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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Schwabe, ihr unentgeltlich anbot. Nun wurde sie an den Ufern des Rheins begraben. –

In ihrem Nachlasse fand man ein Gedicht vom 20. Februar 1809, „Die wechselnden Gefährten,“ der Feier ihres Hochzeitstages geltend. Es hat mehr persönliches als dichterisches Interesse, wie denn auch ihre in den Horen von 1799 abgedruckten Gedichte: „Die Capelle im Walde“ und „Eine Nonne“ mehr Formensinn als dichterische Kraft verrathen. –

Der Herausgabe von Schiller’s Briefwechsel mit Goethe war sie eigentlich entgegen; sie betheiligte sich nicht daran und überließ es ihrer Schwester Caroline, die deswegen mit Cotta und Goethe in Briefwechsel trat. –

Wir könnten jetzt noch viele schöne Geistesblüthen aus ihren Briefen auf ihr Grab streuen, doch einen schöneren Grabesschmuck kann sie nicht haben als die Worte:

Charlotte von Schiller
war eine edle, tugendhafte Gattin und Mutter, eine rechtschaffene Freundin; – der treue Erdenengel von Deutschlands edelstem Dichter!




Der Blüthenstaub.

Wie vieles Andere in der Natur, woran man im gewöhnlichen Leben gleichgültig vorüber zu gehen pflegt, ist auch der Blüthenstaub ein höchst interessanter und beachtenswerther Gegenstand, indem von seinem Dasein die Existenz des Menschen zum großen Theil abhängt. Eben deshalb dürfte eine nähere Beschreibung desselben und seiner Bestimmung in diesen Blättern an ihrem Platze sein. Ich darf wohl als bekannt voraussetzen, daß man mit dem Namen Blüthenstaub jene feine, verschiedenartig gefärbte, staubartige Masse bezeichnet, die sich im Innern der hohlen, beutelförmigen Organe befindet, welche in keiner vollständigen Blume fehlen und daselbst meist auf zarten Stielen befestigt sind. Man nennt jene hohlen Organe in der Wissenschaft Staubbeutel oder Antheren, den Stiel den Staubbeutelträger oder Staubfaden und den ganzen Apparat ein Staubgefäß. Wenn Sie sich das Bild einer Lilie oder Tulpe vergegenwärtigen wollen, so werden Ihnen sogleich die sechs großen, langgestielten Staubgefäße, welche um den im Centrum der Blume befindlichen Stempel herumstehen, in die Augen fallen, und bei diesen Blumen haben Sie gewiß auch schon den Blumenstaub bemerkt, da derselbe in außerordentlich großer Menge in den Staubbeuteln enthalten ist und nach deren Aufspringen die Außenfläche derselben als dicke Staublage, bei der weißen Lilie von gelber, bei der Feuerlilie von rothbrauner, bei der Tulpe von graugrüner Farbe überzieht. Aber selbst der kleinsten und unansehnlichsten Blume dürfen die Staubgefäße nicht fehlen, wenn sie ihre Bestimmung, eine Frucht hervorzubringen, erfüllen soll.

Der Blüthenstaub wird durch die Lebensthätigkeit der Staubbeutel in deren Innern erzeugt. Nachdem er seine vollständige Ausbildung erlangt hat, öffnen sich die Staubbeutel, indem sich entweder Spalten oder Löcher an bestimmten Stellen ihrer Wandung bilden. Durch diese Oeffnungen entweicht nun der fertige Blüthenstaub; nicht selten wird er durch das plötzlich erfolgende Aufspringen und elastische Zurückschnellen der Staubbeutelwandung mit solcher Gewalt ausgestreut, daß die ganze Oberfläche der Blume mit demselben bedeckt erscheint. Das Aufspringen der Staubbeutel erfolgt gewöhnlich zu derselben Zeit, wo sich die Blumenknospe zu öffnen beginnt und deshalb findet man in den meisten vollständig aufgeblühten Blumen entleerte Staubbeutel. Seltner springen die Staubbeutel erst nach dem Aufblühen der Blume, noch seltner schon in der Knospe auf. Letzteres ist z. B. bei den blauen Glockenblumen (Campanula der Fall. Nach dem Entleeren des Blüthenstaubes hat der Staubbeutel und überhaupt das Staubgefäß seine Bestimmung erfüllt; es verwelkt und geht zu Grunde. Der Blüthenstaub beginnt nun aber erst die ihm obliegende Verrichtung auszuführen, welche keine andere ist, als die im Innern des sogenannten Fruchtknotens, d. h. des untern verdickten Theiles des im Mittelpunkte der Blume befindlichen Stempels oder Pistilles, enthaltenen Anfänge der zukünftigen Samenkörner, oder die Eier zu befruchten. Ueber diesen höchst merkwürdigen Vorgang werde ich vielleich ein anderes Mal meinen Lesern das Nähere mittheilen, heute wollen wir uns blos mit dem Blüthenstaube selbst beschäftigen.

