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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

wird, oder auch bei Husten mit grünlichem, übelriechendem, garstigem Auswurf und Kitzeln und Brennen im Kehlkopf, bei Kolik nach Magenverderbniß, faulig riechendem Stuhle, bei versetzten und sehr stinkenden Blähungen, bei Schleimabgang aus dem After, bei unwillkürlichem Harnabgang des Nachts im Schlafe (Bettpissen), bei Blutharnen, bei chronischen Hautkrankheiten (Flechten), bei Jucken an den Geschlechtstheilen, bei heftig brennenden und brandigen Geschwüren, die leicht bluten und sehr übel riechen, bei Drüsenverhärtung in der Leistengegend etc. –

Graphit (welcher in großer Menge ganz unverändert wieder fortgeht) soll nach Jahr erzeugen und heilen: Klammschmerzen mit röthlicher Geschwulst, Härt und Empfindlichkeit der Theile; Strammen wie von Muskelverkürzung und Krummziehen einzelner Glieder; leich Einschlafen der Glieder; sehr leichte Verkältlichkeit; Blutwallungen; allgemeine Angegriffenheit mit Stöhnen oder zittrigem Wesen; Balggeschwülste; Gichtknoten; Frostblasen und viele andere Hautbeschwerden; schwärmerischen, unerquicklichen Nachtschlaf mit Schlaflosigkeit wegen Zudranges vieler sorgenvoller Gedanken; verkrüppelte Nägel; große Neigung zum Gram bis zur Verzweiflung; Grauwerden der Haare; Ausschlag hinter den Ohren; halbseitige Lähmung und Verzerrung der Gesichtsmuskeln; geschwürige Ausschläge um Mund und Kinn; fauler urinartiger Mundgeruch; viel Qual von Blähungen; übermäßiger Abgang stinkender Winde; langwierige Hartleibigkeit oder stete Weichleibigkeit; unreine Gesangstimme; starker stinkender Fußschweiß. – Cl. Müller empfiehlt den Graphit in der dritten Verreibung: bei verhärteten Gerstenkörnern, übermäßigem Thränen der Augen, bei Augenschwäche, wo die Buchstaben zusammenfließen, bei Klopfen, Klingen, Brausen, Rollen, Knacken, Knallen, Fappen oder Platzen im Ohr und hinter demselben, bei Schwerhörigkeit, die im Fahren besser wird, bei leicht abgehenden Blähungen, bei röthlichem Bodensatz im Urin, bei Wasserbruch, bei der Rose, bei krustigem, fressendem Ausschlage mit feuchtenden, wunden Hautstellen, bei Flechten etc.

III. Die homöopathischen Arzneigaben.

Hahnemann behauptete, daß eine Arzneigabe kaum je so klein sein könne, daß sie nicht die ihr homöopathisch entsprechende Krankheit bessern und heilen könne. Er verdünnte deshalb die Mittel sogar decillion- und vigintillionmal. Von den jetzigen Homöopathen sagen Einige, daß eine solche allzuweit getriebene Kleinheit der Dosen homöopathischer Heilmittel mit dem Wesen der Homöopathie selbst nicht zu schaffen habe, sondern nur Sache der Vorliebe, der individuellen Anschauungsweise oder auch der Erfahrung einzelner Homöopathen sei. Andere halten dagegen noch fest an den Hahnemann’schen Gaben (an der dreißigsten Verdünnung), ja manche wollen die Verdünnung bis zum 1500- und 1600fachen gebracht wissen (die Anhänger der Hochpotenzen). Auf diese Meinungsverschiedenheit unter den Homöopathen über die Arzneigabe kommt übrigens gar nichts an, da die 3te Verdünnung gerade wie die 30ste wirkt, d. h. wie Nichts. Wenn man Wirkungen nach dem Einnehmen homöopathischer Arzneigaben bemerkt, rühren dieselben, wie oben gesagt wurde, allemal nur von natürlichen, im Körper gesetzlich wirkenden Processen her, auch wenn dies die fanatisirten blinden Anhänger der Homöopathie nicht glauben wollen. – Der Curiosität wegen ist dann noch zu erwähnen, daß Hr. Dr. Lutze in Cöthen (welcher zum Wohle der Menschheit für 21/2 Thlr. homöopathische Hausapotheken verkauft, die bei ziemlich häufigem Gebrauche doch recht gut zehn Jahre ausreichen), seine decillionfach verdünnten Arzneistoffe mit nur ihm eigenthümlichem, besonders kräftigen Lebens-Magnetismus versetzt, während Dr. Hering in Philadelphia in den Hochpotenzen eine neue Kraft, die er Hahnemannismus taufte, versteckt glaubt. Die von Lutze magnetisirten Arzneistoffe heilen jede Krankheit, und wird ein Patient dadurch wirklich nicht gesund, dann ist Dr. Lutze, wie er selbst sagt, entweder schwach an Glauben und Willen gewesen oder er hat empfunden, daß er in diesem Falle nicht helfen durfte (es ist ihm dabei, als würde ihm dies auf unsichtbarem Wege zugeflüstert). Doch kann die Schuld auch am Patienten liegen, und dieser hatte entweder dem Arzte nicht Alles gesagt, was an seinem Körper unregelmäßig ist, oder er hatte die vorgeschriebene Diät nicht streng gehalten, oder er hatte nicht Geduld, die Kur völlig auszubrauchen (denn Hochpotenzen wirken Jahre lang). – Was die Wiederholung der Gabe desselben oder eines andern homöopathischen Mittels betrifft, so sind die Ansichten hierüber unter den Homöopathen so getheilt, daß nicht nur Differenzen von Stunden und Tagen, sondern sogar von Monaten bestehen. Es kommt übrigens darauf, ob ein homöopathisches Mittel alle Stunden oder alle Jahre gereicht wird, ebensowenig wie auf die 3te oder 300ste Potenz dieses Mittels etwas an; es ist ja doch gleich Nichts.

