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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

geselligen Cirkel vom feinsten Geschmack, die der Oberpräsident von Preußen abendlich in seiner Familie so gern versammelte, müssen wir noch in kurzem hier gedenken.

Herr von Schön hatte sich schon vor längerer Zeit zum zweiten Male verheirathet. Man muß Zeuge auch nur eines solcher Abende gewesen sein, an denen Herr von Schön, nebst seiner würdigen Gattin und den erwachsenen Töchtern, einer so ausgesuchten Gesellschaft vorstand, um jenen geselligen Zauber erfahren zu haben, der alles ausschließt, was ungehörig und langweillg ist, alles aufnimmt, was fördert und unterhält, und, indem er durch Takt bindet, jedem Einzelnen doch die volle Freiheit der Gedankenäußerung verleiht. In diesen Abendkreisen fanden sich die verschiedensten der gebildeten Stände ein, der Militär, der sich durch Kenntniß und Geist auszeichnete, der Philosoph, der Historiker, der Naturforscher, der Arzt, der Theolog – wiefern er nicht einer engherzigen Bigotterie huldigte – der Rechtsgelehrte, der Schriftsteller als solcher, der Künstler, der Kaufmann. Mitglieder der ausgebreiteten Familie, die aus der Ferne einsprachen, der Gutsbesitzer aus der Provinz, der Reisende des In- und Auslandes, alle fanden sich hier zu schönster Eintracht vereinigt, die, wenn auch oft durch lebhafte Differenzen des Gesprächs modulirt, doch die Harmonie als durchgreifend empfinden ließ. Dieses einfache Mahl einer solchen Abendgesellschaft, mit der feinsten Würze des Gedankens, konnte dem Theilnehmer jene berühmten Mahlzeiten vergegenwärtigen, welche der Weltweise von Königsberg, Kant, einst so liebte, nur hier mit der Ergänzung und Bereicherung durch die Familie, durch den lebhaften Antheil der gebildetsten Frauen, denn Kant war unverheirathet. Herr von Schön wußte aus der Massenbildung die gewichtvolleren Geister, die durch ideellen Gehalt wogen, stets herauszuerkennen. Daher er denn auch einen so durchweg liebenswürdigen, geistreichen Philosophen wie Karl Rosenkranz stets gern zu seiner Seite hatte.

Zum Schlusse dieses Abschnittes erwähnen wir noch des Denkmals, welches die Stadt Königsberg, irren wir nicht, im Jahre 1844, in demselben, in welchem die Universität ihr dreihundertjähriges Jubiläum beging, ihrem einstigen Oberpräsidenten, Herrn von Schön, setzte; es ist ein einfacher Obelisk, welcher sich in der Königstraße vor dem Museum erhebt. Dieses Monument, wie sehr es der einmüthige Ausdruck von Tausenden ist, wird freilich bei weitem übertroffen werden durch das großartigste Denkmal, welches der Burggraf von Marienburg sich selbst als den Schlußstein seines Lebens setzen wird, in den „Denkwürdigkeiten,“ an denen er seit Jahren schreibt, und bei deren Abfassung wir ihn auf seinem Landsitze belauschen wollen. Oder vielmehr, wir wollen dem hochverdienten Manne, dessen die deutsche Nation stets eingedenk sein wird, dort einen Besuch abstatten, wo er in der stillen Umfriedigung der Natur, unter dem Säuseln uralter Bäume, unermüdet thätig feiert, aber dem Besuchenden auch so gern Rede steht.

(Schluß folgt.)




Die Cochenille.

Wie im Alterthume der Purpur, welchen verschiedene im mittelländischen Meere lebende Arten der Purpurschnecke (Murex) lieferten, für die schönste rothe Farbe galt und allgemein geschätzt war, so hat in neuerer Zeit, seit der Eroberung von Mejico, die Cochenille große Berühmtheit erlangt und noch jetzt gilt dieselbe, und zwar mit vollem Recht, für die schönste und feinste hochrothe Farbe, die man kennt. Dazu kommt, daß das Cochenilleroth ein sehr dauerhaftes, zugleich aber auch ein sehr theures ist, zwei Umstände, welche seinen Werth noch bedeutend erhöhen. Viele meiner Leser werden wissen, daß dieser schöne und kostbare Farbstoff ebenfalls aus dem Thierreiche stammt; dagegen dürften die Naturgesetze des die Cochenille liefernden Thieres und die Art und Weise, wie man dasselbe züchtet, nur Wenigen genau bekannt sein.

