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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

als ein Dutzend Rackuns werth sind, so läßt man dies gewöhnlich bleiben.

„Wie ich Euch sagen, Massa, kuck dar! Der’s der Boom is dick wie’n Heuhaufen.“

Ich sahe nach der Richtung, welche er bezeichnete, und sahe Pompo an der Wurzel eines großen Baumes stehen, an dessen Wurzel er unaufhörlich anschlug und wedelte.

„Wat da sein, Pompo,“ rief jetzt plötzlich Abe aus, „du dummes Zeug machen – dat Wurm nich da sein. ’Kun nie nich auf einen Knoppboom klettern – dat besser wissen sollen, oller Narre!“

Dies richtete meine Aufmerksamkeit auf den Baum. Ich erkannte in ihm eine Sycamore (plantanus occidentalis) und erfuhr darauf von Abe, daß deren Rinde dem Rackun zu glatt sei und er die Eichbäume, Pappeln und Ulmen vorziehe.

„Potz Blitz, er doch da sein,“ rief Abe aus. Kuckt dar, Massa! Er auf dem alten Weinstock rufgeklettert sein! Hatt’st doch Recht, Pompo, und Nigger der olle Narre. Hi–uz, olle Hund, hi–uz!“ – Jetzt sahe ich, daß eine Schlingpflanze von der Lianen-Art, die sich um den Baum schlang und bis an dessen Spitze hinaufschlängelte, dem Rackun als Leiter gedient hatte.

Diese Entdeckung half uns indessen nichts. Der Rackun war fünfzig Fuß hoch in seiner Höhle, wo der Sturm einmal den Baum abgebrochen hatte und sich eine weite Höhlung zeigte. Ihn zu fällen, wäre Wahnsinn gewesen und wir verließen ihn daher, um eine neue Jagd zu beginnen. Pompo trieb auch alsbald einen zweiten Rackun aus dem Kornfelde, aber wieder sprang es über den Zaun und nach dem Walde. Wir folgten dem Anschlag des Hundes und sonderbar: wieder führte er uns nach der alten Sycamore. Wir zogen daher zum zweiten Male ohne Erfolg ab, und begannen das dritte Treiben. Wieder derselbe Verlauf auf dem Felde, und man kann sich denken, wie groß unser Erstaunen war, als uns Pompo abermals nach derselben Stelle führte.

„Wuh, Massa,“ rief jetzt Abe aus, „das nicht mit rechten Dingen zugehen. Das derselbe Wurm sein! Dat’s nich der ’Kun, dat’s der Deibel. O Gotte doch, Massa, uns von hier fortgehen lassen.“

Ich war aber nicht gesonnen, dies zu thun. Meine Geduld war zu Ende und ich wollte etwas Näheres über diese Erscheinung wissen. Instinktmäßig griff ich nach Abe’s Axt und schlug sie in den Baum. Es klang ganz hohl. Noch ein Schlag. Die Axt brach durch. „Hallo,“ rief ich aus, „da sitzt der Teufel. Der Baum ist hohl bis zum Grunde, und wir können ihn fällen. Er muß herunter und wenn wir bis zum Morgen daran hauen sollten.“

Als Abe sah, daß ich so entschlossen war, faßte auch er wieder Muth.

„Wenn der Boom so hohl sein, Massa,“ sagte er, „wir die Würmer ausräuchern können. Dat’s Gras genug hier, um den Deibel selber auszuschmoken. Sollen wir’s dhun, Massa?“

„Versteht sich!“ rief ich aus. „Rasch an’s Werk.“ Es währte nicht lange, so hatten wir ein Loch in den Baum gehauen, durch das wir Gras und Reisig stecken konnten und zündeten dieses an.

Der Rauch that bald seine Wirkung. Wir sahen ihn aus der Rackun-Höhle zuerst in dünnen Striemen, dann immer dicker und dicker herauskommen, hörten ein Rappeln und Quitschen in dem hohlen Baum und nach kurzer Frist kam ein Rackun zum Vorschein und wandte sich der Liane zu, um herabzuklettern, dann folgte ein zweites und drittes, bis es ihrer sechs waren.

Die Scene, welche nun folgte, war köstlich. Ich hatte meine Büchse ergriffen und schoß damit die beiden ersten Rackuns. Sie stürzten nieder. Pompo ergriff ein Drittes, als es, die Liane entlang laufend, entwischen wollte, während Abe dem Vierten mit der Axt den Kopf spaltete, als er es erreichen konnte. Die beiden Andern rannten zurück und versuchten wieder in die Höhle zu kriechen, mußten aber wieder heraus und hatten mir nur Zeit gegeben, wieder zu laden und sie herab zu schießen. Wir packten daher die ganze Familie auf und Abe erklärte, „dat wäre die größte ’Kunjagd, die er je erlebt habe.“

Da es mittler Weile schon ziemlich tief in der Nacht war, beeilten wir unsern Rückweg und trabten „nach Huse.“




Blätter und Blüthen.

