Seite:Die Gartenlaube (1855) 203.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Bemerkt er einen umgeworfenen Baumwollenbaum, so untersucht er ihn, ob es vielleicht ein Biber war, der den Baum gefällt hat, um damit den Strom aufzudämmen. Ebenso ist die Spur des Thieres im Sande längs dem Flußufer Gegenstand seiner genauen Nachforschung, und wenn die Spur frisch ist, so stellt er die Falle auf dem Wege des Thieres auf, verbirgt sie unter dem Wasser und befestigt sie mit einer starken Kette entweder an einen Pfahl, der im Sande eingerammt ist, oder an einen starken Strauch oder Baum. Ein Floß von leichtem Holz wird an die Schnur mit einem mehrere Fuß langen Tau festgebunden, damit es, wenn der Biber die Schnur mit sich fortreißen sollte, auf dem Wasser oben auf schwimmend die Richtung anzeige, in welcher der Biber sich entfernt hat. Der Köder an der Schnur, welcher recht naiv „die Medicin“ heißt, ist eine ölartige Substanz, welche man von dem Biber selbst erhält (Bibergeil). Diese Medicin bekommt, wie so manche andere Medicin, auch dem armen Biber nicht gut. Der Jäger taucht in dieselbe einen Stock und legt diesen quer über die Schnur; wenn nun der Biber, gelockt durch den Geruch, das Ding näher untersuchen will und zu dem Ende einen seiner Füße in die Falle steckt, dann ist die Sache gemacht, und das Thier ist „a gone beaver“, ein in die Falle gegangener Biber. Entdeckt der Jäger ein Bibernest, so setzt er die Falle auf den Rand des Dammes, ungefähr dahin, wo er glaubt, daß der Biber vom tiefen zum seichten Wasser taucht. Früh am Morgen besteigt nun unser Jäger sein Reitpferd, um nach den Fallen zu sehen. Er zieht den gefangenen Thieren sogleich die Haut ab, packt die Schwänze, welche von besonderem Werth sind, sorgfältig ein und spannt die Felle aus, um sie zu trocknen; das Fleisch nebst den Eingeweiden wird mit großer Behutsamkeit abgeschabt und gereinigt. Sind die Felle trocken, so werden sie in viereckiger Form, mit dem Pelzwerk nach innen, zusammengelegt, in Packen, deren jeder gewöhnlich 10 bis 20 Stück enthält, gebunden und so fest als möglich zusammengepreßt, so daß er für die bequemere weitere Fortschaffung geeignet ist.

Während der ganzen Dauer der Jagdzeit wandert der furchtlose Jäger trotz der Nähe der Indianer rund herum zur Aufsuchung von „Zeichen“. Seine Nerven sind immer gespannt, seine Geistesgegenwart muß er immer rege erhalten. Nach allen Seiten fliegen seine Adleraugen und augenblicklich entdeckt er jeden auch noch so unbedeutenden auffälligen Gegenstand, der ihm auf seinen Wegen entgegentritt. Ein umgewendetes Blatt, ein niedergetretener Grashalm, die Unruhe der Thiere, der Flug der Vögel sind für ihn Begebenheiten, gezeichnet mit der sichern Hand der Natur in deutlichster Sprache.

Der Indianer wendet alle seine Kunstgriffe an, um den weißen Jäger irre zu führen und über ihn zu triumphiren; dieser aber verbindet trotz aller seiner Roheit mit dem natürlichen Instinkt des Pionierers den Vortheil von wenigstens einigen Wohlthaten der Civilisation und entgeht dadurch gewöhnlich den plump angelegten Plänen der Indianer. Nicht selten sind freilich seine Vorsichtsmaßregeln doch vergebens. Wenn der Indianer die Stelle ausfindig gemacht hat, wo der Biberjäger seine Fallen aufstellte, so schleicht er sich wie eine Schlange spurlos dahin und verbirgt sich in den Büschen, bis sein Opfer erscheint. Der Pfeil fliegt vom Bogen und bei so kurzer Entfernung verfehlt derselbe selten sein Ziel. Das Geschwirr des Pfeils ist von dem Jäger kaum vernommen, so fühlt er auch schon die Spitze in seinem Herzen und der jubelnde Wilde hat eine weiße Kopfhaut mehr zur Ausschmückung seines Wigwam (Hütte). Im Ganzen ist aber, wie gesagt, der Vortheil doch auf Seiten der Biberjäger, und wenn die Jagd zu Ende ist, so haben diese für jeden verlorenen Kameraden Dutzende von rothen Kopfhäuten auf ihren verschiedenen Sammelplätzen in den Lagern vor den Handelsforts aufzuweisen.

Die Schilderung eine solchen Lagers und die Geschichte des alten Schweden in einer nächsten Nummer.




Nr. 2. Taubenjagden.

