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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Populäre Chemie für das praktische Leben.
In Briefen von Johann Fausten dem Jüngeren.
Siebenter Brief.
Das Grubengas oder die schlagenden Wetter.


Als Vertreter des mehr belehrenden Elements dieser viel gelesenen Zeitschrift liegt es mir ob, sorgsam Acht zu haben auf die Ereignisse des Tages, der Zeit, in der wir leben, und da, wo es wünschenswerth erscheint, Aufklärung zu geben. So bieten mir die Berichte der neuesten Zeit Stoff zu einigen Unterhaltungen mit dem Leser. Der Gegenstand meiner heutigen Besprechung ist nicht erfreulicher Art; er zeigt uns, wie schwer es hielt, der bessern Einsicht bei den Menschen Eingang und Anerkennung zu verschaffen.

„In den Steinkohlengruben von Arley bei Wigan (Lancashire)“ heißt es in den Zeitungen, „hat am 18. Februar eine Gasexplosion stattgefunden, durch die ein Theil des Schachtes einstürzte und 122 Personen das Leben einbüßten.“ Wahrlich eine lakonische Nachricht, die entsetzliches Unglück verkündet und Stoff darbietet zu einer ganzen Reihe der eindringlichsten Gardinenpredigten gegen die Stumpfsinnigkeit der Menschen.

Gar mannigfaltiger Art sind die Gefahren, mit denen der Bergmann bei seiner beschwerlichen Arbeit im Schoße der Erde, zu kämpfen hat und durch den Kampf mit den feindlichen Elementen erhält sein sinniger Gruß, des Frommen Glück auf! eine innige und beziehungsvolle Bedeutung. Mit oben an unter den gefährlichen, Verderben bringenden Feinden stehen die unathmenbaren Gase, die der Bergmann in seiner eigenthümlichen Sprache die „bösen Wetter“ nennt. Mit dem Ausdruck „Wetter“ belegt er gemeinhin die Luft in den Gruben und je nach ihrer Beschaffenheit spricht er von „guten und bösen oder schlechten Wettern“, und letztere fassen wieder in sich „matte und schlagende.“ Matte Wetter sind solche, die das Athmen beschweren, in denen das Licht erlischt; nicht selten rauben sie dem Armen Gesundheit und Leben. Weit gefährlicher noch sind die schlagenden Wetter, brennbare Gase, die sich am Licht entzünden, und, wenn sie mit atmosphärischer Luft gemischt sind, heftige Explosionen verursachen, die durch die plötzliche Ausdehnung und Zusammenziehung der glühenden und dann abgekühlten Luft bewirkt werden.

Was ist nun die Ursache dieser für die Bergleute so gefährlichen Explosionen der schlagenden Wetter, die zumeist nur in den Steinkohlengruben vorkommen? Die Steinkohlenablagerungen sind, wie bekannt, die Reste einer riesigen Flora der Vorwelt, aus einer Zeit stammend, in der alle Bedingungen, welche das Wachsen der Pflanzen begünstigen – eine hohe Temperatur und eine feuchte, an Kohlensäure reiche Luft – in einem höheren Grade vorhanden waren, als jetzt. Durch verschiedene Umstände überfluthet und tief im Schooße der Erde begraben, unterlag die mit einer schweren Decke belastete feste Holzsubstanz durch die Wärme im Innern der Erde einer Entmischung, wobei zwar die drei Hauptbestandtheile – der Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff – in verschiedenen Verbindungen untereinander entwichen, so aber, daß die beiden letzteren in größerer Menge fortgingen, als der Kohlenstoff, der sich dadurch anhäuft und so den Steinkohlen ihren hohen Werth als Brennmaterial verleiht. Eines dieser Zersetzungsprodukte ist nun auch das Grubengas oder das leichte Kohlenwasserstoffgas, eben die schlagenden Wetter, eine wahre Plage der armen Bergleute. Diese Zersetzung der Steinkohlen dauert selbst noch jetzt fort, und namentlich in den tiefsten Schichten des Lagers wird sie durch die Einwirkung einer höheren Temperatur ungemein begünstigt. Besondere Arten der Steinkohlen, namentlich die besseren sogenannten bauenden Kohlen, zeichnen sich durch eine reichliche Gasentwicklung aus. Durch die zahlreichen Spalten im Innern der Erde verbreitet sich das brennbare Gas weit hin und findet an verschiedenen Orten einen Ausweg. Dergleichen Gasquellen finden wir namentlich in Italien am nördlichen Abhange der Apenninen, Frankreich, England, Mexiko, Persien und noch an vielen andern Orten. Zündet man sie an, so brennen sie gleichmäßig fort. Man hat sie daher mitunter technischen Zwecken dienstbar gemacht und verwendet sie zum Brennen von Bausteinen, von Kalk, zum Abdampfen von Flüssigkeiten, zur Beleuchtung u. s. w. Am Bekanntesten sind die ewigen Feuer von Baku und im großartigsten Maßstabe treten diese Feuerquellen in China auf. Hier entströmt den zahlreichen artesischen Bohrlöchern mit der Salzsoole eine reichliche Menge des Kohlenwasserstoffgases, so daß man zugleich an Ort und Stelle ein billiges Brennmaterial für die Darstellung des Salzes gewinnt. Der Missionair Imbert fand unter anderen eine Anlage, in der über 300 Siedepfannen mit dem brennbaren Gase geheizt wurden.

