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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

leugnen, daß bei erster Einführung von Maschinen, in dem Augenblick wo sie die Handarbeiten zu ersetzen beginnen, gewisse Klassen von Arbeitern unter dieser Veränderung leiden. Ihr ehrenwerther, ihr mühsamer Erwerb ist fast plötzlich vernichtet. Selbst Diejenigen, welche in dem alten Verfahren am Geschicktesten waren, besitzen oft nicht die Eigenschaften, welche das neue Verfahren erfordert. Es ist selten, daß sie auf der Stelle dazu gelangen, sich wieder in andere Arten von Arbeiten hineinzufinden. Soll man daraus nun auch nicht folgern, daß die Welt stehen bleiben müsse, so soll doch die Welt nicht taub sein für die traurigen Ursachen des Fortschritts.

Die Staatsgewalt verfehlt selten, neue Erfindungen, auf welche sie immer ihr Auge gerichtet hatte, mit Steuern zu belegen; die ersten derselben sollten nun dazu dienen, um besondere Werkstätten zu eröffnen, wo plötzlich brotlos gewordene Arbeiter während einiger Zeit eine ihren Kräften und ihrer Einsicht angemessene Beschäftigung finden. Dieses Verfahren ist bisweilen mit Erfolg eingeschlagen worden; es bliebe also übrig, selbiges allgemeiner einzuführen. Die Menschlichkeit macht es zur Pflicht, eine gesunde Staatsweisheit räth es an; nöthigenfalls könnten auch schreckliche Ereignisse, deren Andenken die Geschichte aufbewahrt hat, dies Verfahren von Seiten der Vorsicht empfehlen.

Gemachten Einwürfen, daß die Fortschritte der Mechanik die arbeitende Klasse in gänzliche Unthätigkeit versetzen, sind ganz entgegengesetzte Schwierigkeiten gefolgt. Indem die Maschinen in den Fabriken alle schwere Arbeit beseitigen, gestatten dieselben, dort Kinder beiderlei Geschlechts in großer Anzahl zu beschäftigen. Habsüchtige Fabrikanten und Aeltern mißbrauchen oft diesen Umstand. Die Arbeitszeit überschreitet oft das vernünftige Maß. Gegen eine tägliche Lockspeise von acht bis zehn Centimes, giebt man Seelen, denen einige Stunden Unterricht viel genützt hätten, einer ewigen Verdummung preis; man verurtheilt zu schmerzlicher Verkrüppelung Organe, zu deren Entwickelung die freie Luft und die wohlthätige Wirkung der Sonnenstrahlen nothwendig gewesen wären.



Blätter und Blüthen.

