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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

einnehmen sehen. Seine erste, größere Produktion „Blätter im Winde. Brüssel. C. G. Vogler. 1847,“ die jetzt nur selten ist, ließ kaum den Mann in ihm ahnen, der er später geworden ist. Auch hat Niemand so streng als er selbst darüber abgeurtheilt. Als er mir 1851 einmal eine Ballade einsandte, schrieb er mir dabei unter Anderem: „Ich sende Ihnen eine Ballade, Sie gehört zu meiner Sammlung von Neckarsagen, die ich eigentlich nur für meine Frau machte. Sie könnte aber ganz gut eben solch’ Bändchen bilden wie W. Müller’s „Loreley“. Ich traue mir nur in dieser Beziehung so gut als nichts zu. Die Balladen und Romanzen in meinen „Blättern im Winde“ sind das Abgeschmackteste, was es in diesem Genre giebt, wie denn das Bändchen selbst eine Musterkarte aller denkbaren Geschmacklosigkeiten ist. Nichts als Bilder und Metaphern, und jede Metapher eine Boa constrictor, die mindestens einen Gedanken erquetscht. Die meisten dieser Gedichte stammen allerdings aus den Lümmeljahren 15–17, aber ich war doch fast zehn Jahre später noch so dumm, sie mit all’ ihrem Bilderunflath drucken zu lassen. Ich wage also auch der Beilage keine Lobrede mitzugeben. Schade wär’s, wenn ich solch’ echten Balladenstoff verhunzt hätte. Und nichts ist besser, als eine Sage in endgiltiger Fassung. Aber sie muß in die rechten Hände kommen.“

Später, als ich die „Blätter im Winde“ gegen ihn selbst ein wenig in Schutz genommen, schrieb er mir noch einmal darüber: „Faktisch ist, daß nicht ein Dutzend Gedichte ganz unverändert wieder gedruckt werden dürfte. Diese sehen aus, als wenn sie ein Anderer darin verloren hätte. Etwa noch ein Dutzend ginge in anderer Fassung zu halten, der übrige Bilderschwulst ist eben eine Musterkarte von Geschmacklosigkeiten. Warum sollte ich mich schämen, das zu gestehen? Das wenigstens müssen mir meine ärgsten Feinde lassen, daß ich jetzt und immer bereit bin, einen dummen Streich, den ich vor einer Stunde gemacht, sobald ich ihn eingesehen, nicht reuig, aber entschieden so zu nennen, wie er es verdient. Es dürfte für den Literarhistoriker, der mich analysiren wollte, nicht uninteressant sein, zu sehen, aus welchem schlesischen Bilder- und Wortschwall ich mich zu lesbarerer Einfachheit herauszuarbeiten hatte. Wir Schlesier leiden alle an einer ästhetischen Krankheit, an Bilderüberfluß und Hang zur Wortmacherei, das geht durch von Hoffmannswaldau und Lohenstein an. Ich habe mich davon soweit losgemacht, daß Gottschall sagen konnte, ich sei zuweilen „trivial“ im Verse. Ich werde mir also wieder in etwas die Zügel schießen lassen. Daß ich sonst das Ineinanderpranschen von Bildern weg hatte, dafür zeugen leider die „Blätter im Winde.““ Im Uebrigen sehen Sie die schlesischen Poeten an, Gottschall an der Spitze: Tropen schießen ihnen unter den Fingern auf, wohin sie nur greifen. Ob Gottschall recht hat, weiß ich nicht, aber ich weiß zwei Stellen in Cordula, deren Inhalt prosaisch ist, obgleich die Form ihr Bestes thut. Möglich ist’s indeß, daß er im Rechte ist, denn in die Scylla fällt, wer die Charybdis vermeiden will.“

Diese „Blätter im Winde“ übrigens, die allerdings, wie ich schon gesagt, nicht eben hervorragend sind, dürfen doch immerhin deswegen für den Beurtheiler Hauenschild’s von einiger Bedeutung sein, weil sich schon alles das darin im Keime zeigt, durch was er sich später die besondere Theilnahme der Lesewelt erwarb. Freimuth, schöne Humanität, Liebe zu allem Großen und Schönen strahlt glänzend daraus hervor. In einem Liede: „Es gilt!“ lauten z. B. die beiden letzten Strophen:

„Die Menschen, der besten Rechte beraubt,
Sie gilt’s, aus der Tiefe zu heben,
Vernichtung den Kasten, die ahnenbestaubt
Als Sclavenvögte nur leben.
Wir brauchen aber die Vögte nicht mehr,
Wenn keine Sclaven mehr frohnen,
Die Welt von Geiern und Drachen leer,
Der Bienenkorb von Drohnen.

„Dann drückt die ganze Menschheit in’s Haar
Den Kranz des Ruhmes und Sieges,
Die Palme führt in den Fängen der Aar,
Statt wilder Blitze des Krieges,
Und wenn sich so in Jubel und Lust
Gewandelt die finstern Loose,
Mag lieblich blüh’n an jeder Brust
Auch eine duftige Rose.“

Anfang des Jahres 1848 rief er auch Ludwig Uhland an:

„Laß deiner Saiten Zauber wieder klingen
Von kühnen Sängern und biderben Rittern,
Von Minneglück und tapfren Lanzensplittern,
Und dann von Völkern, die um Freiheit ringen.

