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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Wasserstrahl bis in das Lichtdach des Saales und spielt hernieder auf acht kleinere convergirende Strahlen. Unter den Maschinen erregt eine kolossale Elektrisirmaschine, die größte, die jemals construirt ward, das meiste Erstaunen[WS 1] und in ihren Anwendungen die reichste und in größten Maßstäben ausgeführte Einsicht in alle möglichen Wirkungsweisen der Elektricität und des Magnetismus.

Die Kraft der von der Maschine auf Leydener Flaschen gezogenen Electricität ist so groß, daß man mit einer einzigen Entladung den Blitz des Gewitters in voller Gewalt anschaulich machen kann. Große Hunde hat man schon mehrmals mit einem einzigen dieser Blitze so erschlagen, daß sie sofort gründlich und unwiderruflich todt waren. Wir setzen hier die Bekanntschaft mit der Construktion und Erzeugungs- und Sammlungsart von Elektricität dieser Maschine voraus; wenigstens halten wir dies nicht für den Platz, uns näher darauf einzulassen, da wir uns ein Totalbild des ganzen Instituts verschaffen wollen. Eine besondere Abbildung der Maschine giebt uns eine Vorstellung von deren kolossalen Dimensionen, wenn wir sie in ihren Verhältnissen zu den in genauer Proportion dazwischen dargestellten erwachsenen Menschen betrachten, und die einzelnen in Betracht kommenden Theile sind so sichtbar, daß jeder Sachverständige dem Laien Aufklärung und Einsicht in den ganzen Prozeß und die Funktionen der einzelnen Theile verschaffen kann.

Die große Elektrisirmaschine im Panoptikon.

Hinter der riesigen Electrisirmaschine erhebt sich eine prachtvolle, kolossale Orgel, welche in verschiedenen Zwischenräumen die Besucher nach der Andacht des Lernens und der praktischen Wissenschaft in die erwärmende und herzerweiternde Andacht feierlicher Musik erhebt. Die Orgel gilt als eins der vollkommensten Meisterwerke, in welchem alle die neuen und neuesten Erfindungen und Verbesserungen für diese Sphäre angewendet wurden. An einer andern Stelle finden wir ein prächtiges Amphitheater mit Sitzen ringsum, die sich nach der Mitte senken – zu Vorträgen mit praktischen und experimentalen Erläuterungen. Anderswo reihen sich niedliche Verschläge zur Ausstellung von Industrie- und Erfrischungsgegenständen und der Rohstoffe in ihren verschiedenen Graden von Wertherhöhung und Veredelung durch menschlichen Geist, so daß wir ein und dieselbe Quantität von Stoff, roh 1 Penny werth, bis zum Werthe von einem Pfund Sterling durch Industrie und Kunst erhöht sehen, um 240 und mehr Procent. Giebt es doch Rohstoffe, welche bis zu einer Wertherhöhung von 500 und mehr Procent durch den Geist des Menschen und seine geschickte Hand hindurchgehen. Ein Stück Eisen kann in einer Tuchnadel, ein Stück Bronce in der Statuette, ein Viertel Loth Flachs im Batisttuche um mehr als 1000 Procent veredelt erscheinen.

Von der zweiten Galerie steigen wir eine Treppe hinab, in die theoretische und praktische Akademie photographischer Kunst, aus andern Thüren in besondere Hörsäle und Auditorien, in Gemälde-Galerieen, Lesehallen und Kunstzimmer verschiedener Art. Im südlichen Flügel finden wir den Hörsaal und die Ausstellung für streng wissenschaftliche Vorträge und Gegenstände in wundervoll praktischer Structur, so daß jeder Besuchende mit Aug’ und Ohr überall ganz nahe ist und genau sehen und hören kann.

Mit einem Worte ist das Panoptikon die erste, moderne Volks-Universität für modernes, allseitiges, theatralisches und praktisches Wissen aller Art mit praktischer Aesthetik und Cultur, wo das Lehren und Lernen, die Veredelung des Sinnes und Herzens, von aller Pedanterei und „allen Wissensqualen entladen“ wie ein Spiel, wie eine Erholung nach des Tages Müh’ und Arbeit genossen wird, die Wissenschaft, Kunst und Industrie mitten auf dem Markte des Lebens Jedem zugänglich. Schulen und Privatunterrichtsanstalten, denen Anschaffung kostbarer naturwissenschaftlicher Apparate oft unmöglich ist, finden hier für eine Kleinigkeit die vollkommensten Instrumente mit entsprechenden Räumen zur Verfügung, oder können sich dieselben für verschiedene Zeiträume leihen. Jede neue Erfindung findet hier sofort Raum und Gelegenheit, sich zu zeigen und bekannt zu machen und so Mittel und Personen zur Ausführung von neuen Ideen und Patenten zu gewinnen. Die neuesten Erfindungen und Verbesserungen des Auslandes und alle, die nicht von selbst kommen, werden sofort eingeführt und zur Schau gestellt, um sie durch Anschauung und Erläuterung immer möglichst bald zum Gemeingut der Massen zu machen. Männer der Wissenschaften und Künste, die auf eigene

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Estaunen
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_641.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)