Circassisches Lebens- und Sittenbild. Sobald wir in Bardan (dem Kaukasushafen am schwarzen Meere, von wo die schönen Circassierinnen nach Constantinopel exportirt werden, wie die Georgerinnen von Trebisond) an’s Land stiegen, sahen wir uns von einer großen Menge Circassier umgeben, die uns durch Wälder und Gesträuche und an Teichen hin in ein lang gestrecktes Gefilde führten, wo hölzerne Hütten sich erhoben – die Niederlassungen der Leute. (Wir übersetzen dies aus dem Briefe eines englischen Offiziers.) Sie waren sehr hübsch, groß, schön und zuthunlich und unterstützten uns auf jede Weise, als wir steile Hügel und Waldberge weiter landwärts bestiegen. Unterwegs trafen wir zwei junge circassische Damen, ziemlich vollmondig, aber von der weißesten Farbe und gefällig im Ausdruck. Einer unserer Führer rief ihnen zu, sie möchten ihre Gesichter bedecken. Doch waren sie zu aufgeklärt, diesem Befehle zu gehorchen, so daß sie uns mit derselben Neugier anstaunen konnten, wie wir sie. Die herrlichen Panoramen von Waldungen mit Dörfern dazwischen und schneebedeckten Gebirgen dahinter, will ich nicht beschreiben. Als wir nach dem Meere herab zurückkletterten, begegneten wir einem nobel aussehenden alten Manne zu Pferde mit zwei wunderschönen Mädchen. Als er uns zuerst erblickte, zog er sein Schwert, doch da er uns unbewaffnet sah, nahm er wieder eine friedliche Position an und war ganz glücklich, als er hörte, daß wir Engländer seien. Dann kamen seine beiden Töchter und gaben Jedem von uns sehr reizend und treuherzig die Hand. Die eine war etwa zwölf, die andere vierzehn Jahre alt, die letztere von unbeschreiblicher Schönheit. Blaue Augen, weiße Haut, blondes Haar (Baron von Haxthausen weist in seinem Werke über den Kaukasus nicht nur deutsche Gestalten, sondern auch ganz altdeutsche Sitten und Gebräuche im Kaukasus nach, aus welchem Deutschland auch ursprünglich hervorging). Der alte Vater erzählte uns, daß seine beiden Töchter höchst glücklich sein würden, wenn wir 20,000 Piaster für sie gäben (etwa 1400 Thaler für Beide). Diese Circasserinnen sehnen sich im Allgemeinen eben so sehr nach Constantinopel oder sonst wohin an einen Herrn verkauft zu werden, wie ein deutsches Mädchen unter die Haube. Die schöne Blauäugige bewies dies ohne Weiteres durch ihren bittenden Blick, sie sehnte sich, an den Mann zu kommen. Zu Hause gehen sie in groben Kleidern in der Wildniß umher, werden aber meist in allen möglichen schönen Künsten, besonders in Musik, unterrichtet und mit Erzählungen von den goldenen Dächern, Gemächern und Kleidern Constantinopels erzogen. (Große Sittenstrenge soll dagegen unter den Kaukasiern der Landseite herrschen). Zwei Schiffe, die eben abgingen und denen Weiber und Mädchen aus Büschen hervor nachsahen, enthielten jedes 200 Stück frische Waare für Constantinopel, wie mir ein französischer Offizier erzählte. Die in dem einen Schiffe sollen mehr als 130,000 Thaler gekostet haben. Welch eine Quelle der Demoralisation für Aeltern schöner Töchter ist diese türkische Vielweiberei um’s ganze schwarze Meer herum. Andere Aeltern müssen sich abquälen und thun’s mit Vergnügen, um ihre Töchter mit „Mitgift“ auszustatten; hier erzieht man sie, um sie als Waare zu verkaufen und Geld aus ihnen zu lösen. – Ein Buch mit Ansichten Constantinopels entzückte alle unsere circassischen Gäste und ein Colt’scher Revolver, mit dem ich sechs Mal hinter einander schoß rief ein unendliches Gerufe: „Marschalloh! Marschalloh!“ und jauchzendes Gelächter hervor. Als der alte Vater der beiden Schönheiten ein Bild der „griechischen Sklavin“ erblickte, hielt er die Hand vor die Augen, wie die zarteste armenische Zierpuppe, derselbe alte Held, der seine Töchter gern verkaufen wollte. Die Circassier sind Aristokraten der Wildniß, so groß und schön sehen sie aus, so klein und zierlich sind Hände und Füße. In ihren gelben Kleidern und seidenen Ueberwürfen mit pistolengespickten Gurts sehen sie besser aus, als der geputzteste Zampa auf dem Theater.




Das Entenfangen mit Kürbissen. Das Entenfangen mit Kürbissen ist hier und da schon in Jagdkalendern und Zeitungen gewissermaßen als Scherz oder amerikanische Aufschneiderei beschrieben und behandelt worden, und doch besteht es und zwar sogar in verschiedenen Welttheilen, bei ganz verschiedenen Völkerstämmen und Nationen. Besonders wird es auf Java, und zwar hauptsächlich auf dem wirklichen Djara, der Osthälfte der Insel betrieben, wo in den offenen, von der See gefüllten Lagunen die Eingebornen gar nicht in Schußnähe an das scheue Geflügel hinankommen könnten.

