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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Das Gehörorgan. Die obere Figur zeigt die einzelnen Theile des Hörapparates in ihrem Zusammenhange. a) das äußere Ohr. b) Der äußere Gehörgang. c) Das Trommelfell. d) Das Köpfchen. e) der lange Fortsatz und f) der Stiel des Hammers. g) Der Ambos. h) Der kurze und i) der lange Fortsatz des Amboses. k) Das Linsenknöchelchen. l) Der Steigbügel. m) Der Fußtritt des Steigbügels über dem ovalen Fenster (zwischen Vorhof und Paukenhöhle). n) Oberer, o) hinterer und p) äußerer Bogengang. q) Schnecke. r) Kuppel der Schnecke. – Die untere Figur stellt das Gehörorgan im Längendurchschnitte dar. a) Aeußeres Ohr. b) Aeußerer Gehörgang. c) Trommelfell. d) Paukenhöhe. e) Ohrtrompete. f) Gehörknöchelchen. g) Bogengänge. – Gehörknöchelchen: 1) Hammer. 2) Ambos (mit dem Linseknöchelchen). 3) Steigbügel.


einzelnen Theile des Labyrinthes sind: der Vorhof, die Schnecke und die drei Bogengänge. – Der Vorhof stellt einen länglichen Raum in der Mitte des Labyrinthes dar, welcher einen rundlichen und einen länglichen, mit Ohrwasser ebensowol erfüllten, wie umspülten Sack enthält, an deren Wänden sich der Gehörnerv ausbreitet. Von der Paukenhöhle ist der Vorhof durch die mit dem Steigbügel verwachsene Membran des ovalen Loches getrennt, mit den übrigen Theilen des Labyrinthes, der Schnecke und den Bogengängen, steht er aber in offener Verbindung. In dem Wasser beider Vorhofssäckchen, und zwar an der Stelle der Nervenausbreitung, befinden sich, wahrscheinlich zur Verstärkung des Schalles kleine Steinchen aus kohlensaurem Kalk (Gehörsteinchen, Ohrsand, Ohrkrystalle). – Die Schnecke, welche sich an die vordere Wand des Vorhofs anlegt, gleicht ganz und gar dem Gehäuse einer Gartenschnecke, nur mit dem Unterschiede, daß der Kanal der menschlichen Schnecke durch eine Querscheidewand (Spiralplatte) in zwei über einander liegende Spiralgänge (Treppen) geschieden ist. Der obere Gang oder die Vorhofstreppe mündet in den Vorhof ein, die untere oder die Paukentreppe ist nur durch das Trommelfell im runden Fenster von der Paukenhöhle getrennt. Beide Schneckenkanäle sind mit Labyrinthwasser erfüllt und von einer häutigen, geflechtartigen Ausbreitung des Gehörnerven ausgekleidet. – Die drei Bogengänge oder halbcirkelförmigen Kanäle (ein oberer, ein hinterer und ein äußerer), welche wie gekrümmte Röhren in den Vorhof einmünden und von denen ein jeder an dem innern Ende eine flaschenähnliche Erweiterung (Ampulle) hat, enthalten mit Ohrwasser erfüllte Schläuche, die in ihrer Gestalt den knöchernen Bogengängen gleichen und als Fortsetzungen des länglichen Vorhofssäckchens anzusehen sind, von woher die Ampullen auch ihre Nervenfasern erhalten. – Der Schall, welcher von der Paukenhöhle auf das Labyrinth überging, breitet sich im Labyrinthwasser aus und trifft so auf die Gehörnervenfasern, welche den dadurch gemachten Eindruck zum Gehirn fortpflanzen, zum Bewußtsein bringen und mit Hülfe des Verstandes beurtheilen lassen.

(Bock.) 




Bilder aus dem jetzigen Kriege.

(Von verschiedenen Augenzeugen.)
I. Mars und Mai.