Von den homöopathischen Verdünnungen macht sich der Laie gewöhnlich gar keine Vorstellung, er hat fast nie überdacht und noch weniger berechnet, was eigentlich Quintilliontel oder Decilliontel sind. Man beachte deshalb Folgendes: Hahnemann machte 30 Abstufungen der Verdünnung seiner homöopathischen Mittel, indem er 30 Fläschchen jedes mit 100 Tropfen (etwa ein Quentchen) Wasser (oder Spiritus) füllte, sodann in das erste Fläschchen einen Tropfen eines Arzneistoffes (Urtinktur) fallen ließ und durch Schütteln sorgfältig vermischte. Hiervon setzte er dann einen Tropfen dem Wasser im zweiten Fläschchen zu und mischte ihn wohl damit; hierauf nahm er wieder von dieser Mischung einen Tropfen und brachte ihn in das dritte Fläschchen, aus diesem einen in das vierte u. s. f. bis zum 30sten. So entstehen 30 Verdünnungen, welche alle zusammen nur einen einzigen, sehr ungleich vertheilten Trophen Medicin enthalten, wovon im ersten Fläschchen jeder Tropfen der Mischung 1/100, im 30sten ein Decilliontel enthält. Um sich nun von der Größe dieser Verdünnungen einen deutlichen Begriff machen zu können, muß man sich die Quantität des Wassers und die Größe des Wasserbehälters denken, der den einen Tropfen Medicin aufnehmen muß, welcher bis zum Decillionfachen verdünnt werden soll. Genaue mathematische Berechnungen haben ergeben: die erste oder 100fache Verdünnung besteht aus 50 Gran Wasser; – die 2te oder 10,000fache aus 101/2 Unzen; die 3te oder millionfache (I.) aus 651/2 Pfund; die 4te oder 100millionenfache aus 651/2 Centnern; – die 5te oder 10,000millionenfache aus 6550 Centnern (55 kubischen Klaftern); – die 6te oder billionfache (II.) aus 655,000 Centnern (5500 kub. Klaftern); – die 7te oder 100billionfache aus 6,550,000 Centnern (550,000 kub. Klaftern); – die 8te oder 10,000billionfache aus 55 Million Kub.-Klaftern (ein See von einer Quadratmeile und 31/2 Klafter tief); – die 9te oder trillionfache (III.) aus 1/12 einer Kubikmeile (ein See von 16 Quadratmeilen und 20 Klafter Tiefe); – die 12te oder quadrillionfache (IV.) aus 83,300 Kubikmeilen (die Gewasser des atlantischen Meeres bis zum Aequator); – die 15te oder quintillionfache aus 83,300 Millionen Kubikmeilen (so viel Flüssigkeit als 33 Erdbälle fassen können); – die 18te oder sextillionfache aus 24 Sonnen voll Wasser; – die 21ste oder sextillionfache aus 24 Millionen Sonnen voll (die Hälfte der Milchstraße); – die 24ste oder octillionfache aus 100 Mal soviel Wasser, als die gesammte körperliche Schöpfung Raum einnimmt; – die 27ste oder nonillionfache aus 100millionmal mehr Wasser, als die Weltkörper der gesammten Schöpfung fassen würden; – die 30ste oder decillionfache aus so viel Flüssigkeit, als 24 Quadrillionen Sonnen oder 33 Quintillionen Erdkugeln Raum einnehmen müßten und durch welche Wasserkugel ein Lichtstrahl (welcher doch in einer Secunde 41,000 Meilen zurücklegt und von der Sonne zu uns in 8 Minuten 7 Secunden gelangt) 28 Jahre brauchen würde, ums sie zu durchdringen.