Die koptischen Christen in Kairo. Nach H. Brugsch Reiseberichte aus Aegypten beträgt die gegenwärtige Zahl der dortigen Christen 150 bis 180.000 Köpfe. Die Zahl derselben vermindert sich aber von Jahr zu Jahr durch ihren gezwungenen oder freiwilligen Uebertritt zum Islam. Ihre Gesichtsbildung hat starke Züge, welche unwillkürlich an die alten Aegypter auf den Monumenten erinnert. Ihre Augen sind groß und mehr länglich als rund, ihre Nase ist gerade, an der Spitze sanft eingebogen, ihre Lippen sind aufgeworfen und ihre Gesichtsfarbe ist heller als die der Araber. Ihre Tracht ist auch eine verschiedene von den Muslimen. Der Turban ist schwarz oder blau, ihr Ueberwurf gleichfalls schwarz, auch der Schleier der Frauen ist schwarz, während die Frauen der Muslimen einen weißen tragen. An Gesicht und Armen sind sie grau tättowirt, und das Kreuz bildet hier die Hauptfigur. Die Kopten sind furchtsam und feige, dabei hinterlistig und verschlagen. Sittenreinheit ist einer der seltensten Vorzüge ihres Charakters. Sie haben einen Patriarchen an ihrer Spitze, der förmlich in Kairo residirt. Ihr Jammer, gegenwärtig Kriegsdienste zu thun, ist groß, und sie flüchteten deshalb aus den Dörfern. Dafür wurden Mütter und Weiber von Muslimen mit glühenden Eisen gebrannt und durch Martern aller Art gezwungen, ihre Angehörigen zu verrathen. Neuerdings sollten sie vom Kriegsdienste befreit sein, dafür aber Frohndienste leisten. Der Patriarch hat dies aber entschieden zurückgewiesen.

Ein socialer Fortschritt in der Schweiz. Mit den Fortschritten im Wissen müssen nothwendig auch die Fortschritte im Handeln Hand in Hand gehen, das Wissen muß sich aus seinem Traumleben in die konkrete Wirklichkeit umsetzen, um hier seine reichen Früchte zu tragen. Dies geschieht nur durch die Kraft des guten Willens, der zwar unsere Schweizerberge noch nicht hat versetzen können, dem wir aber andere Vortheile verdanken, die einen erfreulichen Beweis dafür abgeben, daß der Sinn für Häuslichkeit und Wohlstand in unserem Volke immer tiefere Wurzeln schlägt und jene gesunde Anschauung durch alle Schichten der Bevölkerung sich immer weiter ausbreitet, daß nicht durch kommunistische Systeme, durch Aufhetzung der Armen gegen die Reichen das materielle Glück der Menschen dauerhaft begründet werden könne, sondern einzig und allein durch Arbeit und Sparsamkeit. Die Vortheile, von denen wir reden, sind in handgreif­lichen Münzen niedergelegt in unsern Sparkassen. Der Stand des schweizerischen Sparkassenwesens nach dem Rechnungsabschluß vom 31. De­cember 1852 dürfte von allgemeinerem Interesse sein. Mit einer Einwohnerzahl von 2,312,000 zählt die Schweiz 167 Sparkassen. (Einzig der Kanton Wallis mit einer Bevölkerung von 80,000 Seelen besaß damals noch keine solche; seit dem 1. Juli 1854 besteht jedoch auch eine Sparkasse in der wallischen Gemeinde Champéri.) Bei derselben betheiligten sich 181,172 Einleger mit einer Summe von 60,368,172 Francs. Die Reserve­fonds betrugen 2,744,270, Franks. Vergleichen wir den Stand des Spar­kassenwesens von 1852 mit demjenigen von 1835, so zeigt sich ein sehr erheblicher Fortschritt. 1852 kam auf 13 Einwohner ein Sparkasseneinleger, 1835 einer auf 33 Einwohner. Damals betrug im Durchschnitt die Ein­lage 8 Franks auf einen Einwohner; 1852 hat sich diese Ziffer auf 26 Franks gehoben. Auf einen Einleger kamen 1835 durchschnittlich 288 Franks; Ende 1852 aber 333 Franks. – Die bis jetzt bekannten Ergebnisse des Jahres 1853 zeigen sämmmtlich einen weitern Aufschwung der Anstalten.

Der Vergleich der Schweiz mit den übrigen Ländern Europa’s läßt obige Resultate in noch weit günstigerem Licht erscheinen. Während in der Schweiz auf 13 Einwohner ein Sparer kommt, kommt in Sachsen auf 16, in England auf 22, in Hannover auf 37, in Oldenburg auf 40, in Oesterreich auf 40, in Preußen auf 45, in Frankreich auf 63, in Belgien auf 173 Einwohner ein Sparer.

Die Thalfürsten des heutigen Lasistan, im eigentlichen Lasen­lande, sind eine Art unserer ehemaligen Gaugrafen, die wiederum einen Fürsten über sich anerkennen. Solcher Thalfürsten existiren gegenwärtig funfzehn, von denen zwölf an der Küste ihren Sitz haben, die andern drei aber die Straße von Bathum nach Artwin unsicher machen. Sie leben zum größern Theile unter einander in immerwährender Urfehde, so daß Verwüstungen ganzer Dörfer und Felder gewöhnliche Erscheinungen sind. Luxus und Ueppigkeit sind in ihrem Häuslichen an der Tagesordnung, und ziehen sie nicht auf Raub und Plünderung aus, so sind Schmaußereien ihre schönste Erholung. Hier sitzen sie mit ihren Zechbrüdern mit unter­geschlagenen Beinen um eine auf einem Teppiche stehende Schüssel, und fingern die Speise, da der Orientale die Gabel noch nicht als Bedürfniß kennt, heraus; gut ist es, daß dieselbe mehr fest als flüssig genossen wird. Waschen geschieht blos aus Gewohnheit und weil es der Koran vor­schreibt, man würde sich aber schier entsetzen, nach aufgehobener Tafel und geschehener Waschung noch die von Fettigkeiten und Schmutz triefenden Hände in Unzahl anekeln zu müssen. Die Kuptschinen, ihre Gefäße für Wein, stehen in unmittelbarer Nähe. Ganz also die glückliche goldene Zeit unserer Ritter des Mittelalters.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_268.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)