Der Mai hatte um den Theil des Tschernaya-Flusses, den wir durchritten, das Thal weit umher mit dem üppigsten, grünen, blumenreichsten Gewande angethan. Fett und feist in die Höhe geschossene Blumen neuer Art schwankten schwer unter ihrem reichen Diamantenschmucke von Thautropfen: Georginen, Anemonen, Weißdorn, Thymian, Münze, Spargel und Hunderte ganz unbekannter Stauden und Blumen. Auf unserer rechten Seite marschirten die Türken als Begleiter des recognoscirenden Omer Pascha durch dieses hohe, herrliche Blüthen- und Duftmeer, das in den süßesten aromatischen Wellen unter ihren eintretenden Füßen aufschwoll und zu uns herüberwehte. Wir nahten dem Schlachtfelde von Inkerman. Rechtwinkliche Stücke langen, reichen, blüthenschweren Grases, hoch emporragend über das natürliche Grün der Wiesen umher, bezeichneten die Massengräber, in welchen die Erschossenen und Erschlagenen vom 25. October zu Hunderten in je einer ausgegrabenen Tiefe ruhen. Der Leichengeruch in seiner Mischung mit dem würzigsten Aroma des Frühlings machte einen unbeschreiblich erschütternden Eindruck, am Empfindlichsten auf die Pferde. Sie schnaubten und schnarchten mit emporstarrenden Mähnen in die Gräser und Blumen, von denen keins nur einen Halm abbiß und waren nur mit der größten Gewalt darüber hinweg zu bringen. Zitternd an allen Gliedern und starrend in jedem Haar der Mähne eilten sie dann darüber hinweg und athmeten tief aus, als sie wieder natürliche Wiese unter die Füße bekamen. Auch die Vögel, die anderswo lustig in den heiß aufathmenden Maimorgen hineinpfiffen und trillerten, wurden hier still und flogen davon, nachdem sie an verschiedenen Stellen probirt hatten, sich niederzulassen. Bald häuften sich auf unserm Wege die Denkmäler jenes schrecklichen, „glorreichen“ Octobertages. Das Skelett eines englischen Dragoners lag noch da zwischen dem Grase, wie er gefallen war. Zerrissene Fetzen seiner rothen Uniform spielten um seine abgenagten Gebeine. Die Knöpfe waren alle abgeschnitten. Er muß gleich im Anfange der Schlacht gefallen sein, als die schwere Reiterei dicht am „Canroberts-Hügel“ unter das Feuer der russischen Artillerie kam. Nicht weit davon lag freundschaftlich ein noch nicht ganz fleischloses Russenskelett. Sie hätten sich im Leben wohl eben so gut mit einander vertragen, wenn die höhere Staatsweisheit der Schöpfer und Erhalter des europäischen Gleichgewichts wirklich als Männer vier Punkte, und nicht Fragezeichen als Diplomaten, gemacht haben würden. Der kleine, runde Schädel des Russen war von Geiern kahl genagt und ausgeweidet, nur das röthliche Haar flatterte noch wirr um seine tiefen Augenhöhlen.

Weiter hin schien ein anderes russisches Skelett zwischen Kugeln und Fragmenten von Kartätschen aus dem Grabe in die Höhe gesprungen zu sein. Nur die Füße waren etwas bedeckt. Mit dem Oberkörper ragte er auf und ein Arm lag wie drohend. Wir mußten unsere Pferde nun mit all’ unserer Gewalt durch Labyrinthe halb verwes’ter Artillerie- und Cavalleriepferde zwingen, neben und unter welchen einzelne, abgerissene Menschenglieder, Theile von Schädeln, verwaschenes Sattelzeug, verrostete Gebisse, Schnallen, Kleiderfetzen u. s. w. umher zerstreut lagen. Ein furchtbares Labyrinth von Todeskämpfen, das nun ruhig in den Verzerrungen, mit welchen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_356.jpg&oldid=- (Version vom 19.6.2023)