Einige Junghahnemannianer weichen von der Hahnemann’schen Verdünnungsmethode insofern ab, als sie nicht 1 Tropfen mit 100 Tropfen Wasser oder Spiritus mischen, sondern 10 Tropfen mit 90 Tropfen der Verdünnungsflüssigkeit, dann aus dieser ersten Verdünnung, um die zweite zu bilden, 10 Tropfen zu 90 Tropfen Flüssigkeit setzen u. s. f. Hier entspricht die 1ste Hahnemann’sche Verdünnung der 2ten Decimalpotenz, die 2te Hahnem. der 4ten Dec.-Pot., die 3te Hahnem. der 6then Dec.-Pot. u. s. f. Um die Menge des Arzneistoffes zu wissen, braucht man hier nur die der Potenzzahl gleichkommende Anzahl Nullen dieser anzuhängen, z. B. 1 Pot. = 1/10, 2. Pot. = 1/100, 3. Pot. = 1/3000, 6. Pot. = 1/6000000 u. s. f.

Gefährlichkeit des homöopathischen Arzneigebens.

Daß bei der homöopathischen Heilmethode sowie bei jeder andern Heilkünstelei Kranke gesund werden, ist früher schon erklärt worden, und ganz natürlich, da dies den meisten Krankheiten infolge der Einrichtung unsers Körpers ganz von selbst geschieht, ja sogar nicht selten trotz unzweckmäßiger Diät und Behandlung. Wo man also der Natur die Heilung einer Krankheit allein überlassen kann, da wird eine homöopathische Behandlung sicherlich nichts schaden, denn ihre Streukügelchen aus Milchzucker und Tropfenverdünnungen sind gerade so viel werth wie die Mandelmilch, Gummimixtur etc. des Allopathen, d. h. sie sind gleich nichts. – Ganz anders verhält sich aber die Sache bei Krankheitsfällen, wo der Arzt wirksam einzugreifen gezwungen ist. In solchen Fällen, und deren giebt es genug, steht der Homöopath mit seinem Nichts hülflos da (wenn er nämlich ein ächter und nicht ein Bastard-Homöopath ist) und kann durch Unterlassung sehr viel schaden, ja sogar tödten. Möchten sich deshalb die Leser durch einige Fälle überzeugen lassen.

a) In Krankheitsfällen, wo sich flüssige oder gerinnende Ausscheidungen aus dem Blute in den Luftwegen anhäufen (wie bei Croup, Lungenentzündungen, Lungenödem[WS 1]), kann sehr oft nur durch Brechen der Erstickungstod verhindert werden. Das Brechen ist nun aber sehr oft blos durch Brechmittel zu erzeugen, und solche besitzt der Homöopath nicht, weshalb derselbe in allen den genannten Fällen, besonders bei Kinderkrankheiten, ein sehr gefährlicher Nicht-Arzt ist.

b) Sehr hochgesteigerte Herzthätigkeit, zumal bei organischen Herzleiden, kann lebensgefährliche Zustände herbeiführen, und deshalb ist eine Minderung dieser Thätigkeit öfters ganz unentbehrlich. Der Homöopath ist nicht im Stande, durch seine Nichtse eine solche zu bewirken.

c) Wechselfieberanfälle, wenn sie nicht sobald als möglich unterdrückt werden, ziehen hartnäckige und oft bleibende Vergrößerung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Lungenodem
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_428.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)