Der Blüthenstaub, in der Sprache der Wissenschaft Pollen genannt, erscheint dem bloßen Auge, wie schon sein Name verräth, als eine feine staubartige Masse. Betrachtet man ihn aber unter dem Mikroskop, so gewahrt man, daß derselbe aus lauter einzelnen Körnern besteht, welche man in der Wissenschaft Pollenkörner oder Pollenzellen nennt. Ein jedes solches Körnchen ist nämlich weiter nichts als eine einzelne isolirte Pflanzenzelle. Bei der Mehrzahl der Pflanzen haben diese Pollenkörner eine kugeliche oder länglich-runde Gestalt, seltner sind sie linsenförmig zusammengedrückt. Es kommen aber auch höchst merkwürdige Formen vor, und manche der Leser und Leserinnen dieser Blätter würden gewiß in hohem Grade erstaunen, wenn sie den Staub gewisser, zum Theil sehr unscheinbarer Blumen bei ein- bis dreihundertfacher Vergrößerung erblickten. Die Pollenkörner mancher Pflanzen bieten rein geometrische Gestalten dar, indem sie vierseitig (tetraëdrisch), würfelförmig, zwölfeckig (dodekaëdrisch), prismatisch u. s. w. sind. Die Pollenkörner der Tanne sehen aus, wie zwei durch ein Band mit einander verbundene Kugeln, diejenigen des rauchhaarigen Weidenröschens (Epilobium hirsutum) sind dreieckig-kugelig und mit langen Fäden besetzt, diejenigen des im Meer wachsenden Seegrases, dessen man sich zum Ausstopfen und Polstern bedient, haben eine schlauch- oder fadenförmige Gestalt. Der beigedruckte Holzschnitt enthält die in stark vergrößertem Maßstabe entworfenen Abbildungen sowohl gewöhnlicher als einiger der auffallendsten Formen von Pollenkörnern. Fig. 1 sind Pollenkörner eines Leinkrautes (Linaria); Fig. 2 Pollenkörner der Dattelpalme; Fig. 3 ist ein Pollenkorn der Weißtanne; Fig. 4 ein solches der gemeinen Saudistel; Fig. 5 eines von der Passionsblume; Fig. 6 ein im Keimen begriffenes (s. unten) Pollenkorn von Epilobium hirsutum. Die Pollenkörner Fig. 4 und 5 haben ein ungemein zierliches Aussehen. Dies kommt von ihrer äußeren Haut her. Mit Ausnahme der Pollenkörner der unter dem Wasser blühenden Wassergewächse besteht nämlich die Wandung eines jeden Pollenkornes aus zwei in einander geschachtelten Häuten. Die innere Haut ist farblos, durchsichtig und überall gleichmäßig ausgebildet, die äußere Haut dagegen ist sehr häufig gefärbt, und bei sehr vielen Pflanzen an ihrer Außenfläche mit höchst verschiedenartig gestalteten Auswüchsen, als Haaren, Stacheln, Leisten, Warzen u. dergl. m., alle natürlich von mikroskopischer Kleinheit besetzt, welche ganz regelmäßig angeordnet sind. Die vorragenden Leisten pflegen fast immer zu solchen zierlichen netzförmigen Maschen, wie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_265.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)