Die amerikanischen Wälder sind noch erfüllt mit zahllosen Schaaren wilder Tauben. Gegen Norden findet man sie bis zur Hudsons Bai, und südlich in den Forsten von Louisiana und Texas in gleicher Masse. Der Naturforscher Audubon berechnet, daß er eine Schaar von mehr als einer Billion beisammen gesehen, und Wilson sagt, daß er eine solche auf 2230 Mill. geschätzt habe. Sie bauen ihre Nester auf hohen Bäumen, die nicht selten hundert solcher enthalten, in denen sich meistentheils zwei Junge befinden. In Kentucky ist eine dieser Brutstätten 40 Meilen lang und stellenweise auch ebenso breit. Am Liebsten bauen sie in der Nähe von Strömen und Bächen und auf Bäumen, deren Zweige über dem Wasser hängen.

Die Vögel sind etwas kleiner als unsere Haustauben und schieferfarbig, die Farbe der Männchen ist indessen tiefer als die der Weibchen, und ihre Halsfedern schillern in herrlichem Grün, Gold und Purpurroth. In der Gefangenschaft und selbst unmittelbar, nachdem sie geschossen werden, verschwinden diese Farben.

Ihre Brutstätten sind begreiflicher Weise mit einer Menge Feinde umgeben. Zahllose Habichte und Geier holen sich die Jungen aus den Nestern, selbst der weißköpfige Adler verschmäht dies nicht, unten auf dem Boden lauern Füchse, Wölfe, wilde Katzen, Rackuns, Cougars, Luchse, Dachse und schwarze Bären auf sie, und massenweise tödtet sie der Mensch durch seine Schußwaffen oder durch Fällen der Bäume, die Farmer bringen oft Wagenladungen nach Hause.

Diese Jagden werden meistentheils bei Fackellicht angestellt, wenn die Vögel von ihrer Fütterung nach ihren Nestern zurückkehren, und gewähren ein ungemein lebendiges Schauspiel. Das Rauschen der Flügel tönt wie dumpfer Donner, dann folgen die Schüsse und Rufe, Frauen und Kinder jauchzen vor Freude, dazwischen das Gebell der Hunde und Wiehern der Pferde, das Krachen der Zweige und der Wiederhall von der Axt der Holzschläger, Alles mischt sich wild durch einander und bringt eine stete Aufregung hervor.

So zahllosen Feinden, sollte man glauben, müßten diese Vögel gar nicht widerstehen können, aber sie vermehren sich ebenso schnell als sie abnehmen, und die Jagd auf sie ist nicht ihre größte Gefahr. Diese besteht vielmehr in dem Mangel an Nahrung. Wilson berechnet, daß die Schaar, welche er gesehen, täglich achtzehn Millionen Scheffel Getreide erfordern würde, um sich zu erhalten, sie könnten dies daher gar nicht, wenn ihnen nicht die Wälder mit ihren Buchnüssen und vielfachen Beeren zu Hülfe kämen. Im Norden leben sie fast nur von Wachholderbeeren. Im Süden verschlingen sie natürlich das Wälschkorn, den Reis und die Wallnüsse der Pflanzungen mit Begierde, den größten Theil ihrer Speise bilden jedoch im Allgemeinen die Buchnüsse. So lange die Buchen Amerika’s ihre Millionen Scheffel Nüsse herabschütteln, werden auch die zahllosen Schaaren von Tauben dort existiren.

Halbjährlich wandern sie, aber nicht wie andere Zugvögel zu regelmäßiger Zeit. Sie führen vielmehr ein nomadisches Leben und richten ihren Abzug nach dem Maaße ihrer Nahrung. Wenn im Norden viel Schnee fällt, sieht man ihre zahllose Schaaren über Ohio nach Kentucky und dort durchschwärmen sie dann die Wälder nach Futter.

Bei Tage sind die alten Vögel schwer zu schießen. Wenn man ihnen auch auf hundert Schritt nahe gekommen ist und sie sicher zu treffen hofft, so verschwinden sie plötzlich wieder, und ebenso wissen sie sich auf die Bäume zu retten, wenn diese auch zuweilen ganz schwarz von ihnen sind. Deshalb sucht man sie durch Fackellicht zu blenden.

Als ich in Cincinnati war, wurde ich einmal zu einer Jagdparthie, 60 Meilen von da, eingeladen, und dort machte ich auch eine sehr vergnügliche Jagd auf Tauben mit, die eben auf ihrer Wanderung angekommen waren. Unsere Jagdgesellschaft wurde in zwei verschiedene Theile mit gleich viel Schützen getheilt, und die Damen sollten die Parthie begleiten, welche die größte Anzahl von Vögeln bringen würde. Außerdem fielen ihnen auch die weiteren Privilegien, die Partnerschaft bei Tische und beim Tanz zu.

Das stachelte uns natürlich nicht wenig. Am ersten Tage theilten sich auch die Damen, von denen mehrere leichte Vogelflinten führten.

Meine Partei hatte außer diesen acht Gewehren, Doppelflinten und Büchsen. Die letzteren waren nicht unnütz, denn die Inhaber derselben konnten doch mit Sicherheit darauf rechnen, jedesmal einen Vogel zu treffen, während wir mit unsern Flinten, die wir auf die Masse zu speculiren hatten, oft von dieser genarrt wurden und nicht zum Schuß kamen, oder fehlten, weil die Tauben zu weit entfernt waren. So bemühten wir uns unablässig, bis die Vogel gegen Abend verschwanden. Wir hatten 640 Stück und eilten freudig damit nach Hause, aber unsere Gegner hatten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_203.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)