„Du sagtest selbst, man müsse jubelnd singen,
So lange noch des Herzens Fibern zittern,
Den Geist des Alters Fesseln nicht erbittern
Und ihn berauben seiner Adlerschwingen.

„Doch Seelen, wie die deine altern nimmer,
Geöffnet bleiben dir des Lichtes Pforten,
Glänzt auch des Hauptes Haar mit bleichrem Schimmer.

„Man hoffet noch auf dich an allen Orten,
Und sehnt sich in dem bunten Versgeflimmer
Nach Vater Uhland’s ernsten, tiefen Worten.“

Daß ein Geist von so männlichem Gehalt keine Freude an der Lovelyliteratur, die sich zuletzt eine so übermäßige Geltung bei uns verschaffte, zu haben vermochte, wird man sich denken können, und der erste seiner „Drei Briefe über Schrift und Kunst“ in den „Blättern für literarische Unterhaltung.“ Nr. 32 (vom 7. August 1852) ist auch ein sprechender Beweis dafür. Als er mir denselben schickte, schrieb er mir dabei: „Die freundliche Theilnahme an meinem Streben, die Sie mir wiederholt in Ihrem Blatte und neuerdings in Ihrem letzten Briefe bezeugten, ließ mich Ihnen bereits gestern den eben eingetroffenen „„ersten““ Brief über Schrift und Kunst zusenden. Ich wünschte, daß die dort ausgesprochenen Gesinnungen den Beifall derer hätten, denen es Ernst ist um künstlerisches Ringen im Allgemeinen, um die Poesie insbesondere und vor Allem um ehrliches, sittliches und menschenwürdiges Dasein. Ohne Zweifel ist uns eine schöne Aufgabe geworden, wenn meine Auffassung des poetischen Apostelamtes die richtige ist, wenn wir in der That berufen sind zu einer „„innern Mission““ für Schönheit, Kraft und Freude. Aber, so sehr ich davon durchdrungen bin, daß ich das Rechte getroffen, ich verhehle mir doch keinen Augenblick, daß der passive Widerstand, die Apathie der Männer gegenüber allen poetischen Leistungen, jedes segensreiche Wirken jetzt wie vorher in Frage stellt. Es wird mir Niemand die Wahrheit des Satzes bestreiten, daß erst die Lust, die selbstbewußte Lust an einem liebenswürdigen Leben befähigt: zu manchen politischen Bestrebungen, aber man wird doch nach wie vor die einzigen Mittel zum Zwecke als Tändeleien und Schaumblasen müssiger Geister geringschätzen und großen, ja allen Werth legen auf verfrühte Demonstrationen, die nur dann etwas bedeuten, wenn sie von innerlich befreiten Menschen ausgingen. Es gab kaum eine Zeit, in welcher das Gewicht der Poesie von denen, die den Fortschritt wollen, in gleichem Maße verkannt wurde, wie in der jetzigen. Und doch haben sie an dem Treiben der Gegenpartei, an dem Hätscheln der Geibel’s und Redwitze einen derben Fingerzeig. Die Pfaffen waren seither ja klüger als die ehrlichen Leute. Immer glückt’s freilich nicht, mit Redwitz ist es sogar übel mißglückt. Der arme Junge hat sich in Wien so gräßlich blamirt, ihm ging gegenüber seiner Professur ein so helles Licht auf, daß er, vergeblich wartend auf die Gaben des heiligen Geistes und eine Wissensoffenbarung von oben schon jetzt in seines Nichts durchbohrendem Gefühle das Feld räumt. Dies Fiasko thut mir seinethalb leid, aber es ist gerecht.“

Wie er selbst diese „innere Mission“ für Schönheit, Kraft und Freude vollführt wissen wollte, dafür sind seine Romane und „Cordula“ ein Beweis. In der letzteren ist der Kampf zwischen dem verwelkenden, in seinen Sünden absterbenden Ritterthum und dem gesunden, kräftig aufblühenden Volke geschildert und in diesem Kampfe die Liebe eines Mädchens, das sich in dem Gedichte in dem ganzen mystischen Reize ihrer Jungfräulichkeit darstellt. „Ich gestehe,“ schrieb er mir über „Cordula“ selbst, „daß mir der Anklang, den das Gedicht gefunden, Freude macht. Daß man meine Verse kühl aufgenommen, daß ich sogar über mein Lieblingsgedicht „„Sirvante von Pierre, Cardinal““ (Hamburg, Hoffmann und Campe. 1850), nur von Paris aus Gutes von mir vorher Fremden hörte, betrübte mich fast – wenn ich auch im Stande bin, selbst zu beweisen, daß das Publikum eigentlich recht hatte. Cordula ist in der That von meinen poetischen Arbeiten, mit Ausnahme des Sirvante, die einzige nicht specifisch für mich geschriebene. Daher ist sie auch so gut wie ein Erstling, hat dessen Schwächen, aber vielleicht auch seine naiven Vorzüge. Ich will zusehen, daß ich’s jetzt der Welt noch bequemer mache. Ich selbst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_306.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)