Die in den Handel kommende Cochenille, welche den rothen Farbstoff enthält, besteht aus kleinen, länglichrunden, der Quere nach gerissenen Körnern, von 2 bis 3 Linien Länge und graubrauner Farbe. Schon eine schwache Vergrößerung genügt, um selbst den Unerfahrensten zu belehren, daß diese Körner nichts Anderes sind, als Insectentheilchen. Das Cochenilleinsect gehört zu der Gattung Schildlaus (Coccus), deren Arten sämmtlich von Pflanzensäften leben. Die Weibchen dieser Thiere haben immer einen linienförmig zusammengedrückten, rundlichen Körper ohne Flügel, an dessen Bauchfläche sich die sechs Gliederstücke, ein kurzer Saugrüssel und über demselben die beiden sehr kleinen Augen befinden. Der Kopf ist vom Körper nicht gesondert und erscheint daher, wenn man das Thier von der Rückenseite sieht, blos durch die zwei kurzen gegliederten Fühlhörner, die über den Augen eingefügt sind, angedeutet. Ganz anders sind die Männchen gestaltet. Diese besitzen nämlich im vollständig ausgebildeten Zustande einen langgestreckten, in Kopf, Bruststück und Hinterleib deutlich gesonderten Körper, zwei häutige Flügel und am Ende des Hinterleibes zwei lange, stachelartige Borsten. Am Kopf befinden sich zwei große kugliche Augen und zwei ziemlich lange, aber ebenfalls gegliederte Fühlhörner. Uebrigens sind die Männchen um Vieles kleiner als die Weibchen, und daher mit bloßen Augen kaum wahrzunehmen. Die weiblichen Schildläuse legen ihre Eier auf irgend eine Stelle der jungen Rinde ober auf die Blätter der Pflanzen, von deren Säften sie leben, und bleiben nun an dieser Stelle bis zu ihrem Tode unbeweglich sitzen, beschäftigt mit ihrem in das Gewebe der Pflanze eingebohrten Saugrüssel den ihnen nöthigen Nahrungssaft einzusaugen. Sie sterben endlich über den Eiern und ihr Körper bildet über denselben, ja sogar noch über den bereits ausgekrochenen jungen Larven ein schildförmiges Dach, woher diese Thiere ihren Namen erhalten haben. Meine Leser werden dergleichen, gewöhnlich weißlich gefärbte Schildchen schon oft an der Rinde junger Aeste und Zweige oder an Blättern bemerkt haben; namentlich pflegen Gewächshauspflanzen sehr häufig mit Schildläusen bedeckt zu sein. Daß die Schildläuse, wenn sie sich in großer Anzahl an einer Pflanze entwickeln, wie dies oft wegen der außerordentlichen Fruchtbarkeit der Weibchen binnen Kurzem geschieht, durch das Aussaugen des Saftes das Erkranken, ja zuletzt das völlige Eingehen der Pflanze herbeiführen können, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Man muss daher die Schildläuse von Zeit zu Zeit zu entfernen suchen, was sich mittelst Bürsten der Zweige und Blätter bewirken läßt. Dabei bemerkt man häufig, daß sich unter den todten Weibchen ein flockiges, weißes Gewebe befindet, welches sich, wenn man das todte Thier losreißt, in lange Fäden ausdehnt.

Die meisten Schildlausarten sind eine jede auf eine bestimmte Pflanzenart angewiesen. Das ist auch mit der Cochenilleschildlaus der Fall, und zwar lebt diese von den Säften einer in Mejico einheimischen Cactusart, der Opuntia coccionellifera, weshalb sie in der Wissenschaft den Namen Coccus Cacti führt. Der prachvoll rothe Farbstoff dieses Thierchens war bereits den alten Mejicanern bekannt, und mit Cochenille roth gefärbte Mäntel die Abzeichen ihrer Könige und Häuptlinge. Nach der Eroberung Mejico’s lernten die Spanier diesen kostbaren Farbstoff kennen und schätzen, und von da an ward die Cochenillezucht in Mejico in großartigem Maßstabe betrieben und sammt dem Cochenillehandel zu einem Monopol der Regierung gemacht, welches Spanien drei Jahrhunderte lang alljährlich sehr bedeutende Summen eingetragen hat. Die getödteten Thiere kamen zuerst unter dem wahrscheinlich mejicanischen Namen „cochonilla“ (sprich: Kotschonilja), den sowohl das Thier als der Farbstoff noch jetzt bei den Spaniern und Portugiesen führt, in den Handel; aus demselben entstand der französische, auch bei uns gebräuchliche Namen „cochenille“. Nach der Unabhängigkeitserklärung Mejico’s ward von den Spaniern (im Jahre 1820) der Versuch gemacht, die genannte Cactusart in den südlichsten Gegenden Spaniens zu acclimatisiren und die Cochenillezucht nach Spanien zu verpflanzen; und siehe da, der Versuch gelang in ausgezeichneter Weise. Ein Zeitraum von dreißig Jahren hat genügt, um die Cochenillezucht in Spanien vollständig einzubürgern. Sie hat daselbst, obwohl sie bis jetzt nur um Malaga, Velez-Malaga und Motril an der Küste von Granada im Großen betrieben wird, bereits einen solchen Aufschwung genommen, daß im Jahre 1850 nicht weniger 801,915 Pfund roher Cochenille nach England verkauft wurden, welche, da das Pfund durchschnittlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_398.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)