie lange dieser Kampf dauerte; glücklicher Weise packte er mein Pulverhorn und zerrte es zwischen seine Zähne. Ich hatte die Geistesgegenwart, es noch weiter in seine Kehle mit meiner linken Hand hinabzustoßen, während die rechte mit dem Messer in seiner Seite arbeitete. Bald fand ich, daß Erstickung eintreten müsse, wenn ich diese Operation lange genug fortsetzte. Wie ich meinen Platz auf seinem Leibe behauptete, weiß ich nicht, denn seine Anstrengungen und sein Sträuben waren furchtbar. Ich hielt aber aus, und bemerkte endlich, daß sie nach und nach weniger häufig und stark wurden. Noch ein Paar Augenblicke, und noch ein Paar Stöße beendeten den Kampf und mein Feind lag todt vor mir. Ihr könnt Euch denken, was ich zuerst that. Wäret Ihr an meiner Stelle gewesen, Ihr hättet ebenso gehandelt. Aus seinem noch zuckenden Fleisch schnitt ich Stück auf Stück und verschlang es so roh und blutig es war. Dann dachte ich an meine Gefährten. Einen Theil von dem Bären nahm ich mit mir, verbarg es in der Nähe und wartete dann ruhig auf die Rückkehr der Andern. Endlich kamen sie an, Einer nach dem Andern, Joe Winn zuletzt. Obwohl mir meine Wunden sehr unangenehm waren, so hatte ich doch beschlossen, Winn für seinen Todtschlag meines Hundes zu bestrafen und nahm deshalb eine so ernste Miene an, als es mir unter diesen Umständen nur möglich war. Die Jagd der Andern war wie gewöhnlich erfolglos ausgefallen und Joe’s Gesicht war voll Angst und Schrecken. Sobald der Bericht abgestattet war, wandte ich mich zu Winn.

„Nun, Joe, Ihr habt den Bericht gehört. Seid Ihr zu heute Abend fertig?“

„Ich weiß nicht, ob das Blut an meinen Kleidern mich verrieth, oder ob ihm die zufriedene Miene, die ich doch nicht ganz verbergen konnte, Trost einflößte, er faßte mich scharf in’s Auge, fiel dann plötzlich auf die Knie nieder und rief zwischen Angst und Freude schwebend aus: „O Gott, ich bin gerettet! Ich bin gerettet! Tom hat was geschossen. Seht seine Kleider an, seht das Blut an seinem Haar und um seinen Mund an. O du mein Herrgott, ich bin gerettet.“

„Dabei sprang der Elende wieder in die Höhe und jubelte und tanzte im Kreise umher. Die Andern hatten gar nicht Zeit, das Letzte zu hören, denn er hatte mich dabei zugleich ergriffen und tanzte mit mir wie ein Comanche umher. Ich mußte daher erst ihre Zweifel lösen, indem ich ihnen von meinem Glück erzählte und daß ich ein Stück Fleisch mitgebracht und nahe beim Lager verborgen habe.

„Nun Jungens wißt Ihr woran Ihr seid. Es hätte sich nicht für Euch geschickt, daß Ihr Euch wie Wölfe verschlingt, das würde Euch doch hart angekommen sein. Wenn Ihr mit mir gehen wollt – und hier brachen alle auf – so will ich Euch den Platz zeigen, wo ich’s verborgen habe. Aber geht ordentlich daran und nehmt jetzt nur ein Stück und nachher mehr. Da unter dem Strauche. Nicht so hastig!

„Wenn Ihr jemals eine Flucht wilder Tauben durch die Wälder habt sausen sehn oder wenn Ihr jemals ein Volk Rebhühner gesehen habt, das der Habicht verfolgt, oder wenn Ihr ein Dutzend Pferde, die zum Rennen abliefen, beobachtet habt, so könnt Ihr Euch einen Begriff von dem Rennen machen, das nun folgte. Ich dachte, ich sollte vor Lachen bersten. Und wer meint Ihr wohl, wer zuerst da war? – Joe Winn!

„Die ganze Nacht hindurch erscholl das Lager von Witzen über den armen Joe und ein schallendes Gelächter folgte jedesmal, wenn er ab und zu in kläglichem Tone sagte: „Lieber Tom, ich will für Euch Alles thun, was Ihr nur auf der Welt wünscht. Sagt es, Tom. Warum wollt Ihr’s nicht sagen?“

„Am nächsten Tage brachen wir nach dem Rest des Bären aus, und nachdem wir Alles, aus Furcht, es könne uns fehlen, sorgsam eingepackt hatten, zogen wir heimwärts. Unser Vorrath reichte so lange bis wir Wildpret fanden und endlich kamen wir glücklich in unsern Pflanzungen an.“




Beruf und Bildung des Weibes.

Auch die Frauen bedürfen wie die Männer einer Vorbildung für’s Leben, um ihre Stellung darin gehörig ausfüllen zu können. Zum Theil übernimmt zwar das Leben selbst, die Gesellschaft oder auch das Haus, dieses Geschäft, aber doch nicht immer und oftmals nicht auf die rechte Weise. Auch reicht die Bildung, welche Schulen oder Erziehungsanstalten dem in’s Leben eintretenden Mädchen mitgeben, zu diesem Zwecke selten aus, bedarf wenigstens der Wiederauffrischung und Fortsetzung. Es geht den Frauen auch darin oft wie den Männern, daß sie Manches gelehrt bekommen, was sie für ihren eigentlichen Lebensberuf nicht brauchen können und dagegen Vieles nicht lernen, was sie so nöthig brauchten. Aber den Mann zwingt der äußere Beruf und leitet ihn zugleich an das Versäumte nachzuholen, bei den Frauen fehlt dagegen nur zu oft im spätern Leben diese Anleitung und dieser Anstoß von außen, und so bleiben sie gar häufig von jener Bildung fern, welche gleichwohl erst die Frau vollständig zu dem macht, was sie sein soll.

Der Beruf der Frau ist ein dreifacher, denn 1) sie soll einem Hausstande, einem kleinern oder größern, einem eigenen oder fremden vorstehen; 2) sie soll die Erziehung von Kindern, als Mutter oder Schwester, als Verwandte oder Erzieherin von Fach leiten; 3) sie soll Mitglied eines geselligen Kreises sein und als solches ihren Platz ausfüllen, von dem engsten, traulichsten Kreise der Familie an bis zu den weitesten Kreisen der großen Gesellschaft. – Jede dieser Berufsstellungen erfordert zu ihrer rechten Ausfüllung eine entsprechende Bildung, d. h. die Erwerbung gewisser Kenntnisse und die Fähigkeit diese richtig anzuwenden.

Zur zweckentsprechenden Führung eines Haushaltes gehören Kenntnisse von den Naturkräften und Naturprocessen ebensowohl derjenigen, die außerhalb wie auch derjenigen die innerhalb

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_305.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)