Andererseits sind aber auch die Steinkohlenlager selbst von zahlreichen Klüftungen, kleinen Höhlungen und Poren durchsetzt, in denen das schädliche Gas zusammengepreßt und eingeschlossen enthalten ist. Durch tausende von kleinen Spalten und Rissen strömt nun das Gas fortwährend in die Gruben ein, besonders bei einem niedrigen Barometerstande, wo also der äußere Luftdruck ein geringerer ist. In Folge dessen dehnt sich das eingeschlossene Gas aus, sprengt die engen Behälter und strömt mit einem wahrnehmbaren Geräusch aus. Durch den Abbau der Kohlen erhält das Gas gleichfalls zahlreiche Wege zur Grube. Eine wie reichliche Entwicklung hierbei stattfindet, sieht man leicht, wenn man frischgeförderte Kohlen mit Wasser übergießt, an den Blasen, die durch das Wasser aufsteigen. Bringt man in die Nähe der Fördertonnen, wenn sie an der Erdoberfläche angekommen sind, ein Licht, so schlägt eine hohe Flamme davon auf. Enthält die Luft in den Gruben genau auf 7–8 Theile einen Theil Kohlenwasserstoffgas, so entzündet sich das Gemisch, sobald man ihm mit einem Lichte zu nahe kommt, mit der heftigsten Explosion, die oft die mühevolle Arbeit vieler Jahre zerstört. Ist das Verhältniß der Luft ein größeres (bis zu 10 Theilen), so ist die Explosion nur eine sehr schwache und darüber hinaus findet keine Entzündung mehr statt. Aehnlich ist es, wenn die Menge des Kohlenwasserstoffgases zunimmt; bei sechs Raumtheilen Luft ist die zerstörende Wirkung eine geringere, und weiter hinunter brennt das Gemenge ruhig ab.

Welches waren nun die Mittel, wodurch die in ihrer Selbstgefälligkeit sich so sehr überschätzende Praxis diesen gefährlichen Feind zu bekämpfen suchte? Im Finstern konnte man nicht arbeiten, Licht mußte geschafft werden. Um solches zu erlangen, ließ man ein stählernes Rad gegen einen Feuerstein schlagen. Aber auch durch die Funken wurden mitunter die schlagenden Wetter entzündet, und andererseits war die Beleuchtung eine so dürftige, daß man trotz aller Gefahr seine Zuflucht wieder zur Kerze und Lampe nahm. Namentlich in England mehrten sich vor 30 bis 40 Jahren die Unglücksfälle in einer wahrhaft schreckenerregenden Weise; die Presse brachte alle einzeln zur Sprache, um die hartherzigen Grubenbesitzer endlich zu zwingen, wenn nicht aus Menschlichkeit, wenigstens aus Scham für den Unterhalt der zahlreichen Wittwen und Waisen derjenigen Bergleute zu sorgen, die in ihrem Berufe ihr Leben geopfert hatten.

Die Praxis hatte sich vollkommen unfähig gezeigt, dem Elend wirksam zu steuern. Nicht umsonst erging dazu die Aufforderung an die Wissenschaft und dadurch wurde dem berühmten englischen Chemiker Humphry Davy Gelegenheit gegeben, zu zeigen, daß trotz des Goethe’schen Wortes, das man noch heute wohlgefällig im Munde führt, obgleich es bereits unzählige Male widerlegt worden, die Theorie doch nicht immer grau sei, wie der Esel des Buridan. Davy widmete der schwierigen Aufgabe, die Gruben zu beleuchten, ohne das Gasgemenge in denselben zu entzünden und so das Leben der Arbeiter sicher zu stellen, mehrere Jahre. Eine lange Reihe von mühsamen, rein wissenschaftlichen Untersuchungen über die Eigenschaften der entzündlichen Luftart, so wie über die Natur der Flamme und die Bedingungen, unter denen diese sich mittheilt und weiter verbreitet, führten ihn Schritt vor Schritt vorwärts, bis er endlich der königlichen Gesellschaft in London am 25. Februar 1815 verkünden konnte, daß er ein sicheres Mittel gefunden habe, fernere Unglücksfälle zu verhüten.

Seine Versuche hatten gelehrt, daß das Grubengas unter allen luftförmigen Körpern am schwersten zu entzünden sei, und daß ein Gemenge desselben mit Luft durch eine rothglühende Kohle nicht in Brand gerathe. Diese Beobachtung gab den Fingerzeig, daß durch Abkühlung der Flamme die Gefahr in den Bergwerken

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_338.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2022)