Das Wasser muß aber zu dieser Jagd eine gewisse Tiefe haben, daß sie nämlich nicht zu schwimmen brauchen, sondern gehen können und die in der Nähe eines solchen natürlichen Teiches wohnenden Insulaner lassen nun, wenn sie merken, daß sich die Einen anfangen dorthin zu ziehen, eine Anzahl von Calebassen auf demselben wochenlang herumtreiben, ehe sie ihre Jagd beginnen. Die Thiere müssen sich erst förmlich an dieselben gewöhnen. Ist das geschehen, was gar nicht so lange dauert, so gleiten sie aus einem, ebenfalls schon dafür zubereiteten Versteck von Büschen in das Wasser, nehmen eine dieser Calebassen, in die kleine Löcher zum Durchsehen geschnitten sind, über den Kopf, und bewegen sich nun langsam und vorsichtig, etwa mit derselben Schnelle als eine von der Strömung oder dem Luftzug fortgeführte Calebasse der Stelle zu, wo sie eine Anzahl zusammen herumschwimmen sehen. Zwischen diesen treiben sie durch und fassen dann mit plötzlichem Griff die nächste bei den Füßen, ziehen sie unter Wasser, und stecken sie in einen, an ihrem Gürtel befestigten Sack; der nachfolgt die zweite, dritte und vierte und so weiter, so lange sie nur im Stande sind den ausersehenen Vogel auch fest zu packen und unter Wasser zu ziehen – die umherschwimmenden achten nicht darauf, oder kommen sogar noch eher zu der Stelle hin. Nur wenn der Fänger fehl greift, und die einmal berührte Ente wieder entkommt, ist die Jagd für den Tag vorbei, denn diese fliegt auf und die anderen folgen rasch dem Warnungsschrei.

Auf ganz ähnliche Art fängt auch der australische Wilde die Enten, nur daß er keine Calebassen hat. Auf dem Murray, dem Hauptstrom des Landes, halten sich das ganze Jahr hindurch zahlreiche Ketten von Enten, und in der That jedem anderen Wassergeflügel auf, und der nackte Wilde jener sonst ziemlich wildarmen Strecken weiß ihnen auf sehr geschickte Art beizukommen. Er geht bis an den Hals, oberhalb der Stelle, wo die Enten eingefallen sind, in’s Wasser, und deckt seinen Kopf so mit darum gebundenen Schilfbüscheln, daß er auf dem Wasser einem Busch irgendwo losgerissenen Schilfes gleicht, und treibt dann langsam mit der Strömung den Enten zu, die zu gewissen Tageszeiten entweder dicht am Ufer, oder auf im Strom liegenden Holz ruhig sitzen. In der Hand trägt er aber einen langen dünnen Stock, sehr häufig den zu diesem Zweck vorgerichteten Speer, an dessen unterm Ende eine dünne Schlinge befestigt ist. Ueber den Enten hält er, und weiß nun mit großer Fertigkeit die Schlinge gegen die Wasservögel hinzubringen, indem er fortwährend der Bewegung, die etwa die Strömung auf treibendes Schilf oder auf einen niederschwimmenden Stock ausüben könnte, treu bleibt. Jede Ente der er also im Stande ist, die Schlinge umzulegen, zieht er blitzschnell unter das Wasser, tödtet sie dort rasch, befestigt sie an einem, zu dem Zweck umgeschnürten Stück Bast, und fährt so lange damit fort, bis er ebenfalls einmal fehlgreift und dann die Enten, scheu gemacht, davon fliegen, wonach er sich etwas weiter im Strom niedertreiben läßt, bis er auf eine andere Kette kömmt.

Der Indianer ist, wie das Wild selber, scheu und listig, und beide ringen mit einander um ihre Existenz.

Fried. Gerstäcker.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_332.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)